OGH 7Ob616/90

OGH7Ob616/9027.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Franz F***, Landwirt, Eberstalzell, Ittensam 31, vertreten durch Dr.Rudolf Berger, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Elisabeth F***, Private, Eberstalzell, Ittensam 31, vertreten durch Dr.Edgar Hofbauer, Rechtsanwalt in Lambach, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 19.März 1990, GZ R 108/90-59, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lambach vom 24.November 1989, GZ 1 C 1481/88-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.743,68 (darin S 457,28 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.466,40 (darin S 494,40 an Umsatzsteuer und S 1.500 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellt das Begehren, die Beklagte sei schuldig, die Liegenschaft Eberstalzell, Ittensam Nr. 31, zu räumen und von ihren Fahrnissen geräumt, dem Kläger zu übergeben. Die Beklagte, seine Tochter, lebe seit etwa drei Jahren ständig auf dem auf seiner Liegenschaft Eberstalzell, Ittensam 31, befindlichen Bauernhof und gehe keiner Beschäftigung nach, so daß er auch für ihren Unterhalt aufzukommen habe. Sie benütze die Räumlichkeiten in seinem Haus titellos. In letzter Zeit sei es regelmäßig zu Streitigkeiten gekommen, die Beklagte habe ihn auch bedroht. Der Kläger habe die Beklagte lediglich im Hinblick auf eine geplante Heirat aufgefordert, vorübergehend bei ihm zu wohnen. Die Beklagte sei in der Folge nicht ausgezogen, obwohl sich ihre Heiratsabsichten zerschlagen haben. Der Kläger habe die Beklagte ausschließlich auf Grund des verwandtschaftlichen Verhältnisses bei sich wohnen lassen. Ein gedeihliches Zusammenleben sei jedoch nicht mehr möglich. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie sei 1980 über ausdrücklichen Wunsch des Klägers auf dessen Hof gezogen, um dort den Haushalt zu führen. Ebenfalls über ausdrücklichen Wunsch des Klägers habe sie ihre Wohnung in Bad Wimsbach-Neydharting im Jahre 1984 aufgegeben. Die Beklagte habe in erheblichem Ausmaß auf dem Hof mitgearbeitet; sie habe den Kläger nicht bedroht. Die Beklagte sei nicht selbsterhaltungsfähig.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Die am 15.2.1949 geborene Beklagte ist die eheliche Tochter des Klägers. Sie lebte bis zum Jahr 1972 in der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer Mutter. Bis zu ihrem 10. Lebensjahr sah die Beklagte den Kläger noch öfters. Danach verloren die Streitteile jeden Kontakt zueinander.

Im Jahr 1972 lebte die Beklagte in Freiburg/Breisgau und studierte an der dortigen Universität. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob sie ihre Studien erfolgreich abschloß. In eben diesem Jahr schrieb der Kläger der Beklagten einen Brief und ersuchte sie darin, zu ihm auf den Bauernhof nach Eberstalzell zu kommen. Ursache des Schreibens war, daß der Kläger ernsthafte Bedenken wegen des zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten geführten Lebenswandels hatte. Nach einem Briefwechsel begab sich die Beklagte mit einem Bekannten tatsächlich nach Eberstalzell, um den Kläger zu besuchen. Dieser Besuch dauerte etwa 14 Tage. Es schlossen sich in der Folge noch mehrere Besuche an. Die Beklagte fand dabei ein recht gutes Verhältnis zum Kläger. Es imponierte ihr vor allem, daß der Kläger als Biobauer tätig war. Der Kläger unterstützte die Beklagte ab diesem Zeitpunkt immer wieder finanziell.

Im Jahr 1973 zog die Beklagte zum Kläger und half ihm bei der Bewirtschaftung seines Hofes, indem sie unter anderem die Wäsche versorgte, mit einem vom Kläger gekauften Ofen Brot buk und auch sonst bei den auf einem Bauernhof anfallenden manuellen Arbeiten mithalf. Eine Vereinbarung, wer was zu machen hätte, gab es nicht. Die Beklagte lebte von den Produkten, die auf dem Hof erzeugt wurden. Von ihrer Mutter erhielt die Beklagte monatlich DM 100; diesen Betrag erhält sie heute noch.

