OGH 15Os77/90

OGH15Os77/907.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald K*** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22.Mai 1990, GZ 11 Vr 2999/89-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten Harald K*** und des Verteidigers Dr. Forcher zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtenen Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Der Polizeioberst Harald K*** wurde von der Anklage, er habe am und nach dem 29.Oktober 1988 als Leitender Beamter der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten öffentlichen Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er die zuständige Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz über die seit 29. Oktober 1988 verschärfte Verdachtslage gegen Karl-Heinz A*** nicht informierte, und hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Staatsanwaltschaft aus den Nichtigkeitsgründen der Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist in folgendem Umfang begründet:

Zur Verfahrensrüge (Z 4) fehlt allerdings schon die Formalvoraussetzung des Vorbehaltes der Nichtigkeitsbeschwerde durch den öffentlichen Ankläger (§ 281 Abs. 3 StPO) nach Verkündung des abweislichen Zwischenerkenntnisses.

Ausgehend von der in seiner Funktion als "erster leitender Kriminalbeamter" der Bundespolizeidirektion Graz (ON 19, S 66 dA), also amtlich erlangten Kenntnis vom Verdacht des Inverkehrsetzens oder der Überlassung von Suchtgift durch Karl-Heinz A*** und der Erfolglosigkeit der Erhebungen durch die Suchtgiftgruppe, ist aber - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend geltend macht - die für den Freispruch maßgebliche Überlegung des Erstgerichtes, daß dem Angeklagten die späteren Informationen über die verschärfte Verdachtslage am 29.Oktober 1988 außerdienstlich zukamen und deshalb für ihn keine Verpflichtung zum dienstlichen Einschreiten bestanden hätte, verfehlt:

Eine Verpflichtung zum kriminalpolizeilichen Einschreiten desjenigen, dessen Unterlassen (§ 2 StGB) einen Befugnismißbrauch im Sinne des § 302 StGB darstellt, bestünde nur dann nicht, wenn das Wissen um die Anlaß zur Amtshandlung gebenden Umstände vom Beamten ausschließlich privat erworben worden wäre (vgl. 15 Os 3/90; Bertel im WK § 302 StGB Rz 75, 77 f). Vorliegend wurde aber die Handlungspflicht (§ 2 StGB) des Angeklagten als zur Aufdeckung, Aufklärung und Anzeige gerichtlich strafbarer Handlungen an die Strafverfolgungsbehörde verpflichteten leitenden Kriminalbeamten einer Bundespolizeidirektion (vgl. Bertel aaO Rz 75, 76) schon durch die in amtlicher Eigenschaft bereits erlangte Kenntnis von der Verdachts- und Beweislage ausgelöst. In Verfolgung dessen wäre der Angeklagte daher in seiner amtlichen Funktion weiters verpflichtet gewesen, sein späteres, wenn auch privat, erworbenes Wissen über zusätzliche Verdachtsgründe - nämlich die von einem Casinobediensteten gegenüber dessen Vorgesetzten gemachten Angaben, wonach Karl-Heinz A*** die Frau des ersteren mit Suchtgift versorgt hätte - entsprechend konsequent weiterzugeben. Der auf das Fehlen einer Garantenstellung (§ 2 StGB) gestützte Freispruch des Angeklagten ist somit rechtsirrig und daher nichtig im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO.

Begründete Feststellungen zur inneren Tatseite des Amtsmißbrauchs - Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB) des Befugnismißbrauchs und (wenigstens bedingter) Schädigungsvorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) - enthält das Ersturteil nicht. Zu Recht macht die Beschwerdeführerin in bezug auf die am Ende der rechtlichen Beurteilung im Ersturteil aufscheinende, offenbar den Schädigungsvorsatz betreffende, aber jeglicher Begründung in tatsächlicher Hinsicht (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) entbehrende, Annahme einer durch "Schlamperei oder Gleichgültigkeit gesetzten Fehlhandlung" auch Begründungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) geltend. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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