Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem den Angeklagten Bujar S*** betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Bujar S*** wird für das ihm zur Last liegende Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB nach dem § 84 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagen, sowie gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes wird mit 200 (zweihundert) Schilling festgesetzt.
Gemäß dem § 38 StGB wird Bujar S*** die Vorhaft vom 22. November 1989, 18,50 Uhr bis zum 29.März 1990, 20 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten Mustafa G*** wird teilweise Folge gegeben und die (zusätzliche) Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate und 5 (fünf) Tage herabgesetzt; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Bujar S*** und Mustafa G*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der (in diesem Verfahren bereits rechtskräftig abgeurteilte) am 20. Oktober 1964 geborene Avdi G***, der am 3.Feber 1963 geborene Mustafa G*** sowie der am 28.September 1962 geborene Bujar S*** wurden vom Landesgericht für Strafsachen Graz abweichend von der ua auf das Verbrechen des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB lautenden Anklage des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil sie am 19. November 1989 in Graz in verabredeter Verbindung durch das Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten gegen Gesicht und Körper den Martin Z*** am Körper verletzten, wodurch Martin Z*** einen Nasenbeinbruch ohne Verschiebung der Bruchstücke, Rißquetschwunden am Kopf, Hautabschürfungen und Prellungen erlitt.
Bujar S*** wurde nach dem § 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wobei gemäß dem § 43 a Abs. 3 StGB ein Strafteil von vier Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, wobei die Beschwerde den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 11, erster Fall, StPO geltend macht.
Sie ist im Recht.
Die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe gemäß dem § 43 a Abs. 3 StPO erfordert die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten aber nicht mehr als zwei Jahren. Sie ist daher bei der über den Angeklagten S*** verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unzulässig. Der Auffassung des Erstgerichtes - welches sich auf die (mißverständliche) Anmerkung 2 zu § 43 a StGB in Mayerhofer-Rieder3 beruft - zuwider kann eine sechsmonatige Freiheitsstrafe mit einer solchen von mehr als sechs Monaten auch nach dem äußersten Wortsinn des § 43 a Abs. 3 StGB nicht gleichgehalten werden. Hätte der Gesetzgeber die Unzulässigkeit der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe lediglich bei Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten klarstellen wollen, dann hätte er sich einer eindeutig in diese Richtung gehenden Formulierung bedient (etwa: "Wird auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahre erkannt ....").
Der Ausschluß der bedingten Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe bei einem Gesamtausmaß der Strafe bis einschließlich sechs Monate beruht auch keineswegs auf einer willkürlichen Grenzziehung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987. Dem liegt vielmehr die Absicht zugrunde, eine "Konkurrenzierung der Regelung des § 37 StGB" - die den Ersatz von Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten durch Geldstrafen vorsieht - zu vermeiden (AB 359 Blg NR 17. GP, 10 V.).
Durch die bedingte Nachsicht eines Teiles der (nur) sechsmonatigen Freiheitsstrafe hat daher das Erstgericht seine Strafbefugnis überschritten (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO erster Fall; vgl 13 Os 156/88). Der den Angeklagten S*** betreffende Strafausspruch war deshalb zur Gänze (vgl Mayerhofer-Rieder2 EGr 16 zu § 289 StPO; EvBl 1989/16) aufzuheben.
Bei der somit vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die (nach den Feststellungen des Schöffengerichtes US 3 und 4) führende Rolle bei der Attacke gegen den Verletzten wegen eines nichtigen Anlasses (Gebrauch eines Schimpfworts), als mildernd hingegen das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung entspricht bei der vorliegendenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (§ 84 Abs. 1 StGB) bedrohten Tat eine solche von sechs Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten. Der bisher ordentliche Lebenswandel und die aus dem Geständnis hervorleuchtende Schuldeinsicht (AS 346, 349) erlauben die Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB. Generalpräventive Erwägungen stehen dem nicht entgegen. Solchermaßen erweist sich eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen als angemessen, wobei bei Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes von den Verdienstmöglichkeiten des Angeklagten (AS 360, ON 10) auszugehen war.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Mustafa G*** wurde vom Schöffengericht nach dem § 84 Abs. 1 StGB sowie gemäß den §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.November 1989, AZ 6 E Vr 2487/89, und des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 20. Feber 1990, AZ 4 U 42/90, (unter Anrechnung der Vorhaft) zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Dabei wurde als mildernd kein Umstand, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall gewertet. Die gegen diesen Strafausspruch gerichtete, Strafherabsetzung und bedingte Nachsicht anstrebende Berufung des Zweitangeklagten ist teilweise begründet.
Wenn auch entgegen der Berufung weder davon gesprochen werden kann, daß der Zweitangeklagte, der sich der Attacke des Drittangeklagten angeschlossen hatte, zu seinem Angriff provoziert worden wäre, und angesichts der bisherigen einschlägigen Verurteilung keinesfalls von einem bisher ordentlichen Lebenswandel ausgegangen werden kann, so hat das Schöffengericht doch die von ihm gefundenen Strafzumessungsgründe unter Beachtung der allgemeinen Strafzumessungsvorschriften sowie ihrem Verhältnis zueinander ihrem Gewichte nach nicht richtig gewertet.
Mustafa G*** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.November 1989 zum AZ 6 E Vr 2497/89 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er am 5. Oktober 1989 in Graz seine Ehefrau Margarethe G*** durch Faustschläge gegen Kopf und Körper vorsätzlich verletzte (Prellungen des Kopfes, des linken Oberarms, der rechten Hand und des Fußes sowie Hämatome im Bereich des linken Oberarms). Darüber hinaus wurde er am 20.Feber 1990 vom Bezirksgericht für Strafsachen Graz zu 4 U 42/90 neuerlich wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt, weil er am 25.Oktober 1989 zwei Personen, und zwar einerseits durch Erfassen am Oberarm, woraus ein Bluterguß resultierte, und andererseits durch Versetzen einer Ohrfeige, wodurch sein Opfer eine Gesichtsprellung und eine Rötung des rechten Auges erlitt, vorsätzlich am Körper verletzte. Auf beide Urteile war im vorliegenden Verfahren gemäß dem § 31 Abs. 1 StGB Bedacht zu nehmen.
Ausgehend von den bereits vom Schöffengericht gefundenen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze (wobei die Tatbegehung bei anhängigem Verfahren zu 6 E Vr 2497/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz die Schuldkomponente beeinflußt) erscheint bei richtiger Gewichtung der Strafzumessungsgründe für alle in diesen Strafbemessungsvorgang einzubeziehenden Taten (§§ 31, 40 StGB) eine Freiheitsstrafe im Gesamtausmaß von zehn Monaten angemessen. Damit ergibt sich für die hier auszusprechende Zusatzstrafe die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion.
Die Wiederholung aller in die Strafbemessung einzubeziehender Aggressionstaten hindert eine bedingte Nachsicht der Strafe. Insoweit war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidungen finden in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ihre Begründung.
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