OGH 13Os114/90 (13Os115/90)

OGH13Os114/90 (13Os115/90)11.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther G*** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Günther G*** und Walter H*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 27.Juni 1990, GZ 11 Vr 90/90-77, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Günther G*** gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 27.Juni 1990, GZ 11 Vr 90/90-78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt bzw den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter H*** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich dieses Angeklagten im Schuldspruchfaktum A 1 f und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird diese Nichtigkeitsbeschwerde wie jene des Angeklagten Günther G*** zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Walter H*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Günther G*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Günther G*** die bisherigen Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 16.August 1969 geborene Günther G*** und der am 15. Jänner 1965 geborene Walter H*** wurden des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB, G*** überdies des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Dieses Urpeil bekämpfen sie jeweils mit gemeinsam ausgeführter Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Z 3, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird. Den Strafausspruch fechten sie mit Berufung an. Gegen den beschlußmäßig ausgesprochenen Widerruf seiner bedingten Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe richtet sich außerdem eine Beschwerde des Günther G***.

Der erstbezeichnete Nichtigkeitsgrund wird zunächst darin erblickt, daß das Gericht nach abgesonderter Vernehmung der beiden Angeklagten dem Zweitangeklagten die Aussage des Erstangeklagten nicht zur Kenntnis gebracht hat. Nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung am 27.Juni 1990, in welcher beide Beschwerdeführer abgesondert vernommen wurden, unterließ es der Vorsitzende in der Tat, gemäß dem § 250 Abs. 1 StPO den Angeklagten H***, der während der Einvernahme des Angeklagten G*** aus dem Verhandlungssaal abgeführt worden war, von allem, was in seiner Abwesenheit vorgenommen wurde, insbesondere vom Inhalt der Vernehmung des Angeklagten G***, in Kenntnis zu setzen. Gemäß dem § 250 Abs. 2 StPO begründet eine solche Unterlassung Nichtigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO. Der erwähnte Nichtigkeitsgrund kann aber zum Vorteil eines Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung keinen für ihn nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO). Aus dem gesamten Akteninhalt ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, daß die gerügte Verfahrensverletzung Einfluß auf das Urteil gehabt haben könnte. Auch die Beschwerde vermag eine Relevanz dieses dem Erstgericht unterlaufenen Fehlers für den Sachausgang nicht aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Die weitere Beschwerdebehauptung, ein gleichartiger Verstoß gegen Verfahrensvorschriften sei dem Erstericht auch in Ansehung der Aussage der Zeugin Ulrike R*** anzulasten, steht in Widerspruch zum diesbezüglich allein beweismachenden Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles (s Bd I, S 529). Auf sie braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Sonach ist der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO nicht gegeben.

Mit der Mängelrüge (Z 5) bekämpfen die Beschwerdeführer die Urteilsfakten A 1 f und A 2 a.

Darnach haben Günther G*** und Walter H***

A) fremde bewegliche Sachen den nachgenannten Personen durch

Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen (bzw wegzunehmen versucht), sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern und zwar

1 als Beteiligte ...

f) am 10.Februar 1990 in Steyr dem Robert E*** einen Bargeldbetrag von ca 11.220 S durch Einbruch in ein Konditorgeschäft ...

2 Günther G*** alleine

a) in der Nacht zum 10.Februar 1990 in Steyr der Erika E*** Lebensmittel im Gesamtwert von ca 3.000 S durch Einbruch in ein Lebensmittelgeschäft.

Daß das Gericht im Faktum A 2 a den Schadensbetrag mit ca 3.000 S angenommen hat, obgleich in der Schadensaufstellung laut Tatbestandsaufnahme der Bundespolizeidirektion Steyr nur von einer Gesamtsumme von 1.673,40 S die Rede ist, betrifft (ebenso wie die Frage, in welcher Reihenfolge die Fakten A 1 f und A 1 g der Anklage = Urteilsfakten A 1 f und A 2 a begangen wurden) keinen die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebenden und somit entscheidungswesentlichen Umstand. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, daß die Beschwerdebehauptung, dem gesamten Akteninhalt seien Beweisergebnisse nicht zu entnehmen, die eine 1.673,40 S übersteigende Schadenssumme rechtfertigen könnten, der Aktenlage nicht entspricht, findet sich doch auf S 209 in Band I eine "Verlustliste" der Erika E*** vom 10.Februar 1990, die auf eine "Gesamtsumme" von 3.020,25 lautet.

