OGH 6Ob616/90 (6Ob617/90)

OGH6Ob616/90 (6Ob617/90)12.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als Richter in den verbundenen Rechtssachen a) der klagenden Partei Ludwig H***, Landwirt, Mühlbach, Mühlberg 8, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Eberhard M***, technischer Angestellter, Putzbrunn, Hermann Oberthstraße 12, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung und b) der klagenden Parteien 1. Eberhard M***, technischer Angestellter, und 2. Barbara M***, Vertriebssekretärin, beide wohnhaft in Putzbrunn, Hermann Oberthstraße 12, beide vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ludwig H***, Landwirt, Mühlbach, Mühlberg 8, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Abgabe einer Vertragserklärung (Streitwert 52.000 S), I. infolge Rekurses der Barbara M*** gegen den in die Urteilsausfertigung aufgenommenen berufungsgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 28.März 1990, GZ 21 R 67/90-25, mit dem die Berufung der Rekurswerberin gegen das Teilurteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 31.August 1989, GZ 2 C 779/88f-20, zurückgewiesen wurde, und II. infolge Revision des Eberhard M*** und der Barbara M*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 28.März 1990, GZ 21 R 67/90-25, womit infolge Berufung des Eberhard M*** das Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 31.August 1989, GZ 2 C 799/88f-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung die

Beschlüsse

gefaßt:

 

Spruch:

I. Dem Rekurs der Barbara M*** wird nicht stattgegeben. Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

II. Die Revision der Barbara M*** gegen das bestätigende Berufungsurteil wird zurückgewiesen.

Barbara M*** ist schuldig, Ludwig H*** die Hälfte seiner mit

S 2.897,66 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten an Umsatzsteuer S 482,94), also S 1.448,83 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

III. Die Revision des Eberhard M*** wird zurückgewiesen. Ludwig H*** hat die Kosten seiner dazu erstatteten Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer eines Salzburger landwirtschaftlichen Anwesens. Er hatte einem deutschen Staatsbürger gestattet, einen auf seinem Grund stehenden Schuppen im Hinblick auf eine von beiden ins Auge gefaßte längerfristige Gebrauchsüberlassung zu einem Wohnhaus umzubauen. Nach der Erwirkung einer diesbezüglichen Baubewilligung erhielt der Landwirt vom deutschen Staatsbürger einen Betrag von

7.500 DM und bestätigte den Erhalt dieses Betrages im Sinne einer ihm vorgelegten Urkunde "als einmalige Pachtzahlung betreffend bestehenden Mietvertrag zum Futterstall". Eine Bestandvertragsurkunde war zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet, sollte aber nach übereinstimmender Auffassung von Zahler und Empfänger des Geldbetrages errichtet werden. Nach dem Ausbau des Gebäudes und dem Einzug des deutschen Staatsbürgers sowie seiner nunmehrigen Ehefrau traten zwischen dem Landwirt und dem deutschen Staatsbürger Meinungsverschiedenheiten darüber auf, ob schon ein mündlich abgeschlossener Bestandvertrag über den umgebauten Schuppen zustandegekommen sei und welchen Inhalt ein solcher vor allem hinsichtlich der Vertragsdauer habe oder ein erst schriftlich abzuschließender Vertrag haben sollte.

Der Landwirt begehrte vom deutschen Staatsbürger die Räumung des zum Wohnhaus umgebauten Schuppens. Dazu vertrat er den Standpunkt, daß kein wirksamer Vertrag über die Nutzung des Gebäudes samt umliegender Grundfläche zustande gekommen sei.

Der Beklagte wendete ein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht ein.

Gemeinsam mit seiner Ehefrau begehrte er mit einer als "Widerklage" bezeichneten Klage die Verurteilung des Landwirtes zum Abschluß eines Bestandvertrages mit dem in das Klagebegehren aufgenommenen Wortlaut.

Das Prozeßgericht erster Instanz verband den Rechtsstreit über das Räumungsbegehren des Landwirtes und jenen über das Begehren des deutschen Ehepaares zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Es fällte dann über das Räumungsbegehren ein stattgebendes Urteil, bezeichnete diese Entscheidung ausdrücklich als Teilurteil und behielt die Kostenentscheidung dem Endurteil vor. I. Gegen dieses Teilurteil erhob nicht nur der Räumungsbeklagte, sondern auch dessen Ehefrau Berufung. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Frau mangels Rechtsmittelbefugnis zurück. Die Ehefrau des Räumungsbeklagten ficht den berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß mit Rekurs an. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO). Das Rekursverfahren ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 521 a ZPO einseitig. Die Rekursfrist betrug daher nur 14 Tage (§ 521 Abs 1 ZPO). Da die Entscheidung für die Zurückweisung der von der Ehefrau des Räumungsbeklagten erhobenen Berufung aber in die Ausfertigung des Berufungsurteiles aufgenommen wurde, gilt auch für die Anfechtung der Beschlußentscheidung die vierwöchige Anfechtungsfrist.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aber nicht berechtigt:

Die Räumungsklage des Landwirtes und die Klage des deutschen Ehepaares haben selbständige, voneinander unabhängige Streitgegenstände. Die Ehefrau des Räumungsbeklagten ist nicht Partei des Räumungsstreites. Daran ändert auch die Verbindung der beiden Rechtsstreitigkeiten nichts. Die rechtliche Stellung der Ehefrau des Räumungsbeklagten wird durch den Ausgang des Räumungsstreites nicht berührt, vor allem erstrecken sich die Urteilswirkungen nicht auf sie.

