Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit 16.079,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.679,90 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei hat der beklagten Partei im Jahr 1981 eine Betriebsliegenschaft um den monatlichen wertgesicherten Mietzins von 15.000 S zuzüglich Umsatzsteuer vermietet. Sie begehrte unter Einrechnung der nicht strittigen Zahlungen der beklagten Partei den rückständigen Mietzins für die Zeit vom 1.7.1984 bis 30.11.1988 in Höhe von 571.724,36 S.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß ihr seit dem Jahr 1984 eine Zinsbefreiung von einem Drittel zustehe, weil der Mietgegenstand zum vorgesehenen gewerblichen Gebrauch wegen verschiedener Untersagungen der Gemeinde nicht mehr voll brauchbar sei. Die aus der Wertsicherungsvereinbarung zustehende Erhöhung könne nicht begehrt werden, weil die klagende Partei der beklagten Partei bisher kein Erhöhungsbegehren bekanntgegeben habe. Ein aus irrtümlichen Mietzinsüberzahlungen entstandenes Guthaben von 60.200,96 S macht die beklagte Partei aufrechnungsweise geltend.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 441.516 S sA statt, während ein Mehrbegehren von 123.200,36 S sA (Erhöhung des Mietzinses aus der Wertsicherung bis einschließlich September 1987) abgewiesen wurde.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache. Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:
Vor der am 19.8.1987 erfolgten Klagszustellung hat die klagende Partei die Erhöhung des Mietzinses infolge der Wertsicherungsvereinbarung nicht geltend gemacht.
Gemäß dem Mietvertrag war der Mietgegenstand zur Gänze zu gewerblichen und industriellen Zwecken vermietet. Die klagende Partei übernahm keine Haftung für eine bestimmte Beschaffenheit und Nutzungsmöglichkeit. Die beklagte Partei war aber berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn nicht binnen sechs Monaten nach Vertragsabschluß eine Umwidmung der Mietliegenschaft in Bauland-Industriegebiet erfolge (Punkt II des Mietvertrages). Die klagende Partei erklärte ihre Zustimmung zu allen Bauvorhaben und dergleichen und bevollmächtigte die beklagte Partei für alle verwaltungsbehördlich nötigen Ansuchen (Punkt III des Mietvertrages). Die Mietliegenschaft hat eine Fläche von etwas über 20.000 m2. Auf einer Fläche von etwa 700 m2 steht eine Holzhalle, woran eine auf dem Grundstück der beklagten Partei stehende Baracke anschließt. Vor der Holzhalle ist eine etwa 1600 m2 große Wiese, entlang welcher asphaltierte Zufahrtsstraßen zum Betriebsobjekt führen. Hinter der Holzhalle ist ein großer Lagerplatz. Die beklagte Partei erzeugt auf der gemieteten Liegenschaft Styropor-Betonsteine und muß daher Rohmaterial und fertige Produkte lagern. Bis zum Sommer 1987 erforderte der Geschäftsumfang der beklagten Partei aber keine besonders großen Lagerflächen und es kam auch nicht zu Beanstandungen der Gemeinde.
Im Sommer 1987 forderte die Gemeinde von der beklagten Partei die Unterlassung der Lagerung von Materialien und der Aufstellung von Ausstellungsstücken auf der Wiese, welche seit dem Jahr 1975 als Grünland gewidmet war und von welcher Fläche schon wegen der Nachbarschaft des Friedhofs und von Weinkellern für jedermann absehbar war, daß keine Umwidmung erfolgen werde. Bis etwa zum Jänner 1988 ergab sich aus der Maßnahme der Gemeinde keine nennenswerte Beeinträchtigung der Nutzung. Beim Abschluß des Mietvertrages wurde über Einschränkungen oder Auflagen durch die Gemeinde nicht gesprochen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei erklärte jedoch, alle Verhandlungen mit der Gemeinde selbst zu führen, um auch das Gelände in Industrieland umwidmen zu lassen. Er hatte zwar gehofft, auch die Wiesengrundstücke vor der Halle als Lagerplatz benützen zu können, jedoch war ihm dabei klar, daß es sich um Grünland handle und auch Einwände der Gemeinde möglich seien. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei die Höhe des Schadens, den die beklagte Partei aus der immerhin gegebenen geringen Beeinträchtigung in der Nutzung der Gesamtliegenschaft erleide, ziffernmäßig nicht genau bestimmbar. Auch die Beiziehung eines Sachverständigen sei hier nicht zweckdienlich; gemäß § 273 Abs 1 ZPO sei dieser Nachteil aber mit einer zu vernachlässigenden Größe anzusetzen. Diese Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO wurde vom Berufungsgericht nicht gebilligt, eine Behebung des Mangels sei aber rechtlich unerheblich.
