OGH 4Ob123/90

OGH4Ob123/9011.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** FÜR L*** W***, Wels,

Aufeldstraße 9, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. I*** I*** Gesellschaft mbH, Vösendorf, Shopping City Süd, 2. I***-G*** Möbel-Vertriebsgesellschaft mbH, Graz, Schwedenstraße 1, beide vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 29. Mai 1990, GZ 5 R 147/90-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. März 1990, GZ 9 Cg 67/90-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 15.643,98 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.607,33 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Der klagende Verband ist ein in Wels ansässiger und registrierter Verein. Mit seiner nicht auf Gewinn gerichteten Tätigkeit bezweckt er nach den Statuten "die Förderung und Sicherung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs und Gleichgewichtes und die Sicherung von wirtschaftlichen Interessen von Unternehmungen insbesondere durch

1. die Bekämpfung aller Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs, auch durch Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 UWG im Namen des Vereines;

2. Ausübung der Mittlertätigkeit, um bei Verstößen gegen das UWG eine Einigung auf gütlichem Weg zu erreichen, gleichviel, ob es sich um einen Rechtsstreit von Mitgliedern untereinander, oder um außerhalb des Vereines stehende Unternehmen, Firmen oder Personen handelt;

3. die Förderung des Ausbaus des Wettbewerbsrechtes i.w.S. durch Erstellung von Gutachten;

4. Förderung der Information der Konsumenten über die Anliegen der Mitglieder;

5. die Wahrung und Förderung aller anderen wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder unter Beachtung der Bestimmungen des Kartellgesetzes" (§ 2 der Statuten).

Nach § 3 der Statuten soll der Vereinszweck durch ideelle Mittel (Zusammenkünfte der Mitglieder, Erfahrungsaustausch, Verteilung von Informationen, Einschreiten bei Wettbewerbsverstößen im engeren und weiteren Sinn) sowie durch materielle Mittel (Mitgliedsbeiträge und Beitrittsgebühren, Werbekostenbeiträge und freiwillige Spenden) erreicht werden.

Die Erstbeklagte betreibt in Graz, Weblingergürtel, das "Shopping Center West"; die Zweitbeklagte führt dort ein Möbelhaus. Die Erstbeklagte ist als Betreiberin des "Shopping Center West" auch für die Gemeinschaftswerbung zugunsten der 23 Geschäfte des Einkaufszentrums zuständig. Auf ihre Veranlassung erschien in der "Kleinen Zeitung" und in der "Steirerkrone" vom 15.Februar 1990 je eine doppelseitige Werbeeinschaltung, wonach man in jedem der 23 Geschäfte des "Shopping Center West", in dem man ab sofort - und das durch die ganze "Energiesparwoche" - für mindestens S 200,-

einkaufe, eine Lotto-Tip-Kolonne kostenlos ausfüllen dürfe und auf diese Weise Millionen gewinnen könne. Unter den 23 - jeweils unter Anführung einzelner Waren samt deren Preisen - namentlich aufgezählten Unternehmen fand sich auch "I***" (offenbar die Zweitbeklagte) mit der Ankündigung einer bestimmten Gläserserie. Mit der Behauptung, daß diese Werbung der Erstbeklagten zugunsten (u.a.) der Zweitbeklagten gegen § 1 ZugG verstoße, begehrt der klagende Verband zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb des "Shopping Center West" in Graz neben Waren unentgeltliche Zugaben, wie eine kostenlose Teilnahme am Lottowettbewerb bei einem Mindesteinkauf in bestimmter Höhe, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren. Die Aktivlegitimation des Klägers sei vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach bestätigt worden. Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der Kläger habe die Voraussetzungen seiner Klagelegitimation nach § 14 UWG weder behauptet noch bescheinigt. Seinem Vorbringen könne - durch den Hinweis auf ÖBl 1988, 130 - nur entnommen werden, daß er 1985 die Interessen führender Sportartikelunternehmen Österreichs vertreten habe. Selbst wenn dies noch heute der Fall wäre, fehlte dem Kläger doch die Aktivlegitimation, weil die Interessen von Sportartikelunternehmen durch die beanstandete Werbeaktion nicht beeinträchtigt worden seien. Außerdem habe der Kläger in keiner Weise dargetan, daß er eine statutenmäßige Tätigkeit tatsächlich ausübe; der Hinweis auf Tatsachenannahmen in einer Entscheidung des Jahres 1985 lasse keine Schlüsse auf die Tätigkeit des Klägers im Jahre 1990 zu. Im übrigen sei der klagende Verein durch seine Statuten nur zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gemäß § 14 UWG legitimiert, während hier eine Klage nach dem Zugabengesetz erhoben werde. Der Kläger handle rechtsmißbräuchlich, weil er die Beklagten vor der Klageerhebung nicht abgemahnt habe. Die Zweitbeklagte hafte nicht gemäß § 18 UWG. Das Klagebegehren sei zu weit gefaßt; überdies gewähre die Erstbeklagte selbst keine Zugaben.

