OGH 3Ob544/90

OGH3Ob544/9029.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Kellner und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Linde S***, Private, Klagenfurt, Kinkstraße 36, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien

1.) Anton R***, 2.) Helmut P***, beide Graveure, beide Klagenfurt, Kramergasse 3 und vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 19.Jänner 1990, GZ 1 R 25/90-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Oktober 1989, GZ 14 C 473/89i-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.263,04 (darin S 543,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist (Allein-)Eigentümerin des Hauses Klagenfurt, Kramergasse 3, in dem die Beklagten im zweiten Stock ein 60 m2 großes Geschäftslokal, bestehend aus zwei Zimmern samt einem Vorraum unter Mitbenützung eines an diese Räume anschließenden Klosetts gemietet haben. Die Klägerin bewohnt selbst eine 105 m2 große Wohnung im vierten Stock, die aus Vorraum, vier Zimmern, Küche, Bad und WC besteht. Dipl.Ing. Alexander S***, der Sohn der Klägerin, ist seit November 1988 verheiratet und bewohnt mit seiner Ehegattin (und der im April 1989 geborenen Tochter) seit Oktober 1986 die etwa 57 m2 große Wohnung seiner Großtante Regina C*** in Klagenfurt, Christoph-Martin-Wielandstraße 23. Diese ist zwar damit einverstanden, es besteht aber kein Mietvertrag; sie selbst wird in absehbarer Zeit diese Wohnung nicht mehr benützen können, weil sie sich schon seit längerer Zeit im Landesnervenkrankenhaus Valduna in stationärer Behandlung befindet und dauernder Pflege und Unterstützung bedarf. Vermieterin der Wohnung Regina C*** ist die B***. Dipl.Ing. Alexander S*** ist nicht eintrittsberechtigt. In der Wohnung der Klägerin wohnt über das Wochenende auch deren Tochter, die in Wien studiert.

Das Erstgericht erklärte mit Zwischenurteil den von der Klägerin geltend gemachten Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG für das aufgekündigte Bestandobjekt der Beklagten vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung durch die klagende Partei als gegeben, weil für den Sohn der Klägerin Dipl.Ing. Alexander S*** und für seine Familie ein dringender Eigenbedarf vorliege.

Über Berufung der beklagten Parteien änderte das Berufungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil in eine Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, vertrat aber die Rechtsauffassung, daß weder zu besorgen sei, daß der Sohn der Klägerin und seine Familie in absehbarer Zeit obdachlos sein werde, noch daß die für das Vorliegen des Kündigungsgrundes erforderlichen notstandsähnlichen Wohnverhältnisse des Vermieters oder eines seiner Nachkommen in absteigender Linie vorlägen. Der Klägerin sei die Aufnahme ihres Sohnes samt seiner Familie in ihren Wohnverband durchaus zumutbar. Die daraus entstehenden Unbequemlichkeiten rechtfertigten nicht die Kündigung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG setzt einen nicht selbst verschuldeten dringenden Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Verwandten in gerader Linie voraus. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt JBl 1985, 238

= MietSlg 36.435/23; MietSlg 39.464 f ua) besteht kein Anhaltspunkt für ein neues, den geänderten Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt entsprechendes Verständnis des Gesetzgebers des MRG zur Definition des "dringenden" Eigenbedarfs als einer unabweislichen Notwendigkeit für den Vermieter, den vorhandenen Zustand so bald als möglich zu beseitigen, wobei dies nur durch Kündigung des bestehenden Mietverhältnisses möglich ist. Diese Rechtsprechung ist in jüngster Zeit kritisiert worden (vgl Gimpel-Hinteregger in JBl 1988, 16 ff und ihr folgend Würth-Zingher, Wohn- und Mietrecht Rz 47 zu § 30 MRG), weil sich am Wohnungsmarkt die der zitierten Rechtsprechung zugrunde liegenden Nachkriegsverhältnisse entscheidend geändert hätten. Diese Kritik übergeht zwar, daß schon die Rechtsprechung der Zwischenkriegszeit den von ihr angegriffenen Standpunkt vertreten hat (vgl MietSlg 12.433). Aber selbst bei einer milderen Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen für den Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfes wäre für den klägerischen Standpunkt nichts gewonnen, weil vage, in nicht absehbarer Zeit liegende Möglichkeiten nicht die jedenfalls geforderte Dringlichkeit erfüllen (vgl Gimpel-Hinteregger aaO, 26). Eine solche Dringlichkeit vermag die Revisionswerberin aber nicht darzustellen. Soweit sie von einer in Kürze drohenden Obdachlosigkeit des Sohnes ausgeht, entfernt sie sich von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, nach denen eine (hinsichtlich der Erfolgsaussichten fragliche) Kündigung der Wohnung der Großtante von deren Vermieter noch nicht einmal angedroht worden ist. Auf die weiteren Ausführungen über die Unzumutbarkeit der Aufnahme ihres Sohnes und seiner Familie in die eigene Wohnung war nicht mehr einzugehen, weil diesem eine Wohnmöglichkeit für absehbare Zeit zur Verfügung steht und damit ein dringender Eigenbedarf im Sinne des § 30 Abs 2 Z 9 MRG nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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