OGH 11Os55/90

OGH11Os55/908.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hassenbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Velibor S*** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Velibor S*** und Borivoy I*** sowie die Berufung des Angeklagten Mihajilo S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Juli 1989, GZ 6 b Vr 7.522/85-112, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Stöger, der Angeklagten Velibor S*** und Borivoy I*** und der Verteidiger

Dr. Romig und Dr. Zauner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Mihajilo S*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Sämtlichen Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Velibor S***, Borivoy I*** und Mihajilo S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden neben anderen Angeklagten der am 1.April 1950 geborene Velibor S***, der am 23. Juli 1951 geborene Borivoj I*** und der am 18.September 1954 geborene Mihajilo S*** des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach mißbrauchten sie in der Zeit von Mitte 1982 bis März 1985 in Wien ihre ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, einen anderen zu verpflichten, wissentlich und fügten der Firma H*** GesmbH einen 25.000 S übersteigenden Vermögensnachteil dadurch zu, daß sie als Bevollmächtigte diese Firma in wiederholten Angriffen anläßlich des Bezuges von Dieseltreibstoff bei der Tankstelle E.S. M*** GesmbH zur Bezahlung einer größeren als der tatsächlich getankten Treibstoffmenge verpflichteten; der hiedurch herbeigeführte Schaden beträgt bei Velibor S*** 61.213 S, bei Borivoj I*** 57.693 S und bei Mihajilo S*** 76.057 S.

Diesen Schuldspruch fechten die Angeklagten S*** und I*** mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden an; S*** macht die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 9 lit b, I*** jene der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO geltend. Den Strafausspruch bekämpfen diese beiden Angeklagten und der Angeklagte S*** mit Berufung.

Nach den - im Rahmen der Anfechtung

wesentlichen - Urteilsfeststellungen trafen die drei Rechtsmittelwerber und andere bei der Fa. H*** GesmbH beschäftigte Kraftfahrer ab Mitte 1982 mit den Tankwarten der Firma E.S. M*** GesmbH, bei deren Tankstelle in Wien sie regelmäßig gegen Unterfertigung eines Lieferscheines tankten, eine Vereinbarung, wonach sie Süßigkeiten, Getränke, Zigaretten, Autozubehör, Kaffeegutscheine, aber auch Bargeld aus dem Verkaufsstand der Tankstelle entnehmen konnten und diese Waren der Fa. H*** GesmbH in Rechnung gestellt wurden. Es wurde weiters vereinbart, daß der Gegenwert der zu Unrecht der Fa. H*** GesmbH zu viel verrechneten Treibstoffmengen im Verhältnis von 70 % (Kraftfahrer): 30 % (Tankwarte) geteilt werde. Durch diesen wissentlichen Mißbrauch der ihnen eingeräumten Befugnis schädigten die Kraftfahrer ihre Dienstgeberfirma H*** GesmbH um insgesamt

812.341 S; der von jedem einzelnen Kraftfahrer durch Unterfertigung der Lieferscheine verursachte Schaden wurde im Urteilstenor (wie oben ausgeführt) festgestellt. Darüber hinaus konstatierten die Tatrichter, daß einige Angeklagte, bevor die Behörde von ihrem Verschulden erfuhr, ratenweise "Schadensgutmachungsvereinbarungen" getroffen und dann auch eingehalten hatten, wobei der Angeklagte S*** einen Betrag von 9.000 S, der Angeklagte S***

einen Betrag von 35.000 S und der Angeklagte I*** einen Betrag von 4.000 S bezahlte (S 242, 243/II).

Das Schöffengericht berief sich bei Feststellung der durch die Malversationen zu Lasten der Fa. H*** GesmbH entstandenen Schadenshöhe auf das "fundierte und unbedenkliche" Gutachten des Sachverständigen (ON 38), das zugunsten der Angeklagten nicht von der Berechnung des Zeugen Bruno T*** (ON 19, S 214, 219-225, 447/I und S 152/II), sondern von Mindestbeträgen ausgegangen sei (S 243, 244/II).

