Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf
7 (sieben) Jahre
erhöht.
Die Berufung des Angeklagten wird auf diese Entscheidung
verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.Oktober 1946 geborene (beschäftigungslose) Johann P*** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs. 1, 86 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.September 1989 in Wien Harald W*** durch Versetzen mehrerer kraftvoller Fußtritte gegen dessen Oberkörper Körperverletzungen, nämlich Serienrippenbrüche, Lungenquetschungen, einen Einriß der rechten Niere und zahlreiche Einrisse im Bereich der Leber, zugefügt, was innerhalb kürzester Zeit zum Verbluten, sohin zu dessen Tod führten. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit beiden Rügen wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die subjektive Zurechenbarkeit des Todeserfolges im Rahmen des § 7 Abs. 2 StGB und verweist in diesem Zusammenhang auf die Angaben des Sachverständigen Prim. Dr. Heinrich G*** in der Hauptverhandlung, wonach sich der Angeklagte "in seinem damaligen Zustand", nämlich einer "hochgradigen Affekterregung und Alkoholisierung", den Eintritt des Todes nicht "vorstellen konnte" (AS 401). Die Mängelrüge (Z 5) behauptet, daß das Erstgericht diese Ausführungen mit Stillschweigen übergangen habe. Die Rechtsrüge (Z 10) bringt vor, daß das Gericht bei seinen - insoweit nicht völlig eindeutigen - Feststellungen von einer "fehlenden Vorhersehbarkeit" des Todeseintritts ausgehe und daher zu Unrecht das Verhalten des Angeklagten nach dem § 86 StGB qualifiziert habe (gemeint: als Verbrechen der schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach den §§ 83 Abs. 1, 86 StGB beurteilt). Rechtsrichtig wäre ein Schuldspruch "gemäß § 84 Abs. 1 StGB" zu fällen gewesen (Z 10).
Rechtliche Beurteilung
Die Rügen versagen.
Zum einen (Z 5) trifft nicht zu, daß der Schöffensenat die Angaben des Sachverständigen in der Hauptverhandlung mit Stillschweigen übergangen hat. Vielmehr konstatierten die Tatrichter ohnedies in Übereinstimmung mit der Ansicht des Sachverständigen und im Sinne der Ausführungen des Beschwerdeführers, daß der Angeklagte nicht daran dachte, daß durch die Tritte schwere Verletzungen entstehen könnten, "geschweige denn, daß dadurch der Tod des Harald W*** eintreten könnte" (AS 409; 419). Wer aber nicht daran denkt, daß sein (vorsätzliches) Verhalten den Tod des Opfers herbeiführen könnte, der sieht eine derartige Folge (subjektiv) auch nicht voraus. Damit ist allerdings für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen.
Denn für die subjektive Zurechenbarkeit der qualifizierenden Tatfolge (§ 7 Abs. 2 StGB) kommt es nur darauf an, daß der Angeklagte die Möglichkeit erkennen konnte (für ihn erkennbar war), daß sein Verhalten den Tod des Opfers in einer den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhanges entsprechender Weise nach sich zieht (SSt. 53/76; Leukauf-Steininger Komm.2, § 80 Rz 38; Burgstaller in WK § 86 Rz 9, § 6 Rz 82 und 85). Seine Alkoholisierung und die dadurch bewirkte Aggressivität und Enthemmung kann dabei allerdings nicht berücksichtigt werden, weil Beeinträchtigungen der subjektiven Vorhersehbarkeit außer Betracht bleiben und den Täter nicht entlasten können, wenn sie auf Mängel im emotionellen Bereich, wie Aggressivität und Alkoholmißbrauch, beruhen (SSt. 53/76 = RZ 1983/48 u.a.).
Entgegen dem Vorbringen in der Rechtsrüge (Z 10) hat das Erstgericht mit Recht auch das Vorliegen der subjektiven Zurechenbarkeit des Erfolges bejaht.
Die Anwendung des individuellen Fahrlässigkeitsmaßstabes ist im Bereiche des § 7 Abs. 2 StGB auf die subjektive Zurechenbarkeit des Erfolges konzentriert (Burgstaller, WK § 7 RN 22). Das Erstgericht ging zutreffend davon aus, der Angeklagte müsse lediglich allgemein voraussehen können, daß der Tod des Harald W*** in einer Weise zustande kommt, die den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhangs entspricht (Burgstaller, WK § 6 Rz 93, 94; § 86 Rz 7, 9), daß aber die Vorhersehbarkeit des konkreten Kausalverlaufs innerhalb dieses Rahmens nicht erforderlich ist (Burgstaller, WK § 6 Rz 94).
Eine Prüfung des Adäquanzzusammenhanges - die unmittelbar an den konkret eingetretenen Erfolg und den Kausalverlauf, der konkret zu diesem Erfolg geführt hat, anknüpft und also primär ex post orientiert ist (EvBl. 1987/142, JBl. 1988 S 395; Burgstaller, WK § 7 Rz 21, § 6 Rz 62, 63; in Pallin FS S 61) - ergibt, daß im vorliegenden Falle nicht (geschweige denn gänzlich) außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegt, daß heftige Fußtritte gegen Oberkörper (Rippenbereich) zu den im Urteil (S 410) beschriebenen Verletzungen und zum Tode führen können, was - wie das Erstgericht zutreffend konstatierte - dem Angeklagten nach seinen konkreten individuellen Verhältnissen zur Tatzeit (jedenfalls - wie oben dargestellt - unter Außerachtlassung seiner Alkoholisierung und der dadurch bedingten Enthemmung und Aggressivität) durchaus erkennbar war.
Auch das Vorliegen des Risikozusammenhanges ist zu bejahen: Die Erfolgsverletzung stellt sich als Verwirklichung gerade derjenigen Gefahr dar, welcher die übertretene Norm zum Schutze von Leib und Leben gezielt entgegenwirken soll und was auch für jedermann leicht erkennbar ist (vgl. JBl. 1984, S 327).
Da sohin für den Beschwerdeführer subjektiv der Eintritt des Todes des Harald W*** als Folge seiner Handlungsweise voraussehbar war, war daher die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann P*** zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 86 StGB zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung waren erschwerend das schwer getrübte Vorleben des Angeklagten mit vier einschlägigen Vorstrafen, die Ausnützung der Wehrlosigkeit des schwer alkoholisierten Opfers und die brutale Vorgangsweise, mildernd hingegen das reumütige Geständnis und die hochgradige Affekterregung zum Tatzeitpunkt.
Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe an, während der Angeklagte eine Strafmilderung begehrt.
Lediglich der Berufung des Anklägers kommt Berechtigung zu. Die Staatsanwaltschaft weist mit Recht darauf hin, daß das Erstgericht zu wenig darauf Bedacht genommen hat, daß der Angeklagte nicht nur die Wehrlosigkeit seines Opfers ausnützte, sondern Harald W*** auch an einen Ort verbrachte, wo er diesen - ohne daß ein Eingreifen anderer Personen zu erwarten war - ungestört attackieren konnte. Dies weist in Verbindung mit dem Vorleben des Angeklagten und der offenbaren Erfolglosigkeit vorangegangener empfindlicher Abstrafungen auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten in hohem Maß gleichgültige Einstellung hin, was bei Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehalts der Tat doch erheblich ins Gewicht fällt. Erst die im Spruch ersichtliche Strafe trägt den im § 32 StGB normierten Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung.
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