OGH 9ObS13/90

OGH9ObS13/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Leopold G***, Redakteur, Maishofen, Dorf 7, vertreten durch Dr. Friedrich Meyer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** S***, Salzburg, Auerspergstraße 67, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 215.208,25 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 1990, GZ 12 Rs 67/90-12, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Jänner 1990, GZ 19 Cgs 134/89-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 1. 10. 1986 bis 31. 12. 1987 bei der BUG Unternehmensbeteiligungs-GesmbH als Redakteur der "P*** Zeitung" und Anzeigenaquisiteur beschäftigt. Er vereinbarte mit seinem Dienstgeber ein Angestelltenverhältnis mit einem monatlichen Fixum von S 5.000,- brutto und 18 % Provision vom Nettoumsatz der von ihm aquirierten Aufträge, sollte dafür aber innerhalb des Arbeitsgebietes Pinzgau kein Kilometergeld, keine Diäten und keinen Telefonkostenersatz erhalten. Für Arbeiten, die nicht das Arbeitsgebiet Pinzgau betrafen, sollte der Kläger gesondert entlohnt werden und auch vollen Spesenersatz erhalten. Da der Kläger während des Dienstverhältnisses nur Acontozahlungen erhielt, trat er am 31. 12. 1987 berechtigt vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus. Im Verfahren 18 Cga 6/88 des Landesgerichtes Salzburg machte der Kläger gegen seinen Dienstgeber zuletzt folgende Ansprüche geltend:

1. Insgesamt S 531.254,13 brutto, die auf rückständigen Gehalt, Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, 18 % Provision und Kündigungsentschädigung entfielen, sowie

2. S 53.143,80 netto an Fahrtspesen und Barauslagenersatz abzüglich S 156.571,70 netto.

Das Landesgericht Salzburg sprach dem Kläger mit Urteil vom 24. 2. 1989, 18 Cga 6/88-27, S 387.808,- brutto und S 53.143,80 netto abzüglich S 156.571,70 netto samt 8,5 % Zinsen seit 1. 1. 1988 zu und wies ein Mehrbegehren von S 143.446,13 brutto samt 8,5 % Zinsen seit 1. 1. 1988 ab.

Vom Zuspruch entfielen

1. auf Gehalt S 285.856,25 brutto

2. Urlaubsentschädigung S 39.094,95 brutto

3. KÜndigungsentschädigung S 62.857,50 brutto

zusammen S 387.808,00 brutto.

Die Fahrtspesen und Barauslagen wurden mit dem begehrten

Nettobetrag von S 53.143,88 zugesprochen.

Das abgewiesene Mehrbegehren entfiel auf

1. Provision S 108.000,-

2. weitere Urlaubsentschädigung S 13.846,13

3. Kündigungsentschädigung aus

der Provision S 21.600,-

zusammen S 143.446,13.

Das Landesgericht Salzburg sprach dem Kläger Gehalt, Urlaubsentschädigung und Kündigungsentschädigung auf der Basis des kollektivvertraglichen Gehalts zu, weil diese Summe höher als der vereinbarte Gehalt einschließlich der monatlichen Provisionsforderung war. Neben diesem Betrag könne aber der Kläger nicht auch noch die vereinbarte Provision fordern. Das festgestellte vereinbarte Kilometergeld sowie die weiteren Spesen seien aber dem Kläger zuzusprechen. Dieses Urteil blieb unangefochten. Während des Verfahrens vor dem Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über die BUG Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 16. 5. 1988 mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen.

Der Kläger machte am 12. 8. 1988 und am 12. 6. 1989 - auf der Grundlage des erwähnten Urteils - Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld bei der Beklagten geltend.

Mit Bescheid vom 25. 8. 1989 erkannte die Beklagte dem Kläger in Erfüllung des Urteiles des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. 2. 1989, 18 Cga 6/88 S 313.082,95 netto (entspricht S 387.808,- brutto) und S 53.143,80 netto, zusammen sohin S 366.226,39 netto abzüglich S 156.571,70 netto an Insolvenz-Ausfallgeld zu und wies ein Mehrbegehren von S 393.043,40 (im wesentlichen an Überstunden, Tagesdiäten, Kilometergeld, Telefonspesen und weiteren Schadenersatz) ab.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm nach den Bestimmungen des IESG einen (weiteren) Betrag von S 215.208,25 sA zu zahlen. Es handle sich dabei um jene Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zur BUG Unternehmensgesellschaft mbH, die er im Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht nicht geltend gemacht habe, sowie um die Fahrtspesen, Telefonspesen und Diäten für den Arbeitsbereich Pinzgau, die vereinbarungsgemäß in der Provision von 18 % enthalten waren, die ihm aber das Landesgericht Salzburg im Vorprozeß nicht zugesprochen habe, weil es der Ansicht war, daß ihm die kollektivvertragliche Entlohnung gebühre. Das kollektivvertragliche Mindestentgelt beinhalte aber die nunmehr geltend gemachten Spesen nicht.

