OGH 1Ob628/90

OGH1Ob628/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** W***, vertreten durch Dr.Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Ernst M***, 2. Aloisia M*** und 3. Gertraude M***, alle Transportunternehmer, Wien 21., Floridusgasse 59, vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Februar 1990, GZ 41 R 788/89-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 23.August 1989, GZ 6 C 927/88-20, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Parteien wird zurückgewiesen. Dem Rekurs der klagenden Partei wird hingegen Folge gegeben; der Beschluß des Berufungsgerichtes und das erstinstanzliche Urteil werden dahin abgeändert, daß die beklagten Parteien bei Exekution zur ungeteilten Hand schuldig sind, binnen 14 Tagen die beiden Grundstücke 805 und 806 (EZ 840 KG Donaufeld = Wien 21., Floridusgasse 59) zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben sowie dieser die mit S 35.410,-- bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 5.448,-- Umsatzsteuer und S 2.722,-- Barauslagen) bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind je zu einem Drittel Miteigentümer der auf der Liegenschaft EZ 840 KG Donaufeld (= Wien 21., Floridusgasse 59) errichteten Superädifikate; Eigentümerin der Liegenschaft ist hingegen die klagende Partei. Mit Vertrag vom 9.5. bzw 14.9.1965 erneuerten die Streitteile den Mietvertrag vom 7.7.1925 auf unbestimmte Dauer bei vierteljährlicher Kündigung und gegen einen Jahreszins von S 1.856. Die Vermietung erfolgte zu Wohn- und gewerblichen Betriebszwecken; im Vertrag ist ausdrücklich das Eigentum der Beklagten an den Baulichkeiten (eingeschoßiges Wohnhaus, Werkstätte, Magazin, Garage, Waschküche und zwei weitere gleichfalls gemauerte und hart gedeckte Objekte) festgehalten. Der Erstbeklagte besitzt die Konzession zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen und die Berechtigung zur Ausübung des Deichgräbergewerbes jeweils mit dem Standort auf der Mietliegenschaft. Schon anläßlich des Augenscheins zur Überprüfung der Betriebsanlage stellte die Gewerbebehörde am 6.7.1979 den äußerst schlechten Bauzustand der Superädifikate fest. Mit Schreiben vom 16.2.1984 teilte die Magistratsabteilung 36 dem Magistratischen Bezirksamt für den 21. Bezirk mit, es könne eine Gefährdung der Anrainer und des Grundwassers infolge des Zustandes der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude nicht ausgeschlossen werden; mit Schreiben vom 14.4.1987 gab die Magistratsabteilung 53 derselben Dienststelle bekannt, daß durch die Lagerung von Fahrzeug- und Maschinenwracks auf der Bestandfläche gegen § 5 ReinhalteV 1982 verstoßen werde.