Der Erstrichter erließ die beantragte einstweilige Verfügung. An der Aktivlegitimation des Klägers bestehe kein Zweifel. Die beanstandete Werbemaßnahme verstoße gegen § 1 ZugG. Die Haftung der Erstbeklagten gründe sich auf ihre Verantwortlichkeit für die Gemeinschaftswerbung, jene der Zweitbeklagten auf § 18 UWG. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Sache nach mache der Kläger einen Verstoß gegen § 28 UWG geltend. Die in § 14 UWG angeführten Interessenverbände seien auch für Klagen nach § 34 Abs 3 UWG legitimiert. Das Klagerecht eines Verbandes im Sinne de § 14 UWG bestehe schon dann, wenn die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der von ihm vertretenen Interessen gegeben ist. Maßgebend sei der statutenmäßige Zweck der Vereinigung; sei sie nicht auf Angehörige eines bestimmten Berufszweiges beschränkt und solle sie nach den Satzungen unlauteren Wettbewerb bekämpfen, dann sei sie zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen legitimiert, ohne nachweisen zu müssen, daß ihr Mitbewerber der Beklagten angehören. Eine nach § 14 UWG klageberechtigte Vereinigung müsse aber nicht nur satzungsmäßig der Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen dienen, sondern eine solche Tätigkeit auch ausüben. Nach dem Inhalt einiger oberstgerichtlicher Entscheidungen sei es zwar dem Obersten Gerichtshof bekannt, daß sich der Kläger aus führenden Sportartikelunternehmungen Österreichs zusammensetze, mit Informationsbroschüren an den Fachhandel herangetreten sei sowie Rundschreiben verfaßt, durch Vorträge informiert sowie seine Ziele über die Fachpresse propagiert habe. Da aber diese Voraussetzungen für das Rekursgericht, auf den vorliegenden Fall bezogen, nicht gleichfalls offenkundig seien und die Hinweise des Klägers auf Vorentscheidungen, denen Jahre zurückliegende Sachverhalte zugrunde liegen, daran nichts ändern könnten, hätte der Kläger seine auch heute noch aufrecht bestehende Tätigkeit zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen gleichfalls behaupten und dazu auch bescheinigen müssen, daß er Interessen vertritt, die im Sinne des § 14 UWG durch die beanstandete Handlung berührt werden. Solche Behauptungen und Bescheinigungen fehlten aber, so daß der Sicherungsantrag abzuweisen sei.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederherzustellen.

Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 14 UWG können den Anspruch auf Unterlassung in den Fällen der §§ 1, 2, 3, 6 a und 10 UWG u.a. Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern geltend machen, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden; auf Unterlassungsansprüche nach §§ 27 bis 32 UWG und § 1 ZugG ist § 14 UWG entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs 3 UWG; § 5 ZugG). Solchen Vereinigungen kommt auch die Klagelegitimation nach § 12 Abs 1 RabG idF der RabGNov 1988 BGBl 423 zu. Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, muß ein nach diesen Bestimmungen auf Unterlassung klagender Verband im Fall der substantiierten Bestreitung seiner Klagebefugnis im Prozeß beweisen, daß er wirtschaftliche Unternehmerinteressen durch eine über die bloße Prozeßführung hinausgehende Tätigkeit fördert oder - falls er ein sogenannter Prozeßführungsverein ist - daß ihm entweder nur Unternehmer angehören oder die Förderung wirtschaftlicher Unternehmerinteressen auf andere Weise, insbesondere nach der Art und Zahl seiner Mitglieder und seinem organisatorischen Aufbau, gewährleistet ist (SZ 58/200). In dieser grundlegenden Entscheidung wurde die Frage, ob ein solcher Nachweis auch im Rahmen eines Sicherungsverfahrens in vollem Umfang verlangt werden muß oder ob hier an die den Kläger treffende Behauptungs- und Bescheinigungslast geringere Anforderungen zu stellen sind, ausdrücklich offengelassen. Da aber ein Sicherungsantrag ebenso schlüssig sein muß wie eine Klage, hat der klagende Verband schon im Sicherungsantrag all jene Tatsachen zu behaupten, aus denen sich seine Klagelegitimation rechtlich folgern läßt. Die Annahme, daß jedem solchen Verband im Provisorialverfahren jedenfalls die Aktivlegitimation zuerkannt werden müßte, entbehrt jeder Grundlage. Nur die Anforderungen an die Beweisführung sind gegenüber dem Hauptverfahren insoweit erleichtert, als hier - wie für alle anderen Behauptungen - die bloße Bescheinigung (§ 274 ZPO) ausreicht (§ 389 EO), gegebenenfalls also auch mit eidesstättigen Erklärungen das Auslangen gefunden werden kann.

