OGH 5Ob64/90

OGH5Ob64/9028.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei Gordana L***, Wien 5., Embelgasse 45/5, vertreten durch Franz S***, Sekretär des Vereins Mieter informieren Mieter "MIM", Wien 15., Lörgasse 13/20, wider die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei Rosa S***, Hauseigentümerin, Wien 5., Embelgasse 45/8, vertreten durch Dr.Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 5 Abs 2, § 37 Abs 1 Z 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 15.Mai 1990, GZ 41 R 350/90-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.April 1990, GZ 43 Msch 7/90-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit der Behauptung, sie sei seit 1.1.1982 Hauptmieterin der Wohnung top Nr 5 in dem der Antragsgegnerin gehörenden Haus Wien 5., Embelgasse 45, trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs 2 MRG weigere sich die Antragsgegnerin, ihr die per 31.1.1989 freigewordene Nachbarwohnung top Nr 6 in diesem Haus zur Zumietung im Sinne der genannten Gesetzesstelle anzubieten, es stehe zu befürchten, daß die Antragsgegnerin die Wohnung top Nr 6 an einen gutgläubigen Dritten vermieten werde, beantragte die Antragstellerin vor der Schlichtungsstelle, der Antragsgegnerin (mittels Sachbeschlusses) aufzutragen, ihrer Anbotspflicht nachzukommen, und mittels einstweiliger Verfügung zu untersagen, vor der Entscheidung über diesen Antrag die Wohnung top Nr 6 an Dritte zu vermieten. Die Antragsgegnerin wendete ein, daß sie die Wohnung der Antragstellerin deswegen nicht zur Zumietung anbiete, weil sie aus eigenen Mitteln eine Kategorieanhebung durchführen werde. Das nach § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es erachtete nach Einvernahme der Parteien als bescheinigt: Die Antragstellerin sei Hauptmieterin der Substandardwohnung top Nr 5. Die Antragsgegnerin sei nicht bereit, der Antragstellerin die derzeit nicht vermietete Substandardwohnung top Nr 6 zur Zumietung anzubieten. Sie habe vielmehr schon alles in die Wege geleitet, um diese Wohnung herzurichten, damit sie an Dritte vermietet werden könne. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, auf Grund des bescheinigten Sachverhaltes drohe der Antragstellerin ein unwiederbringlicher Schaden; sei die Wohnung top Nr 6 einmal an einen Dritten vermietet, dann sei die Anmietung dieser Wohnung durch die Antragstellerin nicht mehr möglich. Das Rekursgericht wies den Antrag auf Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte zusammengefaßt aus:

