OGH 15Os70/90

OGH15Os70/907.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz F*** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des teilweise vollendeten, teilweise versuchten Diebstahles durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 26.März 1990, GZ 12 Vr 1154/89-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet (§ 285 i StPO).

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurde Franz F*** unter anderem des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt E./1.) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 9.Februar 1990 in Zeltweg Walter S*** durch Versetzen mehrerer Ohrfeigen und Fußtritte sowie durch Würgen am Körper verletzt, wobei die Tat Prellungen und Abschürfungen im Gesicht des Genannten zur Folge hatte.

Nur dieses Urteilsfaktum wird von der Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z 5, 7 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO bekämpft, mit welcher sie sich gegen die - vom Anklagevorwurf in Richtung der §§ 15, 142 Abs. 1 StGB abweichende - Beurteilung des Tatverhaltens als bloßes Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB durch das Erstgericht wendet.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht behauptet die Beschwerdeführerin in der Mängelrüge (Z 5) zunächst das Vorliegen eines Widerspruchs zwischen dem Urteilsspruch und den Entscheidungsgründen. Soweit sie entsprechende Ausführungen in den Gründen über den im Urteilstenor aufscheinenden Umstand vermißt, daß der Angeklagte F*** das Tatopfer auch durch Versetzen von Fußtritten mißhandelt hat, betrifft ihre Argumentation keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Denn das (zusätzliche) Versetzen von Fußtritten zum Versetzen von Ohrfeigen stellt kein relevantes Tatbestandsmerkmal für die in der Beschwerde angestrebte rechtliche Beurteilung der Tat als Raub dar.

Nicht anders verhält es sich mit den nur in den Entscheidungsgründen angeführten drohenden Äußerungen des Angeklagten F*** (US 13 und 15), weil die Aufnahme dieser vom Erstgericht nach Lage des Falles erkennbar als bloße Ankündigungs- bzw. Begleithandlungen der vorliegenden Körperverletzung gewerteten und gegenüber dieser daher (als Fall scheinbarer Realkonkurrenz) nur subsidiären Drohungen in den Urteilstenor entbehrlich war (vgl. dazu Leukauf-Steininger StGB2, § 107, RN 11 und Mayerhofer-Rieder, StGB3, § 107, ENr. 11 bis 13). Aktenwidrig ist der Beschwerdeeinwand, der gegenständliche Schuldspruch wäre deshalb mit einem inneren Widerspruch behaftet, weil die als erwiesen angenommenen Schläge gegen das Gesicht des Tatopfers keine Verletzungen im Halsbereich nach sich ziehen und damit auch nicht als Tathandlungen (bloß) im Sinne des § 83 Abs. 1 StGB angesehen werden könnten; werden in der Beschwerde damit doch jene Urteilsausführungen, nach denen der erwähnte Angeklagte gegen Walter S*** - neben anderen Aggressionshandlungen - auch einen Würgeangriff gerichtet hat (US 6 und 15), übergangen. Unzutreffend ist, daß vom Erstgericht wesentliche Angaben des Angeklagten F*** und des Tatopfers mit Stillschweigen übergangen worden wären. Vielmehr haben die Tatrichter auf Grund der Vorgeschichte der gegenständlichen Tat sowie der - jedenfalls Raubvorsatz in Abrede stellenden - Einlassung des Angeklagten F*** im Vorverfahren (S 128, 170), sohin ohne Vernachlässigung maßgebender Verfahrensergebnisse und mit denkmöglicher Begründung, die in der Hauptverhandlung vorgebrachte Version dieses Angeklagten, Walter S*** nur aus Verärgerung über dessen mangelnde Bereitschaft zu der erhofften Darlehensgewährung attackiert zu haben (S 180), für nicht widerlegt erachtet. Daß das Schöffengericht demgemäß auch der Tatschilderung des Angeklagten F*** und nicht des S*** gefolgt ist, ergibt sich hieraus von selbst, eine weitere Erörterung des Vorbringens der Genannten war daher entbehrlich (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO).

Als gleichfalls nicht stichhältig erweist sich das Beschwerdevorbringen, daß das Erstgericht mit dem vorliegenden Urteil die Anklage deshalb nicht erledigt hätte (Z 7), weil es zwar (verbale) Drohungen des Angeklagten F*** gegenüber dem Tatopfer ausdrücklich als erwiesen angenommen, sich jedoch mit diesem (gleichfalls inkriminierten) Tatverhalten darüber hinaus nicht weiter befaßt habe. Eine Anklage wird nämlich nur dann nicht erledigt, wenn das Gericht seiner Entscheidung eine Tat nicht zugrunde legt, die Gegenstand der Anklage war. Den Anklagegegenstand bildet dabei jenes Verhalten, das in der Anklagebegründung erzählt wird, weil es nach Ansicht des berechtigten Anklägers strafrechtlich bedeutsam ist.

Im gegenständlichen Fall legt die Staatsanwaltschaft Franz F*** das - aus den Elementen von Nötigung und Diebstahl zusammengesetzte - Delikt des Raubes zur Last (vgl. dazu Kienapfel, BT II2, § 142 StGB, Rz 7 ff), weshalb die Frage nach der Täterschaft des Angeklagten an dieser insgesamt zu beurteilenden deliktischen Verhaltensweise den maßgebenden Gegenstand für die Entscheidung des Schöffengerichtes darstellte. Über diesen Anklagevorwurf hat aber das Erstgericht im vollen Umfang erkannt und damit die Anklage ordnungsgemäß erledigt. Daß es dabei die inkriminierte Tat im Rahmen der ihm obliegenden tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung schon in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zum Teil anders als die Anklagebehörde beurteilte, damit auch zu einer von dieser abweichenden rechtlichen Bewertung - insbesondere in subjektiver Hinsicht - gelangte und demgemäß das Tatverhalten des Angeklagten nicht dem Tatbestand des Raubes, sondern bloß dem der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB unterstellte, begründet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine Nichtigkeit, weil hiedurch die Identität zwischen dem - als Urteilsgrundlage maßgeblichen - historischen Anklagesachverhalt (§§ 262 und 267 StPO) und dem Anklagefaktum nicht verloren geht und das Gericht gemäß § 267 StPO an die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene rechtliche Qualifikation nicht gebunden ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2, § 281 Z 7, ENr. 2 und 13, sowie § 262, ENr. 76; ferner Foregger-Serini, StPO4, § 262 Erl. I). Da das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt dafür ergab, daß der Angeklagte F*** die Drohungen in der Absicht äußerte, S*** in Furcht und Unruhe zu versetzen, war das Gericht nicht gehalten, die festgestellten Drohungen diesbezüglich einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Die Subsumtionsrüge (Z 10), in deren Ausführung behauptet wird, daß der Angeklagte F*** auch schon nach den Feststellungen des Erstgerichtes die vorliegende Tat mit Bereicherungs- und Nötigungsvorsatz verübt habe, weshalb sein Verhalten rechtsrichtig als Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB zu beurteilen gewesen wäre, läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen: Denn mit dieser an den Urteilsannahmen nicht festhaltenden Argumentation übergeht die Beschwerdeführerin die ein Handeln des Angeklagten F*** mit Raubvorsatz (im angefochtenen Urteil ist rechtlich verfehlt von Raubabsicht die Rede) verneinenden Feststellungen der Tatrichter.

Die teils unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nihtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

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