Etwa im Jahr 1975 kam es zu ersten Zerwürfnissen zwischen den Streitteilen, weil die Beklagte öfters Besuch von Mitgliedern ihres früheren Freundeskreises erhielt. Einige dieser Freunde waren der sogenannten "Antiautoritären Bewegung" zuzurechnen, andere wiederum der "Maoistischen Bewegung". Diese ideologischen Grundhaltungen und Lebenseinstellungen liefen jenen des Klägers zuwider und er jagte deshalb wiederholt die Besucher seiner Tochter vom Hof. Die Streitigkeiten zwischen den Parteien eskalierten in der Folge. Es kam zu Verbaliniurien und schließlich verwies der Kläger die Beklagte vom Hof. Die Beklagte begab sich daraufhin einige Tage nach Hupfau bei Mistelbach nahe Wels und blieb dort einige Tage. Dann kehrte sie wieder auf den Hof des Klägers zurück. Da die Beklagte ziemlich heruntergekommen war, nahm sie der Kläger, der sich dazu als Vater bemüßigt fühlte, wieder auf. Für einige Zeit verliefen die Beziehungen zwischen den Streitteilen wieder harmonisch. Da jedoch die Besuche der vom Kläger als "Terroristen" bezeichneten Freunde der Beklagten nicht aufhörten und diese am Hof des Klägers oft gleichsam Unterschlupf suchten, nahmen die Zwistigkeiten wieder zu. Dies führte dazu, daß der Kläger die Beklagte noch weitere Male des Hofes verwies.

Im Jahr 1976 verließ die Beklagte wieder einmal den Hof des Klägers und begab sich für einige Monate zu einem Cousin nach Salzburg, der eine größere Erbschaft gemacht und der Beklagten angeboten hatte, für sie in Mattighofen einen Bauernhof zu kaufen, den die Beklagte dann pachten sollte. Die Beklagte begab sich tatsächlich auf den Bauernhof und begann dort zu arbeiten. Sechs Monate später wurde ihr jedoch von ihrem Cousin erklärt, daß er ein Hotel gekauft und kein Geld mehr habe. Der Kläger machte ihr klar, daß sie auf diesem Hof keine Zukunft habe, und veranlaßte in weiterer Folge eine neuerliche Übersiedlung der Beklagten nach Eberstalzell.

Die Beklagte hielt sich daraufhin wieder ein halbes Jahr auf dem Hof in Eberstalzell auf. Als es wieder zu Streitigkeiten kam, ging die Beklagte nach Salzburg und nahm eine Stelle als Hausmädchen in einer Pension, später als Hauswirtschafterin in der Familie eines Rechtsanwaltes an. Sie gab diese Beschäftigung erst auf, als ihr der Kläger im Jahr 1978 brieflich mitteilte, er beabsichtige, in die Rente zu gehen, und wolle deshalb seinen Hof pro forma an die Beklagte verpachten. Die Beklagte ging auf diesen Vorschlag ein. Es wurde auch tatsächlich ein Pachtvertrag verfaßt und auch grundverkehrsbehördlich genehmigt. Doch stellte sich heraus, daß der Kläger ungeachtet schwerer Kriegsverletzungen erst ab dem Frühjahr 1988 eine Alterspension erhalten könne. Der Pachtvertrag wurde deshalb nach etwa dreieinhalb Monaten einvernehmlich wieder aufgelöst.

Die Beklagte hielt sich aber vorerst weiterhin am Hof des Klägers auf, versorgte den Haushalt und verrichtete auch einige landwirtschaftliche Arbeiten. Für Unterkunft und Kost bezahlte die Beklagte nichts. Es war auch nichts derartiges vereinbart. Etwa einen Monat nach der Auflösung des Pachtvertrages kam es zwischen den Streitteilen wieder zu Auseinandersetzungen. Der Kläger verwies die Beklagte abermals des Hofes. Die Beklagte sucht sich nun in Bad Wimsbach eine Wohnung und brachte sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. So verrichtete sie Wald- und Gartenarbeiten und half auch bei Durchforstungen im Stiftswald des Stiftes Kremsmünster mit. Bis zum Jahr 1980 zahlte sie die Miete für die Wohnung selbst. In dieser Zeit hielt sich die Beklagte immer wieder einige Tage und auch einige Wochen auf dem Hof des Klägers auf.