Da es nicht genügt, daß eine nach § 14 UWG, § 5 ZugG, § 12 RabG klageberechtigte Vereinigung nur satzungsmäßig der Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern dient (SZ 58/200; ÖBl 1988, 130), reicht die Vorlage der Vereinsstatuten des Klägers zur Dartuung seiner Klagebefugnis nicht aus; sollte - wie der Kläger meint - der Entscheidung ÖBl 1963, 76, eine gegenteilige Auffassung zu entnehmen sein, dann könnte sie im Hinblick auf die neue Judikatur nicht aufrecht erhalten werden.

Der Kläger hat zur Darlegung seiner Klagelegitimation nur vorgebracht, welche Zielsetzung er hat, nicht aber, welche Tätigkeit er tatsächlich ausübt; dabei hat er allerdings auch auf zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes verwiesen, in denen seine Aktivlegitimation "bestätigt" worden sei. Ob ein Verband zur Unterlassungsklage befugt ist, muß aber auf Grund der in jedem einzelnen Verfahren zugrunde gelegten Tatsachen rechtlich beurteilt werden; die in einem Vorprozeß festgestellten - oder als gerichtsbekannt angenommenen - Tatsachen sind für einen folgenden Prozeß keineswegs bindend (SZ 55/116). Das muß erst recht dann gelten, wenn in den Prozessen jeweils verschiedene Parteien einander gegenüberstehen. Im Fall der Entscheidung ÖBl 1986, 100 war als bescheinigt angenommen worden, daß der Kläger (auch des nunmehrigen Verfahrens) in Verfolgung seiner statutenmäßigen Zwecke mit Informationsbroschüren an den Fachhandel herantrete, Rundschreiben verfasse, seine Ziele über die Fachpresse propagiere und durch Vorträge informiere; außerdem hatte der dortige Beklagte selbst vorgebracht, daß sich der Kläger aus führenden Sportartikelunternehmungen Österreichs zusammensetze. Dieser Sachverhalt war dann in einer etwa ein Jahr später ergangenen Entscheidung als gerichtsbekannt angenommen worden (ÖBl 1988, 130). Selbst wenn man aber entgegen ÖBl 1963, 76 davon ausgeht, daß auch für den Obersten Gerichtshof nicht nur solche Tatsachen offenkundig im Sinne des § 269 ZPO sind, die allgemein bekannt sind, sondern auch solche, die er selbst amtlich wahrnimmt (Fasching, LB2 Rz 853 und 854; vgl. EvBl 1979/189; ÖBl 1988, 130), ist daraus für den Kläger nichts zu gewinnen: Daß der Kläger (heute noch) neben dem Führen von Prozessen eine seinem Vereinszweck dienende Förderungstätigkeit von entsprechendem Gewicht entfaltet, ist weder allgemein noch dem Obersten Gerichtshof auf Grund seiner amtlichen Wahrnehmungen bekannt; auch die Mitgliederstruktur des Klägers ist nicht offenkundig (§ 269 ZPO). Selbst wenn man aber auch heute noch von dem Vorbringen des Beklagten in dem der Entscheidung ÖBl 1986, 100 zugrunde liegenden Verfahren ausgehen könnte, stünde nur fest, daß sich der Kläger aus führenden Sportartikelunternehmungen in Österreich zusammensetzt; das kann jedoch auch dahin verstanden werden, daß der Kläger nur solche Unternehmer zu Mitgliedern und nur deren Interessen im Auge hat. Nur dann aber, wenn eine Interessenvereinigung nicht auf Angehörige eines bestimmten Berufszweiges beschränkt ist und nach ihrer Satzung Handlungen gegen den unlauteren Wettbewerb bekämpfen soll, ist sie nach § 14 UWG, § 5 ZugG und § 12 RabG zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen legitimiert, ohne nachweisen zu müssen, daß sie Mitglieder hat, die im Sinne des § 14 UWG Mitbewerber des Beklagten sind (SZ 44/176 mwN; ÖBl 1975, 89; ÖBl 1986, 80 u.a.); wäre hingegen der Kläger eine Vereinigung nur zum Schutz der Interessen des Sportartikelhandels, dann wären diese Interessen nach seinem Klagevorbringen im vorliegenden Fall nicht berührt. Die Zweitbeklagte betreibt ein Möbelhaus; daß die Erstbeklagte auch für ein Sportgeschäft geworben hätte, wurde nicht behauptet. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

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