Am 13.7.1987 führte das Magistratische Bezirksamt für den

21. Bezirk auf Grund einer Anzeige seitens der Magistratsabteilung 15 eine Augenscheinsverhandlung durch; bei dieser wurde festgestellt, daß der mit Bescheid aus dem Jahre 1939 bewilligte Treibstofftank auf seine Füllung nicht geprüft werden könne, weil der Einstiegdeckel nicht zu öffnen sei, die Betriebsanlage offensichtlich nicht mehr der Ausübung des Fuhrwerksgewerbes, sondern lediglich der Lagerung bzw Ausschlachtung von Fahrzeug- und Maschinenwracks diene, auf der Bestandfläche Motorteile, Autokühler und Reifen lagerten, die Abortanlage dem letzten Stand der Technik bzw der Bauordnung widerspreche, das Wohngebäude in desolatem Erhaltungszustand sei, obgleich es von den Beklagten bewohnt werde, der Verputz zum Teil fehle und die unterhalb der "Plumpsklos" befindliche Senkgrube zu zwei Dritteln mit Fäkalien gefüllt sei, so daß vermehrt mit Ratten und Ungeziefer gerechnet werden müsse. Es seien weiters vier Lagergebinde mit einem Fassungsvermögen von je 200 l, von denen eines zu einem Drittel mit einer Diesel-Wasser-Mischung gefüllt sei, vorgefunden worden. Die Garage sei einsturzgefährdet. Auf den Freiflächen seien mehrere LKW- und PKW-Wracks sowie nicht betriebsfähige Baumaschinen abgestellt. Es fehle ein Kanalanschluß, so daß die Abwässer abgesehen von den Fäkalien auf der unbefestigten Liegenschaft versickerten. Infolge des Anschlusses eines Kohleofens an einen schadhaften Kamin müsse das Eindringen von Rauchgas in die Wohnung befürchtet werden. Der Zustand der elektrischen Anlage entspreche nicht den Sicherheitsvorschriften, so daß der Anschluß an das öffentliche Stromnetz habe unterbrochen werden müssen. Mit Bescheid vom 19.1.1988 wurde der Antrag des Erstbeklagten auf Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage abgewiesen und dies damit begründet, die bisherige Betriebsanlagegenehmigung sei infolge mehr als zweijähriger Nichtausübung erloschen und die Gebäude seien einsturzgefährdet. Überdies fehlten der Wassernetzanschluß, eine ordnungsgemäße Senkgrube, vom hygienischen Standpunkt aus einwandfreie Klosettanlagen, eine funktionsfähige elektrische Anlage, eine ungefährliche Heizmöglichkeit, befestigte Abstellflächen sowie eine ordnungsgemäße Ableitung des Niederschlagswassers ins Kanalnetz. Dieser Bescheid ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Bei der Augenscheinsverhandlung der Baubehörde am 1.7.1987 wurde festgestellt, daß das "rechte Gebäude in äußerst schlechtem Zustand sei, sich an sämtlichen Wänden Risse zeigten, der Verputz schadhaft sei und große Teile der gartenseitigen Dachkonstruktion eingestürzt seien. Schadhaft seien auch die Rauchfangköpfe, wogegen die Dachrinnen teils verrosten seien, teils aber überhaupt fehlten. Die Decke biege sich stark durch. Die Fenster und ihre Stöcke seien großteils vermorscht; ihre Verglasung fehle zum Teil. Ähnliches wurde auch bei den übrigen Gebäuden festgestellt.

Mit Bescheid vom 29.7.1987 trug die Baubehörde (Magistratsabteilung 37) den Beklagten auf, sämtliche Gebäude binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides zu räumen und sie binnen weiterer sechs Monate ab diesem Zeitpunkt abtragen zu lassen oder sie innerhalb derselben Frist bauordnungsgemäß instandzusetzen. Die weitere Benützung würde die körperliche Sicherheit der Benützer gefährden, es lägen daher Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs 4 BauO für Wien vor. Dieser Bescheid ist am 9.9.1987 in Rechtskraft erwachsen.

Schon am 4.6.1987 war von der Magistratsabteilung 30 eine Untersuchung der Senkgrube durchgeführt worden, bei der festgestellt wurde, daß das "Plumpsklosett" mit Fäkalien vollgefüllt und bei 15oC eine starke Geruchsbelästigung wahrnehmbar sei. Ein am 1.7.1987 von dieser Dienststelle unternommener Versuch, die Senkgrube auszupumpen, scheiterte an der verfestigten Konsistenz ihres Inhalts. Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Räumung der Liegenschaft im Hinblick auf die vorangestellten Ergebnisse der Verwaltungsverfahren. Das Erdreich sei stark mit Altöl kontaminiert, die Abwässer versickerten im unbefestigten Grund ohne Filterung. Die funktionsuntüchtigen Klosetts zögen starke Geruchsbelästigungen und eine Fliegenplage nach sich. Überdies hätten die Beklagten wiederholt und nachhaltig gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen, vor allem gegen die Bauordnung und die Reinhalteverordnung verstoßen.