Im Jahr 1979 gaben der Kläger und die Beklagte einvernehmlich eine Heiratsannonce auf, mit dem Ziel, einen Ehegatten für die Beklagte zu finden. Der Kläger sorgte sich nämlich in erster Linie um einen Übernehmer für seine Landwirtschaft. Auf dieses Inserat meldete sich unter anderem Hermann G***, der ebenfalls eine Bäuerin für den von ihm zu übernehmenden Hof suchte. Der Kläger nahm damals die Beklagte auch aus dem Grund zu sich auf, damit ein "potentieller Ehegatte" nicht eine Frau "von der Straße" hätte heiraten müssen, sondern eine echte Bauerntochter. Die Beziehungen zwischen der Beklagten und Hermann G*** endeten im Mai 1981. Ab diesem Zeitpunkt hielt sich die Beklagte zumeist auf dem Hof des Klägers auf. Sie behielt zwar ihre Wohnung in Bad Wimsbach, suchte diese aber nur mehr sporadisch auf, um Putzarbeiten und ähnliches zu verrichten. Die Miete für die Wohnung der Beklagten in Bad Wimsbach, die ab dem Jahr 1980 vom Kläger beglichen wurde, betrug anfangs S 700 monatlich und wurde später auf S 1.000 monatlich erhöht. Zusätzlich zu der Bezahlung der Wohnungskosten ließ der Kläger der Beklagten auch Lebensmittel zukommen. Die Streitigkeiten zwischen den Parteien nahmen aber auch, als sich die Beklagte die meiste Zeit auf dem Hof des Klägers aufhielt, kein Ende. Öfters begab sich die Beklagte, wenn es wieder zu Auseinandersetzungen gekommen war, für Stunden oder auch für einen Tag in ihre Wohnung nach Bad Wimsbach und kehrte erst wieder zurück, wenn sich die Wogen vermeintlich geglättet hatten.

Ab dem Jahr 1980 bewohnte die Beklagte, abgesehen von den zeitweiligen Aufenthalten in Bad Wimsbach, im ersten Stock des Hofs des Klägers zwei Zimmer. Diese Zimmer nahm sich die Beklagte einfach, eine Zuweisung durch den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte brauchte für diese Wohnung nichts zu bezahlen und erhielt auch die von ihr benötigten Lebensmittel - sie wurden am Hofe produziert - vom Kläger ohne Entgelt. Sie mistete dafür zeitweise den Stall aus, fütterte die Tiere, trieb sie im Sommer auf die Weide und betreute zwei Pferde, von denen eines ihr gehörte. Sie bereitete auch das Essen für sich und den Kläger zu, räumte die Wohnung auf und kümmerte sich um die Wäsche. Die Beklagte baute auch Gemüse und Kräuter an.

Ab dem Jahr 1984 weigerte sich der Kläger, weiterhin für den Mietzins für die Wohnung in Bad Wimsbach aufzukommen, weil dieser um 50 % erhöht worden war. Die Streitteile beschlossen dann einvernehmlich, die Wohnung in Bad Wimsbach aufzugeben, und die Beklagte zog ganz auf den Hof des Klägers. Seit diesem Zeitpunkt ist die Beklagte in Eberstalzell auch polizeilich gemeldet. Die Beklagte mußte weiterhin keine Gegenleistung für die Wohnbefugnis erbringen; sie hatte auch für Strom und Müllabfuhr nichts zu bezahlen. Der Kläger unterstützte sie im Gegenteil nach wie vor dadurch, daß er ihr Lebensmittel zukommen ließ. Gleichsam als - wenn auch nicht äquivalente - Gegenleistung verrichtete die Beklagte dafür die bereits beschriebenen Tätigkeiten. Zusätzlich belieferte sie zeitweise mit dem PKW des Klägers Abnehmer landwirtschaftlicher Produkte, die auf dem Hof erwirtschaftet wurden. Außer dieser zeitweiligen Mitarbeit ging die Beklagte keiner Beschäftigung nach. Aus dem Verkauf von Kräutern, die sie auf einem ihr vom Kläger zur Verfügung gestellten Acker anbaute, erlangte die Beklagte ein geringes Zusatzeinkommen. Der Kläger schenkte der Beklagten einmal ein Hengstfohlen, das inzwischen erwachsen ist, sowie ein Kuh, mit deren Milch sie die ihr gehörigen Katzen, Ziegen und einen Hund fütterte. Er kaufte ihr auch Kleidung, zwei Videorecorder, zwei Fahrräder und eine Schreibmaschine; diese Gegenstände waren jedoch durchwegs gebraucht.