Voraussetzung für die Entstehung und Durchsetzung der in § 5 Abs 2 MRG normierten Anbotspflicht des Vermieters im Sinne eines gesetzlich statuierten Vormietrechtes sei das Anbot an einen Dritten. Die Anbotspflicht entstehe nur bei beabsichtigter Vermietung; bei Leerstehenlassen der freigewordenen Wohnung bestehe noch keine Anbotspflicht. Da die Antragstellerin ihrem Antrag nur dieses Unvermietetlassen zugrunde gelegt habe, habe sie in Wahrheit einen Sachverhalt, der eine ihr gegenüber bestehende Anbotspflicht ausgelöst hätte, nicht behauptet. Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sei daher mangels Anspruchsbehauptung abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht berechtigt. Wird eine Wohnung der Ausstattungskategorie D durch Beendigung des Mietverhältnisses frei und ist es baurechtlich zulässig und bautechnisch möglich und zweckmäßig, diese Wohnung mit einer Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D zu einer Wohnung der Ausstattungskategorie C mit einer Nutzfläche bis zu 90 m2 zu vereinigen und umzugestalten, so hat der Vermieter gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 MRG die freigewordene Wohnung vor der Vermietung an einen Dritten dem Hauptmieter einer zur Anhebung des Standards geeigneten Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D zur Zumietung und Umgestaltung in eine Wohnung der Ausstattungskategorie C gegen Entrichtung des für die so vergrößerte Wohnung nach § 16 Abs 2 Z 3 und Abs 4 MRG berechenbaren Hauptmietzinses anzubieten, es sei denn, daß der Vermieter die durch Beendigung des Mietverhältnisses freigewordene Wohnung der Ausstattungskategorie D durch sonstige bautechnische Maßnahmen (§ 4 Abs 2 Z 4 oder 5 MRG) in eine Wohnung der Ausstattungskategorie C verbessert. Der Regelung liegt das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, unter Wahrung der "sozialen Symmetrie" Vermieter und Mieter zu sinnvollen Standardverbesserungen zu motivieren (EvBl 1985/109 = MietSlg XXXVI/39), wobei das Schwergewicht auf der Standardverbesserung und nicht auf dem Zumietungsrecht des Mieters der Nachbarwohnung liegt; dieses Recht steht im Dienst der primär angestrebten Standardverbesserung und wurde vom Gesetzgeber daher auch nur für den Fall eingeräumt, daß die Standardverbesserung auf andere Weise nicht durchgeführt werden kann (ImmZ 1989, 475). Die Anbotspflicht des Vermieters wird nicht durch das Freiwerden der Wohnung allein ausgelöst, sie entsteht erst "vor der Vermietung an einen Dritten". Dem Vermieter steht es frei, die Wohnung leer stehen zu lassen oder selbst zu benützen oder über sie anders als durch Vermietung an einen Dritten - etwa durch unentgeltliche Überlassung, Einräumung eines Wohnungsrechtes, Begründung von Wohnungseigentum - zu verfügen (Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 217; Schuppich, Die Neuordnung des Mietrechts 91; Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 5 MRG;

Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 4 zu § 5 MRG;

Call-Tschütscher, MRG 103), in welchen Fällen die Anbotspflicht ebensowenig gegeben ist wie dann, wenn der Vermieter die Kategorie der Wohnung selbst auf mindestens C anhebt (Würth-Zingher aaO) oder anzuheben beabsichtigt (Call-Tschütscher aaO 103 f). Solange der Vermieter unschlüssig ist, hat niemand ein Recht auf ein Anbot (so für den Fall, daß der Vermieter unschlüssig ist, ob er wieder vermieten will oder nicht, Krejci aaO). Selbst wenn sich der Vermieter bereits grundsätzlich zur Weitervermietung entschlossen hat, sein Wille aber noch nicht rechtlich relevant geworden ist, besteht keine Anbotspflicht. Die Situation ähnelt der Ausübung des Vorkaufsrechtes. Die Anbotspflicht des Vermieters nach § 5 Abs 2 MRG entsteht erst dann, wenn ein - zweckmäßigerweise bedingt geschlossener - Mietvertrag mit einem Dritten oder doch ein bindendes Angebot eines Dritten, die freigewordene Wohnung zu mieten, vorliegt und der Wille des Vermieters, den Vertrag zu schließen, manifestiert ist (Krejci aaO 217 f mit Hinweisen auf die Lehre und Rechtsprechung zu § 1072 ABGB; vgl nunmehr Aicher in Rummel, ABGB2, Rz 13 f zu § 1072; aM offenbar Call-Tschütscher aaO 103 f, die für die Entstehung der Anbotspflicht die Absicht des Vermieters, die freigewordene Wohnung an einen Dritten zu vermieten, genügen lassen).

Beurteilt man das beiderseitige Parteienvorbringen und den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten, so ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß das Bestehen einer Anbotspflicht der Antragsgegnerin, deren Durchsetzung durch die beantragte einstweilige Verfügung gesichert werden soll, weder behauptet noch bescheinigt worden ist. Daß die Antragsgegnerin alles in die Wege geleitet hat, um die Wohnung top Nr 6 herzurichten, damit diese an Dritte vermietet werden kann, ließ ihre Anbotspflicht noch nicht entstehen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin den Standard der freigewordenen Wohnung nicht ohnehin - wie sie behauptet - zumindest auf C anheben will, in welchem Fall ihre Anbotspflicht ebenso zu verneinen wäre. Dem Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.

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