Die Beklagten bestritten die Klagsbehauptungen und wendeten vor allem ein, die Klagsführung diene bloß dazu, sie in einem Rechtsstreit über eine andere Liegenschaft zu Zugeständnissen zu nötigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte auf Grund eines am 21.10.1988 abgeführten Ortsaugenscheines fest, im vorderen Teil des Hofes stünden vier verrostete LKW auf reifenlosen Rädern, außerdem seien dort ein verrosteter Baukran, zwei verrostete Förderbänder und ein LKW-Anhänger abgestellt und ein verrosteter, bereits überwachsener Motorblock gelagert. Die Gebäude befänden sich in dem Zustand, in dem sie von der Baubehörde bei deren Augenschein am 1.7.1987 vorgefunden und beschrieben worden seien. Die elektrischen Anlagen seien allerdings erneuert worden und machten einen funktionstüchtigen Eindruck. Im hinteren Teil der Baufläche seien diverse alte verrostete Baumaschinen und ein LKW im selben Zustand wie die übrigen Fahrzeuge abgestellt und allerlei Gerümpel gelagert. Hinter dem linken Gebäude fänden sich drei leere Erdlöcher, eine Geruchsbelästigung sei jedoch nicht wahrnehmbar. In den Lagerräumen hinter dem Klosett seien zwei ältere Treibstoffässer und ein verrosteter Motor vorgefunden worden. Vereinzelt zeigten sich auf dem Boden dunkle Flecken, doch sei nicht feststellbar, ob es sich dabei um Öl oder Wasser handle. Das Wohngebäude sei größtenteils mit Gerümpel angeräumt. Dagegen könne nicht festgestellt werden, daß der Erstbeklagte noch über funktionstüchtige LKW verfüge und überhaupt noch eine Gewerbetätigkeit entfalte bzw auf der Liegenschaft Ölverschmutzungen in größerem Ausmaß vorkämen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Verwahrlosung der auf der gemieteten Grundfläche befindlichen Gebäude sei kein erheblich nachteiliger Gebrauch, weil die Baulichkeiten im Eigentum der Bestandnehmer stünden und Bestandobjekt nur das Grundstück sei. Daß hiedurch auch Dritte gefährdet würden, sei nicht hervorgekommen. Die von der klagenden Partei beanstandete Verschmutzung des Erdreiches mit Öl rechtfertige die Auflösung des Bestandverhältnisses schon deshalb nicht, weil die Liegenschaft ausdrücklich auch als Betriebsstätte vermietet worden sei und solche Verschmutzungen bei Nutzung einer Liegenschaft durch einen Fuhrwerksunternehmer selbst bei ordnungsgemäßer Wartung der Fahrzeuge häufiger aufträten als sonst. Eine starke Geruchsbelästigung oder Fliegenplage sei nicht feststellbar gewesen. Durch die festgestellten Verhältnisse würden auch die Anrainer nicht belästigt, weil dieser Zustand in ähnlicher Form schon seit dem Jahre 1979 andauere. Da die Beklagten über eine Wasserentnahmestelle nur außerhalb des Wohnhauses verfügten, könne das Ableiten der Abwässer ins Freie nur als geringfügige Beeinträchtigung des Grundstückes angesehen werden. Überdies könne die klagende Partei in ihrer Funktion als Behörde die Beklagten auch zum Anschluß an das Kanalnetz verhalten. Auch die Verstöße gegen die Reinhalteverordnung rechtfertigten die Auflösung des Bestandverhältnisses noch nicht, zumal nicht feststehe, daß den Beklagten die Beseitigung eines Übelstandes im Sinne des § 9 dieser Verordnung aufgetragen worden wäre. Lägen tatsächlich schwerwiegende Verstöße gegen diese Verwaltungsvorschrift vor, hätte die klagende Partei solche Maßnahmen als Behörde wohl schon angeordnet und durchgesetzt. Bedenke man, daß die Beklagten schon in zweiter Generation auf der Liegenschaft lebten, könne die ihnen angelastete Nutzung im Verhältnis zum Wert des Bestandgegenstandes nicht als derart erheblich beurteilt werden, daß sie die Auflösung des Bestandverhältnisses rechtfertige.