OGH 9ObA157/90

OGH9ObA157/9029.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. phil. Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Franz Josef F***, Verkaufsleiter, Innsbruck, Andechsstraße 63, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franz T***, Erstes Tiroler Butter- und Käsehaus Innsbruck, Gesellschaft mbH, Innsbruck, Sillhöfe 12, vertreten durch Dr. Walter Hofbauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 916.026,70 und S 38.860 netto sowie Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Revisionsstreitwert S 798.875,60 brutto und S 24.336 netto), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. November 1989, GZ 5 Ra 137/89-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.Februar 1989, GZ 43 Cga 1154/87-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens wird abgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.208,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.034,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Zum Unterbrechungsantrag:

Der Kläger bringt vor, daß gegen drei im Verfahren vernommene, namentlich genannte Zeugen zu 33 Ur 27/90 und 11 St 5244/89, beide Landesgericht bzw. Staatsanwaltschaft Innsbruck, ein im Stadium der Voruntersuchung befindliches Verfahren wegen falscher Beweisaussage, Beweisfälschung etc. laufe. Er beantragt ohne weitere Begründung, das streitgegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens zu unterbrechen. Aus dem Strafakt 33 Vr 2115/89 des Landesgerichtes Innsbruck ergibt sich, daß der Kläger Strafanzeige erstattete, weil er meint, dem Sachverständigen seien verfälschte Unterlagen vorgelegt worden, sodaß dieser auch deshalb zu einem unrichtigen Gutachten gekommen sei, das dem Ersturteil zugrundegelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Ein Unterbrechungsantrag ist zwar auch im Revisionsverfahren zulässig (SZ 47/100 ua). Wegen einer Strafanzeige wegen Verdachtes der falschen Beweisaussage oder der Verfälschung von Beweismitteln hat jedoch das Revisionsgericht das Verfahren nicht zu unterbrechen, da mangels Überprüfbarkeit der Tatsachenfeststellungen durch das Revisionsgericht selbst im Falle einer Verurteilung von den Feststellungen der Unterinstanzen nicht abgegangen werden könnte (4 Ob 600/75).

Hinzu kommt, daß die entscheidungswesentlichen Umstände, aus denen sich die Berechtigung der Entlassung ergibt, vom Kläger gar nicht bestritten werden.

2. Zur Revision des Klägers:

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor; die dazu erstatteten Ausführungen zeigen weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens noch eine Aktenwidrigkeit auf; es wird vielmehr damit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Unterinstanzen bekämpft. Ein Eingehen hierauf ist dem Revisionsgericht verwehrt (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Feststeht, daß die Erstellung von EDV-Programmen für die beklagte Partei nicht in das Arbeitsgebiet des Klägers fiel. Der Kläger überspielte die von ihm erstellten Programme erstmals im Mai oder Juni 1984 von seinem privat angeschafften PC auf einen von der beklagten Partei bereits früher angeschafften PC. Der Kläger verwendete die von ihm erstellten Programme mit Wissen der Geschäftsführer für die beklagte Partei. Über eine zeitliche Dauer der Nutzungsmöglichkeit der Programme für die beklagte Partei wurde keine Vereinbarung getroffen. Im Herbst 1984 sprach der Kläger einen der Geschäftsführer der beklagten Partei erstmals auf ein Entgelt für seine bei der Programmerstellung aufgewendete Mühewaltung an, ohne jedoch ziffernmäßig einen bestimmten Betrag zu fordern. Er wies aber darauf hin, daß ihm bei der Aneignung der Programmierkenntnisse und der Erstellung der Programme Kosten in der Höhe von ca. S 90.000 erwachsen seien. Der Geschäftsführer stellte dem Kläger eine Abgeltung der Programmierleistungen in Aussicht. Eine Einigung über eine bestimmte Entgelthöhe erfolgte jedoch nicht; die beklagte Partei zahlte dem Kläger auch kein Entgelt für dessen Programmiertätigkeit und für die Zurverfügungstellung der Computerprogramme.

Am 9.3.1987 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.6.1987 auf. Im März 1987 baute er verschiedene datumsabhängige Löschroutinen in die von ihm erstellten Programme ein. Bei Inkrafttreten der Löschroutinen wären durch die vom Kläger eingebauten Löschbefehle fast alle Programme und darüber hinaus auch betriebssystem-ähnliche Funktionen sowie diverse Hilfsprogramme in größerem Umfang gelöscht worden. Die bereits vorhandenen Daten des Anwenders wären jedoch davon nicht berührt worden. Daß der Kläger noch während des aufrechten Dienstverhältnisses Dienstnehmer der beklagten Partei, die im Anwenderbereich tätig waren, hievon informiert hat, ist nicht erwiesen.

Nachdem der Kläger Anfang April 1987 dienstfrei gestellt worden war, beauftragte die beklagte Partei eine EDV-Beratungsfirma mit der Überprüfung der bei ihr vorhandenen Programme. Im Zuge der Überprüfung stellte der Überprüfer am 22.4.1987 die vom Kläger in den Programmen eingebauten Löschfunktionen fest und verständigte davon die beklagte Partei, welche nach Rückfrage bei ihrem Anwalt den Kläger mit am 23.4.1987 zur Post gegebenem Schreiben entließ. Die Unterinstanzen haben mit Recht in diesem Verhalten des Klägers (heimlicher Einbau der Löschroutinen) den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 letzter Fall AngG) erblickt. Wesentlich ist weder, ob zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag über die Computerprogramme zustandegekommen ist, für die mangels Einigung ein angemessenes Entgelt zu zahlen ist, noch ob es schlüssig zur entgeltlichen Einräumung einer Werknutzungsbewilligung kam. Auch wenn man davon ausgeht, daß der Kläger grundsätzlich berechtigt war, mangels Einigung über die Höhe des für die Programme zu zahlenden, dem Grunde nach unstrittigen Entgelts diese wieder abzuziehen und jedenfalls deren Weiterbenützung nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu untersagen, so ist doch die vom Kläger ohne Not gewählte Vorgangsweise - Einbau von Löschmechanismen ohne Wissen und Wollen der beklagten Partei - derart, daß sie geeignet ist, die Vertrauensbasis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer in einer derart gravierenden Weise zu erschüttern, daß der beklagten Partei trotz Dienstfreistellung die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ende der schon in Lauf gesetzten Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden konnte (9 Ob A 75/89). Der Arbeitgeber hatte die Programme in seinem Arbeitsablauf eingebaut, hiefür nicht unerhebliche Investitionen vorgenommen (neues Gerät) und durfte mit der Benutzung rechnen.

Bei der gegebenen Sachlage sind die Unterinstanzen zu Recht von keiner, nur prekaristischen Benützung der Programme durch die beklagte Partei ausgegangen, die den Kläger zur sofortigen unangekündigten Rücknahme der Programme und noch viel weniger zu deren Vernichtung (Löschung) berechtigt hätte.

Da der Kläger mangels Geltendmachung konkreter Ansprüche zur Abgeltung der Computerprogramme seine Forderung nicht fällig stellte, liegt ein Mitverschulden der beklagten Partei an der Entlassung schon aus diesem Grund nicht vor.

Bei der Frage der Überstundenentlohnung und der sich daraus angeblich noch ableitbaren offenen Lohnreste betreffend Sonderzahlungen geht der Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach die Parteien stillschweigend, aber einvernehmlich davon ausgingen, daß mit den vereinbarten Gehaltserhöhungen auch der Anspruch des Klägers auf Entgelt für die auch in Zukunft im wesentlich gleichen Ausmaß anfallenden Überstunden (ca. 60 pro Monat) abgedeckt sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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