Rechtliche Beurteilung

Diese Begründung findet der Angeklagte S*** als

unzureichend (Z 5), weil sie nicht auf die ergänzenden Erklärungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung eingehe, wonach seine Berechnungen mit Unsicherheitsfaktoren behaftet seien (S 211/II). Dem ist zu entgegnen, daß das Schöffengericht seiner Verpflichtung, die Gründe für die Schadensfeststellung anzugeben (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), zureichend nachkam, wenn es auf das schriftlich erstattete, die Berechnungsmethode darstellende und in der Hauptverhandlung erläuterte Gutachten des Sachverständigen Bezug nahm und den Inhalt dieses Gutachtens ausdrücklich zur Feststellungsgrundlage erhob. Ein derartiger Akt der Beweiswürdigung entzieht sich der Bekämpfung im Rahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Dem ebenfalls unter Anrufung dieses formellen Nichtigkeitsgrundes erhobenen Einwand des Angeklagten I***, daß er nach der Aktenlage und den Ergebnissen des Beweisverfahrens der Kassa der Tankstelle niemals Bargeldbeträge entnommen habe, die in der Folge der Firma H*** GesmbH in Rechnung gestellt worden seien, ist die im Urteilsspruch (der mit der Begründung eine Einheit bildet) angelastete Tathandlung entgegenzuhalten. Demgemäß schädigte er seinen Dienstgeber, indem er ihn in mißbräuchlicher Ausübung seiner ihm als Chauffeur übertragenen Befugnisse durch Bestätigung überhöhter (teilweise nicht gelieferter) Treibstoffmengen in den Lieferscheinen zur Bezahlung von (im Urteilsspruch ausgeworfenen) Mehrbeträgen verpflichtete. Die Konstatierung, die diesem Befugnismißbrauch zugrundeliegende Vereinbarung habe dahin gelautet, daß neben verschiedenen Waren auch Bargeldbeträge überlassen werden, sagt noch nichts darüber aus, wer von den Angeklagten auch tatsächlich Bargeld entnahm. Im übrigen kommt diesem Umstand auch keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil § 153 StGB bloß auf die vorsätzliche Zufügung von Vermögensnachteilen abstellt, die dem Machtgeber durch den Befugnismißbrauch entstanden, wogegen es ohne rechtliche Bedeutung ist, ob und in welcher Form sich die einzelnen Angeklagten persönlich bereicherten.

Dem Vorbringen der beiden Beschwerdeführer in ihren Tatsachenrügen (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus den akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten Schadensermittlung durch den Sachverständigen, der, ohne daß ihm konkrete Einwände entgegengesetzt werden konnten, zu Gunsten der Angeklagten ohnehin von Mindestbeträgen, die weit unter der Berechnung der Dienstgeberfirma lagen, ausging. Die Beschwerdeführer übersehen hiebei auch, daß die Strafprozeßordnung zur Höhe eines durch eine Straftat verursachten Schadens grundsätzlich die Schätzung des Geschädigten genügen läßt und nur in Ausnahmefällen die Ermittlung durch Vernehmung von Zeugen oder von Sachverständigen vorsieht (§§ 99, 248 StPO), wobei in vielen Fällen, insbesondere wenn es an exakten Berechnungsgrundlagen fehlt, auch dem Sachverständigen nur der Weg einer nach objektiven Kriterien vorzunehmenden Schätzung offen bleibt (§ 369 Abs 2 StPO).

Soweit der Angeklagte I*** darüber hinaus einen Verfahrensmangel (Z 4) darin erblickt, daß die von ihm in der Hauptverhandlung vom 11.November 1988 beantragte Ergänzung des Gutachtens unter Heranziehung eines anderen Vergleichszeitraumes (S 161/II) unterblieb (vgl. hiezu auch ON 105/II), ist er darauf zu verweisen, daß er diesen Antrag in der letzten wegen Zeitablaufs neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 5.Juli 1989 nicht wiederholte (ON 110/II), so daß es insoweit schon an der prozessualen Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes gebricht.

Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert der Angeklagte S*** den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue, weil er seiner Meinung nach den ganzen, aus seiner Tat entstandenen Schaden durch Einhaltung der Ratenverpflichtung gutgemacht habe (§ 167 Abs 2 Z 1 StGB).

Damit übergeht der Beschwerdeführer zunächst die eindeutige (Urteils-) Feststellung, daß der allein durch ihn verschuldete Vermögensnachteil der Fa. H*** GesmbH den Betrag von 9.000 S weit übersteigt, so daß von einer Gutmachung des ganzen Schadens keine Rede sein kann.

Der Rechtsrüge kommt aber auch dann keine Berechtigung zu, wenn man - wie die Beschwerde es unter Hinweis auf die unklar formulierten Feststellungen tut - von einer Vereinbarung zur Bezahlung von 9.000 S an damals vermeintlichem (Gesamt-) Schaden ausgeht, weil ein strafbefreiender Vergleichsabschluß iS des hier offensichtlich relevierten § 167 Abs 2 Z 2 StGB so lange nicht möglich ist, so lange die Schadenshöhe nicht feststeht; eine solche Vereinbarung muß eben die Gutmachung des gesamten durch die fortgesetzten Untreuehandlungen verschuldeten Schadens innerhalb eines festgelegten Zeitraumes beinhalten (Mayerhofer-Rieder3 E 50 bis 54 zu § 167 StGB). Entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers könnte darum eine Ratenvereinbarung über einen Teil des verursachten Schadens auch dann keine strafaufhebende Wirkung entfalten, wenn die Fa. H*** damals irrtümlich ihren Schaden zu gering beziffert hätte. Unter dem Gesichtspunkt eines allenfalls mit dieser Rechtsrüge (zur Problematik vgl. EvBl 1984/128) relevierten Feststellungsmangels sei abschließend erwähnt, daß der Zeuge Bruno T*** zum Zeitpunkt seiner Aussprache mit dem Angeklagten S*** von der Schadenshöhe keine Kenntnis hatte, daher auch keinen bestimmten Schadenersatzbetrag forderte, sondern sich auf das (nicht tatsachengerechte) Schadensanerkenntnis des Beschwerdeführers stützte (S 42, 182, 450/I, S 154/II). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB die Angeklagten S*** und I*** zu

einer Freiheitsstrafe von je sechs Monaten und den Angeklagten S*** zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, wobei sämtliche Freiheitsstrafen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Bei der Strafbemessung wertete es bei sämtlichen Angeklagten die wiederholten Angriffe als erschwerend, als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Teilgeständnis und die teilweise Schadensgutmachung, sowie das längere Zurückliegen der Straftaten.

Die Angeklagten S*** und I*** begehren mit ihren

Berufungen die Herabsetzung der (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen oder die Verhängung von Geldstrafen, wobei S*** - nicht aber I*** - im Gerichtstag auch die Zustimmung erteilte, daß anstatt der bedingten Freiheitsstrafe eine unbedingte Geldstrafe verhängt werde (§ 295 Abs 2 StPO). Der Angeklagte S*** führte seine nach der Urteilsverkündung angemeldete (nur als Bekämpfung der Strafzumessung deutbare) Berufung weder schriftlich noch mündlich aus.

In Anbetracht der nach reiflicher Überlegung durch relativ lange Zeit fortgesetzten deliktischen Handlungen, die bei jedem einzelnen Berufungswerber einen erheblich über der Wertgrenze von 25.000 S liegenden strafrechtlich relevanten Schaden zur Folge hatten, ist das vom Schöffengericht nach jeweiliger Schadenshöhe abgestufte Strafausmaß vollkommen schuldangemessen (§ 32 StGB). Auch bei den Angeklagten S*** und I***, die keine sechs Monate übersteigenden Strafen erhielten, stehen general- und spezialpräventive Bedenken der Verhängung von (wenn auch unbedingten) Geldstrafen entgegen (§ 37 Abs 1 StGB). Es war daher sämtlichen Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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