Im übrigen waren nämlich beide Vorinstanzen der Ansicht, daß der Zinsminderungsanspruch schon wegen der Regelungen im Mietvertrag nicht berechtigt sei. Die beklagte Partei habe damit das Risiko der vollen Erlangung aller behördlichen Genehmigungen selbst zu tragen und von vorneherein eine in dieser Weise mögliche Einschränkung in der Nutzung in Kauf genommen. Die Erhöhung des Mietzinses auf Grund der Wertsicherungsvereinbarung könne erst ab dem der Klagszustellung folgenden Mietzinstermin begehrt werden. Die Zustellung der Klage ersetze aber eine Bekanntgabe nach § 16 Abs 6 MRG, welche Bestimmung auch auf vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossene Mietverträge anzuwenden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Zutreffend geht die Revision zwar davon aus, daß das Recht auf Zinsminderung nach § 1096 Abs 1 ABGB letzter Satz nicht im voraus abbedungen werden kann. Dies ist aber im vorliegenden Mietvertrag auch nicht geschehen. Wenn daher die Bestandliegenschaft schon bei der Übergabe mangelhaft gewesen, oder ohne Verschulden des Mieters erst während der Bestandzeit so mangelhaft geworden wäre, daß sie zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt, stünde der beklagten Partei das Recht auf gänzliche oder teilweise Zinsbefreiung zu. Gemäß Punkt II des Mietvertrages wurde zwar die Liegenschaft "zur Gänze" zu gewerblichen und industriellen Zwecken vermietet; eine bestimmte Art der gewerblichen und industriellen Nutzung wurde jedoch nicht vereinbart. Es wurde einerseits festgehalten, daß die beklagte Partei berechtigt sei, die Liegenschaft "gleich einem Eigentümer" und "nach ihren Wünschen" umzugestalten, andererseits übernahm die klagende Partei aber keine Haftung für eine bestimmte Beschaffenheit und Nutzungsmöglichkeit. Die beklagte Partei sollte allerdings zum Vertragsrücktritt berechtigt sein, wenn nicht binnen sechs Monaten nach Vertragsabschluß eine Umwidmung der Liegenschaft in Bauland-Industriegebiet erfolgt sei. Im Punkt III. des Mietvertrages wurde die beklagte Partei bevollmächtigt, im Namen der klagenden Partei alle verwaltungsbehördlich erforderlichen Ansuchen zu stellen.
Schon die Auslegung dieser Vertragsbestimmungen ergibt, ohne daß es dabei zu einem Widerspruch einzelner Vertragspunkte käme, daß lediglich die Benützung der Liegenschaft zu gewerblichen und industriellen Zwecken, nicht aber eine bestimmte Art einer solchen Nutzung, bedungen war. Die Durchsetzung eines besonderen Verwendungszweckes bei den Behörden war der beklagten Partei überlassen. Die Erlangung der zur Ermöglichung des bedungenen Gebrauches erforderlichen behördlichen Genehmigungen obliegt zwar in der Regel dem Bestandgeber (SZ 40/103, EvBl 1977/265). Wenn es aber der Mieter übernommen hat, selbst für die Erlangung der erforderlichen Genehmigungen zu sorgen (2 Ob 600/88), oder wenn überhaupt kein bestimmter Verwendungszweck zugesagt ist, dann trifft das Risiko der Erlangung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen ausschließlich den Mieter, weil dann nur in der ihm zurechenbaren Sphäre gewisse Erwartungen unerfüllt blieben (vgl MietSlg 31.103).