Insbesondere seit dem Jahr 1984 kam es immer wieder zu Streitereien zwischen den Parteien. Im Frühsommer 1987 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Beklagten, sie mußte auf Grund von Kreislaufbeschwerden viel liegen und konnte nicht mehr in dem selben Maß wie früher Arbeiten verrichten. Dies intensivierte die Schwierigkeiten zwischen den Streitteilen, zumal die Beklagte auch die von ihr verrichteten Tätigkeiten in nachlässiger Weise durchführte. Es kam zu Verbaliniurien, zu gegenseitigen Drohungen und auch zu Tätlichkeiten. So wurde die Beklagte vor etwa fünf Jahren mittels Strafverfügung des Erstgerichtes verurteilt, weil sie bei Feldarbeiten mit einem Rechen gegen den Kläger - der sie beschimpft hatte - aufzielte und ihn dabei mit einer Zinke an der Hand verletzte. Es gab auch zahlreiche Anzeigen des Klägers, doch führten diese zu keiner weiteren Verurteilung der Beklagten. Der Kläger seinerseits versetzte der Beklagten im Jahr 1983 einen Faustschlag, wodurch dieser ein Zahn ausgeschlagen wurde und die Lippe aufplatzte. Zu einem Strafverfahren kam es damals allerdings nicht.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es sei zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag nicht abgeschlossen worden. Der Aufenthalt der Beklagten auf dem Hof sei von den Parteien vielmehr als bloßes Faktum verstanden worden. Es sei ein lediglich auf dem familiären Naheverhältnis basierender tatsächlicher Zustand herbeigeführt worden, nachdem der Kläger der Beklagten auf Grund seiner väterlich-emotionellen Bindungen Unterkunft und Auskommen auf seinem Hof gewährt hatte. Eine derartige Gewährung der Wohnungsbenützung sei jederzeit widerruflich. Die Beklagte sei selbsterhaltungsfähig. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig ist. Unter Berücksichtigung der festgestellten Umstände sei davon auszugehen, daß der Kläger der Beklagten obligatorisch ein lebenslängliches Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne des § 521 ABGB eingeräumt habe. Unter Familienangehörigen werde nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall sei. Bei der Abgrenzung zwischen einem bloß auf der Familienangehörigkeit beruhenden faktischen Verhältnis und einem konkludent infolge des Familienverhältnisses nicht mit voller Bestimmtheit vereinbarten Vertragsverhältnisses komme es auf die besonderen Umstände des Falles an. Hier sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die Beklagte 1979 oder 1980 nach einvernehmlicher Aufgabe einer Heiratsannonce zum wiederholten Mal auf seinem Hof aufgenommen habe. Die Beklagte habe damals über eine eigene Wohnung verfügt und sei selbsterhaltungsfähig gewesen. Wesentlich sei auch, daß die Beklagte nach dem Scheitern ihrer Beziehungen zu Hermann G*** auf dem Hof verblieben sei und 1984 ihre Wohnung in Bad Wimsbach im Einvernehmen mit dem Kläger aufgegeben habe, obwohl es auch zuvor immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Ins Gewicht falle auch, daß die Beklagte die festgestellten, nicht zu vernachlässigenden Arbeiten auf dem Hof verrichtet habe. Ein Konnex mit einer Unterhaltsverpflichtung habe gefehlt. Der Kläger habe durch sein Verhalten unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß er der Beklagten ein Recht auf den Gebrauch einer Wohnung auf seinem Anwesen habe einräumen wollen, wobei im Zweifel ein lebenslanges obligatorisches Wohnungsgebrauchsrecht angenommen werden müsse. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, das Wohnungsgebrauchsrecht vorzeitig aufzulösen. Streitigkeiten habe es schon vor der endgültigen Übersiedlung der Beklagten gegeben. Sie hätten sich nachher unverändert fortgesetzt und nicht wesentlich verschärft. Es könne daher nicht gesagt werden, daß dem Kläger die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses unzumutbar sei. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Abgrenzung von familienrechtlichen Wohnverhältnissen zu vertraglich begründeten Wohnrechten uneinheitlich sei.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt allerdings nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Richtig ist, daß unter Familienangehörigen nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt wird, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist, und daß es bei der Abgrenzung zwischen einem bloß auf der Familienangehörigkeit beruhenden faktischen Verhältnis und einem schlüssig, infolge dieses Familienverhältnisses aber nicht mit voller Bestimmtheit vereinbarten Vertragsverhältnis daher immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (MietSlg. 31.050 ua, zuletzt 4 Ob 571/88). Gleichwohl bedarf es aber doch zumindest einer schlüssigen Vertragsbegründung. Hat die Beklagte Räume im Haus des Klägers nur auf Grund ihrer Familienzugehörigkeit benützt, ohne daß ausdrücklich oder stillschweigend eine rechtliche Regelung ihres Wohnens getroffen wurde, kommt ihr auf Grund des bestehenden tatsächlichen Zustandes noch kein Rechtstitel zur Benützung der von ihr in Anspruch genommenen Räumlichkeiten zustatten (MietSlg. 21.043 ua). Daß Familienangehörige selbst durch viele Jahre Räume im Haus ihrer Eltern bewohnen, setzt nicht zwingend ein vertragliches Benützungsrecht, etwa ein Wohnungsrecht der Familienangehörigen voraus, sondern ist auch im Rahmen eines ungeregelten, sich aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis ergebenden, tatsächlichen Zustandes möglich (MietSlg. 21.044). Daß der Kläger der Beklagten etwa versprochen hätte, sie könne zeitlebens in seinem Anwesen wohnen, sie könne dort "bleiben" (vgl. NZ 1983, 40), wurde nicht festgestellt und ist mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte schon vor 1980 zu wiederholten Malen zum Kläger gezogen war, dessen Hof aber immer wieder verlassen hatte, und mit Rücksicht auf die Umstände, unter denen die Übersiedlung 1980 erfolgte (Heiratsannonce), nur wenig wahrscheinlich. Auch der Umstand, daß die Beklagte ihre Wohnung in Bad Wimsbach 1984 aufgab, weil sich der Kläger weigerte, den Mietzins für diese Wohnung weiterhin zu bezahlen, spricht nicht dafür, daß nunmehr etwa ein Wohnungsrecht der Beklagten begründet worden wäre.

Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagten, die selbst nicht behauptet, Bestandnehmerin im Anwesen des Klägers zu sein, ein obligatorisches Wohnungsrecht - das zwar von der Lehre als nicht unbedenklich angesehen (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 1090), von der Rechtsprechung aber bejaht wird, und das wie das dingliche Recht im Zweifel als höchstpersönliche, also für die Lebensdauer des Berechtigten wirksame Befugnis eingeräumt wird (MietSlg. 25.038, Binder in Schwimann, ABGB IV/2, Rz 47 zu § 1090), - eingeräumt wurde. Gerade weil die Beklagte schon in den Jahren bis 1980 vom Kläger wiederholt des Hofes verwiesen wurde oder diesen auch aus eigenem verlassen hat, da es doch immer wieder zwischen den Streitteilen zu teils heftigen Auseinandersetzungen gekommen ist, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe sich nunmehr (1980) auf einmal - und noch dazu für immer! - binden wollen, ohne daß sich etwas Wesentliches geändert hätte.

Durch das Fehlen vertraglicher Bindungen unterscheiden sich familienrechtliche Wohnverhältnisse vom Bestandvertrag. Die Rechtsstellung der Benützer hängt von der Art ihrer Beziehungen (insbesondere Unterhaltsanspruch) zum Verfügungsberechtigten der Wohnung ab. Dieser kann mangels familienrechtlicher Ansprüche (insbesondere bei selbsterhaltungsfähig gewordenen großjährigen Kindern) das Wohnverhältnis jederzeit, auch mittels Räumungsklage, beenden. Daß der Benützer zu den Kosten der Haushaltsführung beiträgt, steht der Annahme eines bloß familienrechtlichen Verhältnisses nicht entgegen. Dabei muß aber stets im Einzelfall geprüft werden, ob eine Bindungsabsicht (Miet- oder Leihevertrag) bestand, was um so eher anzunehmen ist, wenn ein Konnex zu einer früheren Unterhaltsverpflichtung fehlt (Würth aaO Rz 7). Die Beweislast für das Vorliegen eines Titels trägt jedoch der Benützer (MietSlg. 35.007).

Davon, daß sich der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt mit der Überlassung von Räumlichkeiten an die Beklagte habe binden wollen, kann, wie bereits ausgeführt wurde, nach den Umständen nicht ausgegangen werden.

Ein dem Familienverhältnis entspringender tatsächlicher Wohnzustand ist nicht nur dann anzunehmen, wenn aus dem Familienrechtsverhältnis eine Verpflichtung besteht, anderen Familienangehörigen Wohnung zu geben. Es gibt nämlich zahlreiche aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen entspringende tatsächliche Benützungsgewährungen, die rechtlich nicht geregelt, gegen den Willen des Gewährenden rechtlich nicht durchsetzbar und jederzeit widerruflich sind (5 Ob 501/83 = MietSlg. 35.007). Der Kläger hat die Beklagte seit dem Jahr 1972 immer wieder aufgenommen, weil er sich um sie ihres Lebenswandels wegen Sorge machte und ihr helfen wollte. Dies war nach den Feststellungen insbesondere auch das Motiv, weshalb er sie 1980 zu sich holte ("Heiratsannonce"). Die Aufnahme erfolgte ohne jede Verpflichtung des Klägers auf Grund des familienrechtlichen Naheverhältnisses. Für die Annahme, daß die Beklagte damit, daß sie dem Kläger seit dem Jahr 1973 bei der Bewirtschaftung seines Hofes half, wenn sie bei ihm wohnte, ein Entgelt für dieses Wohnen leisten wollte, oder daß diese Hilfe als Entgelt vereinbart worden wäre, fehlt jeder Anhaltspunkt. Hiefür waren vielmehr offensichtlich ebenso wie für die Handlungsweise des Klägers familienrechtliche Gründe maßgebend, abgesehen davon, daß es der Beklagten zugestandenermaßen Freude machte, landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Die Beziehungen der Streitteile waren doch auch im übrigen vor allem familienrechtlich geprägt, wie dies nicht zuletzt aus den verschiedenen Geschenken, die der Kläger der Beklagten machte (Hengst, Kuh, Schreibmaschine, Fahrrad, Videorecorder) hervorgeht. Ist es deshalb auch ohne weiteres möglich, daß der Benützer einer Wohnung für das Benützen dem Eigentümer mit dessen Einverständnis ein Entgelt in Form von Arbeitsleistungen erbringt (vgl. MietSlg. 39.084), kann doch im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte mit den von ihr verrichteten Arbeiten ein als Mietzins zu wertendes Entgelt habe erbringen wollen oder erbracht habe. Der Kläger ist daher berechtigt, die aus familienrechtlichen Erwägungen gestattete Benützungsgewährung - ohne Angabe von Gründen - zu widerrufen und mit Räumungsklage gegen die Beklagte vorzugehen.

Im Ergebnis zutreffend hat sohin das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben, so daß seine Entscheidung wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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