Im einzelnen handle es sich dabei um folgende Ansprüche:

a) Tagesdiäten nach § 29 Z 2 des Kollektivvertrages für die bei

österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure,

Redakteursaspiranten und Reporter (im folgenden: KV)

S 39.738,-

b) Gerätepauschale nach § 27 KV S 13.509,-

c) Telefonspesenersatz S 33.655,23

d) Kilometergelder für Fahrten im

Pinzgau S 58.145,50

e) Überstunden netto S 70.610,55.

Das beklagte Arbeitsamt beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß mit dem Zuspruch des kollektivvertraglichen Mindestgehaltes auch die Ansprüche des Klägers auf weitergehende Vergütungen (mit Ausnahme des ohnehin zuerkannten Spesenersatzes für Tätigkeiten außerhalb des Pinzgaues) abgegolten seien. Der Kläger habe auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche dadurch, daß er sie nicht schon im Verfahren 18 Cga 6/88 des Landesgerichtes Salzburg erhoben habe, verzichtet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den eigenen Behauptungen des Klägers sollten mit dem 18 %-igen Provisionssatz die nunmehr geltend gemachten Ansprüche abgegolten werden. Dieser Provisionssatz sei daher das Äquivalent für die vom Kläger nunmehr geforderten Leistungen. Seien aber diese Leistungen in der im Vorprozeß abgewiesenen Provision enthalten gewesen, könnten sie nicht neuerlich geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge; es hob das angefochtene Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs gegen diesen Beschluß zulässig sei. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag habe der Kläger neben dem kollektivvertraglichen Mindestbezug auch unabdingbare Ansprüche auf Überstundenentgelt, Spesenvergütungen, Trennungskosten und sonstige Kostenersätze. Die darüber geschlossenen Vereinbarungen seien nur insoweit wirksam, als sie günstiger als der Kollektivvertrag seien. Mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg zu 18 Cga 6/88 sei dem Kläger nur der kollektivvertragliche Mindestlohn zugesprochen und seine Reisespesen und Barauslagen für die Tätigkeiten außerhalb des Pinzgaus abgegolten worden. Der Kläger könne gegenüber dem Beklagten weitergehende Ansprüche geltend machen, soweit darüber im Vorprozeß nicht (abweisend) entschieden worden sei. Das treffe uneingeschränkt auf die geltend gemachten Posten "Gerätepauschale" und "Überstundenvergütung" zu, die nicht Gegenstand des Vorprozesses gewesen seien.

Das Vorbringen des Klägers im Vorprozeß, der mit dem Dienstgeber vereinbarte relativ hohe Provisionssatz hätte auch die Spesen für die Tätigkeit des Klägers im Pinzgau decken sollen, sei dahin zu verstehen, daß diese Provision zum Teil als Entgelt, zum Teil aber als pauschalierte Entschädigung für die erwähnten Aufwendungen gedacht war. In letztgenanntem Umfang habe sie aber im kollektivvertraglichen Mindestbezug nicht enthalten sein können. Der Kläger hätte daher im Vorprozeß auch Anspruch auf jene Provisionsteile gehabt, die als pauschalierte Aufwandsentschädigung vereinbart worden seien. Dadurch, daß er die Abweisung des gesamten Provisionsbegehrens in Rechtskraft erwachsen ließ, habe er auch den darin enthaltenen pauschalierten Aufwandersatz verloren. Weil aber das Günstigkeitsprinzip gelte, sei der Anspruch des Klägers auf Aufwandersatz noch nicht zur Gänze erloschen. Auch für Aufwandsentschädigungen gelte nämlich der Grundsatz, daß das Pauschale nicht unter jene Vergütung sinken dürfe, die eine durchschnittliche Berechnung ergeben würde.