Das Berufungsgericht hat die Rechtsmittelbefugnis der Ehefrau des Räumungsbeklagten daher zutreffend verneint. Ihrem Rekurs gegen die Zurückweisung der von ihr erhobenen Berufung mußte ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

II. Der Ehefrau des Räumungsbeklagten fehlt aus den dargelegten Gründen auch die Legitimation zur Erhebung einer Revision gegen das Berufungsurteil. Die von der Ehefrau des Räumungsbeklagten erhobene Revision war daher zurückzuweisen.

Der Räumungskläger hat diese Zurückweisung ausdrücklich begehrt. Die Ehefrau des Räumungsbeklagten hat dem Räumungskläger die Hälfte seiner Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen. Sie hat sich zu Unrecht die Verfahrensbefugnisse einer Prozeßpartei angemaßt und ihren Prozeßgegner dadurch zu einer Prozeßhandlung veranlaßt, die auch erfolgreich blieb.

III. Die Revision des Räumungsbeklagten ist mangels Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Dazu ist lediglich (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO) auszuführen:

Der Beklagte hat gegenüber dem Räumungsbegehren eingewendet, daß der geltend gemachte Herausgabeanspruch (wenn überhaupt, dann) nur Zug um Zug gegen Bezahlung seiner Rückforderungsansprüche (im Sinne der Entscheidung JBl. 1988, 250) zu erfüllen wäre, und "Aufwendungen von mehreren 100.000 S auf die Liegenschaft" behauptet (AS 62). Der Kläger replizierte, daß die Höhe seines Vorteiles aus den Aufwendungen des Klägers (im Sinne des § 1037 ABGB) höchstens 200.000 S betrage, brachte einen Anspruch auf Benützungsentgelt in Gegenverrechnung (AS 73) und beschränkte seinerseits sein Räumungsbegehren durch Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Zahlung von 141.500 S (AS 74).

Der Räumungsbeklagte hat seine Aufwandersatzforderungen im weiteren Verlauf des Rechtsstreites weder durch die nach seinem Standpunkt zu veranschlagenden einzelnen Leistungen substantiiert noch eindeutig beziffert. Der Kläger hat letztlich die Beschränkung seines Räumungsbegehrens durch die von ihm selbst vorgenommene Zug-um-Zug-Leistungspflicht wieder fallen gelassen (AS 101) und das eingeschränkte Begehren nur als Eventualbegehren aufrecht erhalten (AS 102). Er stellte lediglich außer Streit, "daß der Beklagte für das Objekt Aufwendungen getätigt habe, welche mit einem Betrag von 10 S zu Recht bestehen" (AS 103). Mit dieser Formulierung hat der Räumungsbeklagte seine Zug-um-Zug-Einwendung nicht einmal in Ansehung des vom Kläger außer Streit gestellten Betrages von 10 S hinreichend bestimmt, weil Aufwendungen und Aufwandersatzforderung nicht klar genug auseinandergehalten wurden.

Mangels eines hinreichend bestimmt formulierten Begehrens des Räumungsbeklagten auf Beschränkung des urteilsmäßigen Leistungsbefehles (zur Räumung) durch das Abhängigmachen von einer Zug-um-Zug-Verpflichtung (zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages) bedürfen die materiellrechtlichen Fragen danach zur Entscheidung des Rechtsstreites keiner Lösung, ob bei beiderseits zumindest teilweise erbrachten Vertragsleistungen im Falle nachträglich festgestellten Dissenses über ein synallagmatisches Rechtsgeschäft die beiderseitigen Kondiktionsansprüche nur Zug um Zug erfüllt zu werden bräuchten und ob im besonderen in einem solchen Fall einem Pseudobestandnehmer in Ansehung der als Bestandgegenstand übernommenen Sache ein Rückbehaltungsrecht verwehrt bliebe (§ 1440 ABGB). Nach der ohne Verstoß gegen die Denkgesetze gewonnenen Tatsachengrundlage war bis zur Zahlung des Betrages von

7.500 DM, aber auch in der Folge, keine vollständige Willensübereinstimmung über die Dauer der dem Räumungsbeklagten (und dessen Ehefrau) eingeräumten Nutzung der von ihm auszugestaltenden Baulichkeit erzielt worden. Daß die Nutzungsdauer für ein Rechtsgeschäft über eine Gebrauchsüberlassung wesentlicher Vertragspunkt ist, zieht auch der Revisionswerber in seinem Rechtsmittel nicht in Zweifel.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, auch nicht bei der Erledigung der Berufungsausführungen zur Beweisrüge. Mehrere (vom Zeitpunkt des Besitzerwerbes an) titellose Benützer einer unbeweglichen Sache bilden gegenüber dem Räumungsbegehren des Eigentümers keine notwendige Streitgenossenschaft. Es besteht ein selbständiger Räumungsanspruch gegen jeden einzelnen rechtsgrundlosen Benützer.

Das Prozeßgericht hat die Befugnis zur abgesonderten Entscheidung über das Räumungsbegehren aus § 390 Abs 2 ZPO abgeleitet. Wäre die vom Räumungsbeklagten und dessen Ehefrau angebrachte und mit der Räumungsklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene Klage, wie dies der Revisionswerber vertritt, als Widerklage zu qualifizieren, ergäbe sich die Befugnis zur abgesonderten Entscheidung über das Räumungsbegehren aus § 391 Abs 2 ZPO.

Nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierte Rechtsfragen des materiellen oder des Verfahrensrechtes waren daher zur Entscheidung des Rechtsstreites nicht zu lösen.

Die Revision des Räumungsbeklagten war aus diesem Grunde zurückzuweisen.

Der Räumungskläger hat auf diese Rechtsmittelunzulässigkeit in seiner Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen. Ihm gebührt daher für diesen Schriftsatz, soweit er sich gegen die Anfechtung durch den Räumungsbeklagten wendet, kein Kostenersatz.

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