Zum schriftlichen Vertragstext tritt hier hinzu, daß die Streitteile nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch noch ausdrücklich besprochen haben, daß alle Verhandlungen mit der Gemeinde von der beklagten Partei selbst durchgeführt werden, und dem Geschäftsführer der beklagten Partei von Anfang an klar war, daß er bei der geplanten Benützung der Wiesengrundstücke zu Lagerzwecken auch mit Einwänden der Gemeinde rechnen müsse. Der beklagten Partei war also nicht nur bekannt, daß nicht jede mögliche Verwendungsart durchsetzbar sein werde, sondern sie hat es überdies vertraglich übernommen, hier ohne Zutun der klagenden Partei allein tätig zu werden. Damit könnte aber die Bestandliegenschaft, wenn überhaupt, nur eine schon bei Vertragsabschluß berücksichtigte und damit von der beklagten Partei in Kauf genommene Unbrauchbarkeit aufweisen, welche keinen Zinsminderungsanspruch nach § 1096 ABGB rechtfertigt (MietSlg 23/20, vgl auch RZ 1989/4).
Zur Ermittlung des Ausmaßes einer Zinsminderung ist daher nicht mehr Stellung zu nehmen.
Im übrigen macht die beklagte Partei nur geltend, die auf Grund der vereinbarten Wertsicherungsklausel sich ergebenden Erhöhungsbeträge könnten von der klagenden Partei noch nicht begehrt werden, weil sie es bisher unterlassen habe, der beklagten Partei im Sinne des § 16 Abs 6 MRG das Erhöhungsbegehren bekanntzugeben. Die bloße Einklagung der Erhöhungsbeträge sei nicht ausreichend. Der Oberste Gerichtshof hat zum Problem, in welcher Form die Bekanntgabe des Erhöhungsbegehrens zu erfolgen hat, soweit ersichtlich, bisher nicht Stellung genommen. Seit der MRG-Novelle 1985 ist zwar in § 16 Abs 6 MRG für die Bekanntgabe des Erhöhungsbegehrens das Formerfordernis eines "Schreibens" festgelegt. Wie dieses Schreiben auszugestalten ist, ist aber im Gesetz nicht geregelt. Die für die Erfüllung des Formerfordernisses der Schriftlichkeit nötige Unterschrift bei Verträgen (§ 886 ABGB) ist hier nicht erforderlich (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 36 zu § 16 MRG). Selbst die Schriftform nach § 886 ABGB und damit erst recht die mildere Form eines Schreibens kann aber durch die strengere Form der Zustellung einer Klage ersetzt werden (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 886 mwN; ebenso kürzlich 3 Ob 556/89 für den Fall der im Bestandvertrag vereinbarten Form eines Einschreibbriefes). So wie die Einmahnung des offenen Mietzinses oder die Vertragsaufhebungserklärung nach § 1118 ABGB nach ständiger Rechtsprechung durch die Zustellung der Räumungsklage ersetzt werden können (MietSlg 37.184 mwN), wo es sich gleichfalls um einseitige Willenserklärungen handelt, muß daher auch für das im § 16 Abs 6 MRG vorgesehene Schreiben über das Erhöhungsbegehren gelten, daß die Zustellung der das Erhöhungsbegehren enthaltenden Klage diese Form ersetzt. Selbst wenn daher das MRG auf den vorliegenden Mietvertrag anzuwenden ist, was nicht eindeutig feststeht, kann also die klagende Partei für die mehr als 14 Tage nach der Klagszustellung liegenden Zinstermine die Wertsicherungsbeträge fordern.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)