Im fortzusetzenden Verfahren werde daher festzustellen sein, in welchem Ausmaß die 18 %-ige Provision des Klägers als Entgelt und als pauschalierte Aufwandsentschädigung anzusehen sei. Dafür sei in erster Linie die Vereinbarung des Klägers mit dem früheren Arbeitgeber ausschlaggebend; mangels einer solchen werde zu prüfen sein, welche Provision ein Arbeitnehmer, dessen Spesen gesondert zu vergüten sind, üblicherweise erhalte. Soweit die 18 %-ige Provision als pauschalierte Aufwandsentschädigung zu betrachten sei, liege ein aufrechter gesicherter Anspruch nicht mehr vor. Soweit aber erwiesen werde, daß dem Kläger darüber hinaus weitere Reise- und Telefonspesen entstanden seien, könne er diese unabdingbaren Ansprüche auch gegenüber der Beklagten geltend machen. Der Kläger habe dadurch, daß er gegenüber seinem früheren Arbeitgeber nicht alle Ansprüche geltend gemacht habe, auf den Rest nicht verzichtet. Das beklagte Arbeitsamt bekämpft den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt, diese Entscheidung aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber macht zwar zutreffend geltend, daß § 7 Abs 1 Satz 1 IESG, wonach das Arbeitsamt bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruches an jene hierüber ergangenen gerichtlichen Entscheidungen gebunden ist, die gegenüber dem Antragsteller rechtskräftig geworden sind, auch für abweisende gerichtliche Entscheidungen gilt, sofern sich aus diesen das Nichtvorliegen eines gesicherten Anspruches ergibt (was nicht bei jeder Abweisung der Fall sein muß, zB wenn wegen mangelnder Fälligkeit abgewiesen wurde). Soweit das Landesgericht Salzburg im Vorprozeß 18 Cga 6/88 über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Provision von 18 % aus den vermittelten Werbeaufträgen in der Höhe von insgesamt S 108.000,- rechtskräftig abweisend entschieden hat, liegt daher kein aufrechter Anspruch iS des § 1 Abs 2 IESG vor. Aus diesem Rechtsgrund könnte der Kläger gegen das Arbeitsamt nicht erfolgreich Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld erheben. Einen solchen Anspruch macht aber der Kläger ohnehin nicht geltend. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers erhebt der Kläger im nunmehrigen Verfahren nicht (in allen Punkten?) dieselben Forderungen wie im Vorprozeß.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, hat der Kläger im Vorprozeß Überstundenentgelt (§ 23 KV) und Gerätepauschale (§ 27 KV) überhaupt nicht verlangt, so daß über diese Forderungsposten "ohne Bindung an hierüber ergangene gerichtliche Entscheidungen" (§ 7 Abs 1 IESG) zu erkennen ist.

Den Anspruch auf Zahlung von 18 % Provision aus allen

vermittelten Werbeaufträgen hat hingegen der Kläger im Vorprozeß

auch darauf gestützt, daß mit diesem "relativ hohen Prozentsatz"

auch das Kilometergeld, die Reisespesen und die Telefongebühren für

seine Tätigkeit im Pinzgau abgegolten seien. Die vom Kläger nicht

bekämpfte Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 108.000,-

Provision erstreckt sich daher auch auf den Rechtsgrund des

Spesenersatzes (im Pinzgau). Die vom Kläger nunmehr gegen die

Beklagte neuerlich geltend gemachten Schuldposten "Tagesdiäten",

"Telefonspesenersatz" und "Kilometergeld für Fahrten im Pinzgau"

werden von der bindenden Wirkung der Abweisung des Betrages von

S 108.000,- im Vorprozeß insoweit miterfaßt, als der Kläger damit

das in diesen Betrag neben einer angemessenen Nettoprovision

enthaltene Spesenpauschale geltend gemacht hat. Nur soweit durch

dieses Spesenpauschale, dessen Höhe im Sinne der vom Berufungsgericht erteilten Aufträge zu ermitteln sein wird, die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers nicht gedeckt sind und damit zwingende kollektivvertragliche Ansprüche abbedungen wurden, sind derartige weitergehende Aufwendungen nicht von der bindenden Wirkung der abweisenden Entscheidung im Vorprozeß umfaßt.

Es wird aber auch noch zu prüfen sein, inwieweit der Kläger diese Spesen mit dem Zuspruch (des auch von der Beklagten anerkannten) Betrages von S 53.143,80 netto bereits erhalten hat. Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, daß es sich bei diesem Zuspruch unbestritten um den Ersatz von Fahrtkosten und Barauslagen des Klägers für seine Tätigkeit außerhalb des Pinzgaus handelte, was anscheinend auch die (bisher nicht deutlich zugestandene) Meinung der Beklagten ist, sich aber aus den Feststellungen des Landesgerichtes Salzburg im Vorprozeß 18 Cga 6/88 nicht zwingend ergibt. Dort wurden auf Grund des Fahrtenbuches die vom Kläger (insgesamt?) gefahrenen Kilometer für die Monate Oktober 1986 bis Dezember 1987 ermittelt und eine einzelne Fahrt von Zell am See nach Salzburg und zurück besonders hervorgehoben. Aus diesen Feststellungen geht jedenfalls nicht klar hervor, ob damit nur die Spesen des Klägers für seine Tätigkeit außerhalb des Pinzgaus oder seine Gesamtspesen gemeint waren.

Da der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf zutreffender rechtlicher Beurteilung beruht, ist dem Rekurs des Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO iVm § 77 ASGG.

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