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die klagende Partei habe zur Begründung ihres Räumungsbegehrens unter anderem vorgebracht, auf der vermieteten Grundfläche befänden sich desolate, verwahrloste und einsturzgefährdete Gebäude, und sich zur Dartuung des darin erblickten nachteiligen Gebrauches darauf beschränkt, auf wiederholten, längerwährenden Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften zu verweisen. Unter den gegebenen Voraussetzungen stelle die bloße Tatsache, daß die Beklagten ihre Gebäude verfallen ließen, noch keinen erheblich nachteiligen Gebrauch dar. Die Liegenschaft sei für Wohn- und gewerbliche Betriebszwecke gemietet worden, das darauf befindliche Gebäude befinde sich nach wie vor im Eigentum der Beklagten. Sie seien verpflichtet, das Bestandobjekt nach Beendigung des Bestandverhältnisses vollkommen geräumt zu übergeben. Da sich die verfallenden Gebäude auf einer nur von den Beklagten benützten Liegenschaft befänden und dritte Personen daher grundsätzlich nicht gefährdet würden, sei "prima vista" nicht erkennbar, inwiefern hiedurch wichtige Interessen der Klägerin beeinträchtigt oder gefährdet werden könnten. Der bloße Verstoß gegen baubehördliche Vorschriften berechtige den Vermieter noch nicht zur Vertragsauflösung, dieses Recht stehe ihm nur bei "erheblich nachteiligem" Gebrauch und somit nur zu, wenn durch wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjektes oder Unterlassung notwendiger Vorkehrungen wichtige Interessen des Bestandgebers verletzt würden oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Bestandgegenstandes erfolgt sei oder zumindest drohe. Selbst grundlegende Umgestaltungen seien demnach nur bei Verletzung wichtiger Interessen des Bestandgebers erheblich nachteiliger Gebrauch. Liege die Schädigung wichtiger Interessen des Bestandgebers nicht auf der Hand, habe er eine solche Gefährdung zu behaupten und zu beweisen; dies habe die klagende Partei unterlassen. Die vertragswidrige, gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßende Benützung sei für sich noch kein Auflösungsgrund, sondern erst dann, wenn der Gebrauch erheblich nachteilig sei. Auch Verstöße gegen die §§ 4 und 5 ReinhalteV 1982 bildeten noch keinen Auflösungsgrund, zumal nicht einmal noch Aufträge oder Anordnungen im Sinne des § 9 dieser Verordnung ergangen seien. Daß der Ruf oder wichtige Interessen der Vermieterin geschädigt oder gefährdet worden seien, habe diese lediglich insoweit vorgebracht, als sie eine Schädigung des Erdreiches durch Ablagerung von Autowracks und Ölbehältern behauptet habe. Das Erstgericht habe aber zu Unrecht keinen Sachverständigen zum Beweis der behaupteten Verunreinigung des Erdreiches mit Öl vernommen, habe es doch selbst beim Augenschein nicht verifizieren können, ob es sich bei den vorgefundenen dunklen Stellen im Erdreich um Wasser- oder Ölflecken gehandelt habe. Aber auch eine Geruchsbelästigung sei bei einem Augenschein im Oktober nicht mehr verläßlich festzustellen, sei doch eine solche nach dem Bericht der Magistratsabteilung 30 erst bei Temperaturen über 15oC entfaltet worden. Insoweit werde das Erstgericht Feststellungen nachzutragen haben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Aufhebungsbeschluß richten sich die Rekurse beider Parteien; zulässig und berechtigt ist aber nur das Rechtsmittel der klagenden Partei.

