OGH 5Ob94/90

OGH5Ob94/909.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Dr. Gertrude G***, Rechtsanwalt, Wien 18., Weimarerstraße 43, vertreten durch Dr.Karl Holy, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Dr. Christian G***, Beamter, ebendort, vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner

1.) Dr. Liselotte M***-S***, Hauseigentümerin, Wien 5., Leopold Rister-Gasse 5/81, 2.) Mag. Dr. Ewald Norbert M***, Hauseigentümer, ebendort, beide vertreten durch Dr.Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 44 Abs 2 MRG, infolge der außerordentlichen Revisionrekurse der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19. April 1990, GZ 41 R 253/90-83, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 13.Dezember 1989, GZ 4 Msch 34/84-75, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen der Antragsteller wird Folge gegeben. Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Punkt 1. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses, dessen weitere Punkte als unangefochten unberührt blieben, wie folgt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß für den Zeitraum vom 1.5.1982 bis zum 31.12.1983 für das Bestandobjekt der Antragsteller im Parterre des den Antragsgegnern gehörenden Hauses Wien 18., Weimarerstraße 43 ein monatlicher Hauptmietzins von 1.032,23 S zulässig war."

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Erstantragstellerin und deren Gatte, in dessen Mietrechte der Zweitantragsteller eintrat, mieteten am 16.5.1977 von der Rechtsvorgängerin der Antragsgegner die im Parterre des Hauses Wien 18., Weimarerstraße 43 gelegene Wohnung, die eine Nutzfläche von 125,12 m2 aufweist, gegen Entrichtung eines wertgesicherten monatlichen Hauptmietzinses von 2.500 S.

Mit Schreiben vom 28.4.1982 begehrten die Antragsteller gemäß § 44 Abs 2 MRG die Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses auf das Eineinhalbfache des Hauptmietzinses der Kategorie D unter anderem deshalb, weil sich die Wohnung bei Anmietung nicht in brauchbarem Zustand befunden habe.

Das gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht stellte in Punkt 1. seines Sachbeschlusses fest, daß für den Zeitraum vom 1.5.1982 bis zum 31.12.1983 für das Bestandobjekt der Antragsteller im Parterre des den Antragsgegnern gehörenden Hauses Wien 18., Weimarerstraße 43 ein monatlicher Hauptmietzins von 2.064,45 S zulässig gewesen sei. Es ging davon aus, daß die Wohnung in die Kategorie C einzuordnen sei.

Das Rekursgericht gab weder den Rekursen der Antragsteller noch dem Rekurs der Antragsgegner Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsteller sind zulässig und auch berechtigt.

Zu der im Revisionsrekursverfahren allein strittigen Frage, ob sich die Wohnung im Zeitpunkt der Anmietung in brauchbarem Zustand befunden habe, gingen die Vorinstanzen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Vorgänger der Antragsteller hatte in der Wohnung ohne Bewilligung der Hauseigentümerin Umbauten begonnen. Insbesondere brach er die rund 4 bis 5 m lange tragende Wand zwischen dem Vorzimmer und dem Wohnzimmer durch und stemmte sie bis zu einer Höhe von rund 2 m großteils weg. Er wollte dort einen begehbaren Schrank installieren. Eine Baubewilligung war dazu nicht erfolgt. Er wollte an sich eine Traverse einziehen, es mußten jedoch im Zuge dieser Arbeit sowohl die Vorzimmerdecke als auch die Wohnzimmerdecke teilweise gepölzt werden. Es wurde weiters ein Loch neben der Wohnungseingangstür durchgestemmt, sodaß man mit der Hand in den Gang greifen konnte. Wegen dieser nicht genehmigten Arbeiten wurde das Mietverhältnis zwischen dem Vorgänger der Antragsteller und der Hauseigentümerin einvernehmlich aufgelöst. Der Zustand der Wohnung blieb unverändert. Als die Antragsteller die Wohnung bezogen, waren das Loch und die Pölzung noch vorhanden. Darüber, daß die Vermieterin dieses repariere, wurde nicht gesprochen. Es gingen beide Teile davon aus, daß die Mieter die Wohnung in diesem Zustand zu übernehmen hätten. Die Mieter forderten die Instandsetzung nicht, die Vermieterin bot sie nicht an.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht vertraten die Vorinstanzen zusammengefaßt den Standpun8t, daß die Wohnung ungeachtet des Lochs neben der Eingangstür, des teilweisen Fehlens der Wand zwischen Vorzimmer und Wohnzimmer sowie der Pölzung der Vorzimmer- und der Wohnzimmerdecke nicht unbewohnbar und daher brauchbar gewesen sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Einordnung einer Wohnung in die Kategorien A bis C des § 16 Abs 2 MRG setzt voraus, daß sich die Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages in brauchbarem Zustand befunden hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob dies der Fall war, sind § 1096 ABGB und die dazu vorhandene Rechtsprechung zu berücksichtigen. Nach § 1096 Abs 1 ABGB ist die Brauchbarkeit einer Bestandsache nach dem Vertragszweck zu beurteilen; die Bestandsache muß also eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt; mangels anderer Vereinbarungen ist eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit zu verlangen. Danach befindet sich eine Wohnung dann in brauchbarem Zustand, wenn sie an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung hindernden Mängel aufweist (WoBl 1989/45 und ImmZ 1990, 140 je mwN; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 27 zu § 16 MRG). Legt man der Beurteilung des gegenständlichen Falles diese Kriterien - bezogen auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses im Jahre 1977 - zugrunde, so kann nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht gesagt werden, die Wohnung habe sich ungeachtet dessen, daß neben der Eingangstür ein Loch durchgestemmt war, sodaß man mit der Hand in den Gang greifen konnte, daß die rund 4 bis 5 m lange tragende Wand zwischen dem Vorzimmer und dem Wohnzimmer bis zu einer Höhe von 2 m großteils weggestemmt war und daß die Vorzimmerdecke sowie die Wohnzimmerdecke teilweise gepölzt werden mußten, zum sofortigen Bewohnen geeignet; die beschriebenen die Benützung hindernden Mängel müssen auch bereits als gröbere Mängel eingestuft werden.

Da hinsichtlich des unbrauchbaren Zustandes einer Wohnung die dem Mieter im § 16 Abs 2 Z 4 MRG auferlegte Anzeigepflicht nicht besteht (MietSlg 37.331/51, 38.339), schadet es den Antragstellern nicht, daß sie diesen nicht beanstandet haben.

Es war daher den Revisionsrekursen Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Ausführungen der Revisionsrekurswerber (betreffend die Elektroleitungen in der Wohnung) einzugehen. Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegner war als verspätet zurückzuweisen, weil sie anstatt an den Obersten Gerichtshof (§ 508 a Abs 2 Satz 2 ZPO sinngemäß: Fasching, Lehrbuch2, Rz 2028) an das Erstgericht gerichtet war und beim Obersten Gerichtshof erst nach Ablauf der vierwöchigen Beantwortungsfrist eingelangt ist (vgl RdW 1988, 424).

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