OGH 10ObS326/90

OGH10ObS326/909.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches (Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rudolf D***, 8010 Graz, Körösistraße 186, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.Juli 1990, GZ 8 Rs 34/90-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Dezember 1989, GZ 33 Cgs 176/88-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 25.7.1988 wies die beklagte Partei den Antrag des am 19.7.1938 geborenen Klägers auf Berufsunfähigkeitspension vom 22.4.1988 mangels Berufsunfähigkeit ab.

Die rechtzeitige, erkennbar auf die abgewiesene Leistung gerichtete Klage stützte sich darauf, daß der Kläger seinen Beruf als Fahrschullehrer nicht mehr ausüben könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß der Kläger seinen bisherigen Beruf bzw eine ähnliche ihm zumutbare Beschäftigung ausüben könne. Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren vom 1.5.1988 an als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Partei von diesem Tag an eine vorläufige Zahlung auf.

Nach den wesentlichen Feststellungen kann der Kläger seit der Antragstellung leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, in freien und geschlossenen Räumen leisten. Tätigkeiten in einer Zwangshaltung sind ihm ohne Haltungswechsel nicht länger als 1 1/2 bis 2 Stunden zumutbar. An eine längstens zweistündige sitzende Tätigkeit muß sich eine zweistündige gehende oder stehende Arbeit anschließen, wobei die Reihenfolge nicht von Bedeutung ist. Der Wechsel der Körperhaltung kann auch in kürzeren Intervallen erfolgen, doch soll insgesamt die Parität zwischen den einzelnen Körperhaltungen über den Tag verteilt gewahrt werden. Arbeiten an exponierten Stellen, wie auf Leitern und Gerüsten, sind nur noch gelegentlich, insgesamt jedoch nicht länger als eine Stunde pro Tag zumutbar. Hebearbeiten leichter Art sind unbeschränkt, solche mittelschwerer Art gleichmäßig verteilt während eines Drittels des Arbeitstages möglich. Arbeiten, die das Lenken eines Kraftfahrzeues beinhalten, sind wegen der zu vermeidenden längeren Zwangshaltung nur eingeschränkt zumutbar. Arbeiten, die mit Erschütterungen bzw Stoßeinwirkungen auf das Achsenskelett verbunden sind, sind ebenfalls zu meiden. Das Lenken eines Motorrades ist überhaupt nicht mehr, das Lenken bzw Fortbewegen eines PKWs oder LKWs vormittags und nachmittags höchstens je eine Stunde zumutbar. Arbeiten, die Fingerfertigkeit und Feingefühl in den Fingern erfordern, sind nicht eingeschränkt. Auf Witterungseinflüsse, vor denen sich der Kläger schützen kann, ist nicht Bedacht zu nehmen. Die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ist gewährleistet. Der Kläger ist unterweisbar, anlernbar und umschulbar.

Er besuchte die Volksschule, zwei AHS- und zwei Hauptschulklassen und drei Jahrgänge der Fachschule für Maschinenbau ohne Abschluß. Von 1958 bis 1962 arbeitete er als Kfz-Mechaniker, sodann bis 1988 als Fahrlehrer bzw Fahrschullehrer und Fahrlehrer. Ein Fahrlehrer arbeitet über zwei Drittel der Arbeitszeit im Sitzen bei leichter körperlicher, jedoch überdurchschnittlicher psychischer Belastung. Ein Fahrschullehrer arbeitet abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen bei leichter körperlicher Belastung. Weiters traf das Erstgericht Feststellungen über die Berufsbilder einer Bürohilfskraft, eines Mautners, eines Billeteurs, eines Wachorgans, eines Portiers und eines Kanzleiangestellten in der Postabfertigung. Die Tätigkeit eines Fahrschullehrers enthält typischerweise auch die Tätigkeit eines Fahrlehrers, wobei in der Regel vormittags und nachmittags weit mehr als je eine Fahrstunde gegeben werden muß. Ausschließliche Fahrschulinnendienstlehrerarbeitsplätze werden in Österreich nur in einer weit unter 80 liegenden Zahl angeboten. Es gibt auch fast keine Arbeitsplätze für Fahrlehrer, die keine Motorradfahrstunden zu erteilen haben.

Unter diesen Umständen erachtete das Erstgericht den Kläger als berufsunfähig im Sinne des § 273 Abs. 1 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Es verneinte die behaupteten Verfahrens- und Feststellungsmängel, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus, daß der Kläger schon deshalb nicht auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft, eines Mautners, Billeteurs, Wachorgans, Museumswächters, Portiers, Postabfertigers und Telefonisten verwiesen werden dürfe, weil seine Arbeitsfähigkeit dazu nicht mehr ausreiche. Der Kläger könne weder seinen bisherigen Beruf als Fahrschullehrer und Fahrlehrer noch einen zumutbaren Verweisungsberuf ausüben und sei daher berufsunfähig im Sinne des § 273 Abs. 1 ASVG.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es und die erstgerichtliche Entscheidung allenfalls aufzuheben. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Auch soweit die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt ausgeht und damit gesetzgemäß ausgeführt ist, ist sie nicht berechtigt.

Sie vermeint lediglich, daß der Kläger noch auf die Tätigkeiten eines Portiers oder Museumswächters verwiesen werden könne. Dies ist schon deshalb nicht richtig, weil es sich bei diesen Tätigkeiten um Arbeitertätigkeiten handelt, die bei Prüfung der Verweisbarkeit eines Angestellten nach § 273 ASVG außer Betracht zu bleiben haben (SSV-NF 3/123).

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates handelt es sich bei der Pensionsversicherung der Angestellten um eine Berufs(gruppen)versicherung, deren Leistungen bereits einsetzen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, dh die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen

(SSV-NF 2/73 mwN uva).

Daß der Kläger seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Fahrschullehrer und Fahrlehrer nicht mehr ausüben kann, wurde von der beklagten Partei schon in der Berufung nicht mehr bekämpft. Ein Beruf, der derselben Berufsgruppe zuzurechnen wäre und der der Arbeitsfähigkeit des Klägers entsprechen würde, so daß der Kläger darauf nach § 273 Abs. 1 ASVG verwiesen werden dürfte, konnte nicht einmal von der beklagten Partei genannt und auch nicht festgestellt werden. Bei den in der Revision genannten Tätigkeiten eines Portiers bzw Museumswächters handelt es sich - wie schon ausgeführt - um keine solchen Verweisungsberufe.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit a und Abs. 2 ASGG.

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