A) Zum Rekurs der Beklagten:

Das Gericht zweiter Instanz hat den Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur deshalb für zulässig erklärt, weil Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Frage, ob die Tatsache, daß die Mieter ihre auf dem gemieteten Grundstück errichteten Superädifikate verfallen lassen, schon an sich den Auflösungsgrund nach § 1118 erster Fall ABGB darstelle, fehle. Die Lösung dieser Frage durch das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten beschwert diese nicht (und wurde von ihnen auch gar nicht zum Gegenstand ihres Rechtsmittels gemacht). Sie wenden sich bloß gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Sachverhalt sei insoweit noch näher aufzuklären, als die klagende Partei die Kontaminierung des Erdreiches mit Altöl und die Entfaltung üblen Geruches behauptet habe. Daß diese Umstände einen erheblich nachteiligen Gebrauch im Sinne des § 1118 erster Fall ABGB bedeuten können, kann nicht zweifelhaft sein und wird von den Beklagten auch gar nicht bestritten. Erachtet das Berufungsgericht den Sachverhalt jedoch noch als näher aufklärungsbedürftig, kann der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten. Die Beklagten zeigen somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, so daß ihr Rekurs jedenfalls als unzulässig zurückzuweisen ist, selbst wenn den darin aufgeworfenen Fragen - wie dies bei Erledigung des Rekurses der klagenden Partei noch darzulegen sein wird - keine für den Verfahrensausgang tragende Bedeutung zukommen könnte.

B) Zum Rekurs der klagenden Partei:

Das Gericht zweiter Instanz verneinte einen erheblich nachteiligen Gebrauch von der Bestandsache, die den Bestandgeber gemäß § 1118 ABGB zur vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses berechtigte, obgleich die Beklagten ihre auf der gemieteten Grundfläche errichteten Superädifikate derart verfallen bzw verwahrlosen lassen, daß die Baubehörde schließlich sogar einen auf die Gefahr für die körperliche Sicherheit der Benützer gestützten Räumungs- und Abtragungsbescheid erließ.

Ein solcher nachteiliger Gebrauch liegt in der wiederholten, längerwährenden vertragswidrigen Benützung des Bestandgegenstandes bzw in der Unterlassung der notwendigen Vorkehrungen, sofern hiedurch wichtige Interessen des Bestandgebers verletzt oder gefährdet werden oder die Substanz der Bestandsache erheblich beeinträchtigt wird (MietSlg 34.260 ua); der nachteilige Gebrauch muß demnach nicht in einer Beschädigung des Bestandobjektes zum Ausdruck gelangen, er ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn wirtschaftliche oder sonstige wichtige Interessen des Bestandgebers durch die Art der Benützung beeinträchtigt oder wenigstens gefährdet werden (MietSlg 34.262 ua). Daß beim Bestandgeber bereits ein Schaden eingetreten sei, ist ebensowenig (MietSlg 23.183 ua) Voraussetzung wie ein Verschulden des Bestandnehmers. Es genügt, daß diesem der nachteilige Gebrauch bewußt war oder wenigstens bewußt sein mußte (MietSlg 26.229 ua).

Daß den Beklagten erheblich nachteiliger Gebrauch von der Bestandsache zur Last fiele, wären auch die verfallenden Baulichkeiten auf dem gemieteten Grundstück Gegenstand des Bestandvertrages, kann angesichts des desolaten, die körperliche Sicherheit der Beklagten gefährdenden Zustandes nicht zweifelhaft sein. Die Besonderheit des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen liegt aber darin, daß die Baulichkeiten im Eigentum der Bestandnehmer stehen und diese nach dem Bestandvertrag ohnedies verpflichtet sind, den Bestandgegenstand bei Beendigung des Mietverhältnisses vollkommen geräumt zu übergeben. Den Schlußfolgerungen der zweiten instanz, die vollständige Vernachlässigung der Gebäude durch die Beklagten lasse allein noch nicht den zur unverzüglichen Auflösung des Bestandverhältnisses berechtigenden erheblich nachteiligen Gebrauch annehmen, kann indessen im vorliegenden Fall nicht beigetreten werden. Die klagende Partei berief sich zur Stützung ihres Räumungsbegehrens unter anderem auf den völlig desolaten und verwahrlosten Zustand der Gebäude der Beklagten, wodurch diese laufend gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften - namentlich auch baurechtliche Bestimmungen - verstießen. In der Entscheidung MietSlg 16.158 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, verstoße die vom Mieter zum Zweck der Treibstofflagerung auf dem gemieteten Lagerplatz errichtete Anlage gegen die Bestimmungen des Wiener Garagengesetzes, der Bauordnung für Wien und der Gewerbeordnung, so liege erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB vor, wenn der Mieter diese Anlage im Bewußtsein ihrer Schädlichkeit errichtet und in Betrieb genommen habe. Daß die Beklagten - nicht bloß den Ergebnissen des baubehördlichen Verfahrens, sondern auch den vorinstanzlichen Feststellungen zufolge - in krasser und nachhaltiger Weise gegen § 129 Abs 2 und 4 BauO für Wien zuwidergehandelt haben, kann auf Grund des baubehördlichen Bescheides vom 29.7.1987, mit dem den Beklagten sogar die Abtragung der Baulichkeiten aufgetragen wurde, schon deshalb nicht in Zweifel gezogen werden, selbst wenn man mit Fasching (Zivilprozeßrecht2 Rz 96) eine Bindung der Gerichte an (rechtskräftige) verwaltungsbehördliche Bescheide leugnen wollte, weil der erstinstanzliche Augenschein die gleichen Ergebnisse zeitigte.

