OGH 11Os74/90

OGH11Os74/908.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hassenbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nevzat C*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 10. Mai 1990, GZ 21 Vr 1.018/89-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Jerabek und des Verteidigers Dr. Kutschera, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seiner gesetzlichen Vertreter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.August 1973 geborene, mithin jugendliche türkische Staatsangehörige Nevzat C*** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Frühjahr 1989 und in der Nacht zum 27.Juni 1989 in Bludenz mit der am 17.August 1976 geborenen (unmündigen) Sermin A*** den Geschlechtsverkehr vollzog. Eine vorläufige Verfahrenseinstellung nach dem § 9 JGG n.F. erachtete das Jugendschöffengericht im Hinblick auf die fehlende Betroffenheit des Angeklagten über sein Fehlverhalten und die mangelnde Bereitschaft, hiefür schuldaufarbeitend einzustehen, aus spezialpräventiven Gründen für nicht gerechtfertigt (US 9).

Rechtliche Beurteilung

Der auf die Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklgten, in der er ins Treffen führt, das Erstgericht statuiere eine gesetzlich nicht vorgesehene Verpflichtung zur geständigen Verantwortung, kommt keine Berechtigung zu.

Zu den - kumulativen - Voraussetzungen einer vorläufigen Verfahrenseinstellung nach dem § 9 JGG zählt auch das Fehlen von Umständen, die aus spezialpräventiver Sicht eine Bestrafung verlangen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Verantwortung des Angeklagten - auch angesichts des Alters des Tatopfers von nur etwa 12 1/2 Jahren - aber tatsächlich Bedeutung zu; läßt doch die daraus erkennbare Tendenz einer Bagatellisierung derartiger Geschlechtsbeziehungen zu einer Unmündigen die Annahme des Erstgerichtes als begründet erkennen, daß hier eine Bestrafung (zur Besserung des Täters) geboten ist: So betrachtet war es sachgerecht und dem Gesetz entsprechend, dem Angeklagten das Verbotene seines Tuns durch eine Verurteilung vor Augen zu führen, um ihn auf diese Weise von gleich motivierter Straffälligkeit abzuhalten (vgl SSt 47/2). Da demnach eine vorläufige Verfahrenseinstellung schon aus spezialpräventiven Erwägungen nicht zulässig ist, bedarf es keiner näheren Erörterung, ob auch der zu Tage getretene Handlungs- und Gesinnungsunwert der inkriminierten Tat der Annahme nicht schwerer Schuld im Sinn des § 9 Abs. 1 JGG widerstreitet. Der Nichtigkeitsbeschwerde war sohin - wie auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt - ein Erfolg zu versagen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten eine - für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die Tatwiederholung als erschwerend, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des gut sozial integrierten, arbeitsamen Angeklagten und seine schwierige psychische Situation als mildernd. Der Berufung des Angeklagten kommt zwar nicht insoweit, als er eine Anwendung der §§ 12 oder 13 JGG anstrebt - dagegen sprechen die schon erwähnten spezialpräventiven Erwägungen -, Berechtigung zu, wohl aber dahin, daß das Strafausmaß erheblich herabzusetzen war. Bei den vom Erstgericht konstatierten Strafzumessungsgründen und unter Beachtung des Umstandes, daß der Angeklagte wegen seiner Tat den Arbeitsplatz verlor (S 13) und von seinem Vater sogar mißhandelt wurde (AZ U 267/89 des Bezirksgerichtes Bludenz), erscheint eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten zur Ahndung der Verfehlung des jugendlichen Angeklagten vollkommen hinreichend.

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