Berechtigung kann der Nichtigkeitsbeschwerde allerdings nicht abgesprochen werden, wenn sie - zum Vorteil des Angeklagten H*** und im Sinn einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5) - in bezug auf das Faktum A 1 f geltend macht, das Erstgericht habe die Aussage der Zeugin Monika K*** sowie die Verantwortung des Angeklagten G*** nicht erörtert.

Das Gericht hat nämlich bei der Feststellung, niemand hätte die Behauptung H*** bestätigen können, er habe eben diese Nacht (vom 9. auf den 10.Februar 1990) bei seiner Freundin verbracht, übersehen, daß H*** selbst angab, diese Nacht in seiner Wohnung verbracht zu haben, auch die Zeugin K*** habe bei ihm geschlafen (S 524/I). Darüber hinaus aber hat es, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, die Angaben der Zeugin K*** (S 530/I) und die Verantwortung des Angeklagten G*** (S 516/I) übergangen, aus denen sich Hinweise dafür ergeben, daß H*** am Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Robert E*** nicht beteiligt gewesen sein könnte.

Diese Unvollständigkeit des Urteils hinsichtlich entscheidender Tatsachen macht eine Urteilsaufhebung und Verfahrenserneuerung bezüglich des Angeklagten H*** im genannten Faktum unumgänglich. Nach eingehender Prüfung der zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO vorgebrachten Einwände, die insbesondere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Ulrike R*** zu erwecken trachten, und des Akteninhalts gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld in den übrigen Fakten zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen - bei Bedacht auf den § 258 Abs. 2 StPO - keine erheblichen Bedenken ergeben.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit a) lassen eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie nicht den Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleichen, sondern den Boden der Urteilskonstatierungen verlassen:

Sofern die Beschwerdeführer Feststellungen bezüglich der als erwiesen angenommenen Tatbeiträge des Angeklagten H*** vermissen, übergehen sie die Urteilsfeststellungen auf S 6 bis 8/II, aus denen sich ergibt, daß beide Tatbeteiligte unmittelbare Ausführungshandlungen gesetzt haben.

Mit der weiteren Behauptung aber, das Urteil leide an der geltend gemachten materiellen Nichtigkeit, weil sich das Erstgericht mit der Formulierung begnüge, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ergäben sich schlüssig aus den äußeren Tatabläufen, übersehen sie die Urteilskonstatierungen, wonach "die beiden Angeklagten wegen drückender finanzieller Schwierigkeiten beschlossen, durch Einbrüche zu Geld zu kommen" (S 6/II), was sie in der Folge in die Tat umsetzten (S 7/II), und daß sie die Diebstähle vor allem in der Absicht begingen, ihre finanzielle Notlage (wenn auch unrechtmäßig) zu mildern (S 10, 11/II).

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** war daher zum Urteilsfaktum A I f gemäß dem § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben und in diesem Umfang eine Verfahrenserneuerung anzuordnen. Im übrigen aber waren die Nichtigkeitsbeschwerden teils gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm dem § 285 a Z 2 StPO, teils jedoch gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO - gleichfalls schon bei der nichtöffentlichen Beratung - zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten G*** ist demnach das Oberlandesgericht Linz zuständig (§§ 285 i, 494 a Abs. 5 StPO).

Auf die von beiden Angeklagten persönlich eingebrachten, die Nichtigkeitsbeschwerden ergänzenden Schriftsätze (ON 90 und 91) war keine Rücksicht zu nehmen, da in der Strafprozeßordnung nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgesehen ist (EvBl 1975/235). Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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