Der erkennende Senat hat in seiner (nicht veröffentlichten) Entscheidung vom 18.5.1988, 1 Ob 550/88, bei der die bau- und feuerpolizeiwidrige Lagerung von Gerümpel auf dem Dachboden als erheblich nachteiliger Gebrauch zu beurteilen war, ausgesprochen, daß durch solches Verhalten wichtige Interessen des Bestandgebers schwerstens beeinträchtigt würden, weil dieser der Bau- und Feuerpolizei gegenüber für die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften und Auflagen verantwortlich sei. Dies gilt im besonderen Maß auch im vorliegenden Fall, weil der Liegenschaftseigentümer gemäß § 129 b Abs 2 BauO für Wien der (Bau-)Behörde gegenüber für alle diesem Gesetz (hier dessen § 129) widersprechenden Zustände auf seiner Liegenschaft, die von einer dritten Person mit oder ohne seine Zustimmung hervorgerufen worden sind, neben dieser haftet. Die durch diese Bestimmung begründete Haftung ist eine Haftung des Liegenschaftseigentümers zur ungeteilten Hand mit dem Superädifikatseigentümer (vgl EB zur Novelle 1976 zur Bauordnung für Wien, abgedruckt bei Geuder-Hauer, Wiener Baurecht3 483). Da die klagende Partei damit trotz ihres Rückgriffsanspruches für die Bonität der Beklagten einzustehen hat, werden durch das bisherige nachhaltige, kraß rechtsiwdrige Verhalten der Beklagten zweifelsohne auch wichtige Interessen der klagenden Partei konkret gefährdet.

Daran kann auch nichts ändern, daß die Wahrnehmung der baurechtlichen Angelegenheiten ohnehin den Organen der klagenden Gebietskörperschaft übertragen ist. Da die Baubehörden bei drohender Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen jedenfalls einzuschreiten und - ungeachtet dessen, wer davon betroffen sein kann - die erforderlichen Anordnungen zu treffen haben, kann der Fall nicht etwa deshalb anders beurteilt werden, weil die Folgen hoheitlicher Verfügungen der Organe deren Rechtsträger im Bereich seiner Privatwirtschaftsverwaltung - somit als Träger privater Rechte - träfen bzw die Organe der Hoheitsverwaltung ihre Kompetenz bisher - aus welchen Gründen immer - noch nicht voll ausgeschöpft haben.

Steht demnach fest, daß den Beklagten durch ihr Verhalten erheblich nachteiliger Gebrauch zur Last fällt, hat die klagende Partei zu Recht das Bestandverhältnis aufgelöst, so daß es der ergänzenden Sachverhaltsermittlung, die das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht auftrug, gar nicht erst bedarf.

In Stattgebung des Rekurses war daher dem Klagebegehren stattzugeben (§ 519 Abs 2 zweiter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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