OGH 15Os58/90

OGH15Os58/903.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald Günther R*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 16. März 1990, GZ 33 Vr 2252/89-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Oedl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Harald Günther R*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt; darnach hat er am 2. Oktober 1989 in Salzburg Wilhelm M*** durch zwölf Messerstiche vorsätzlich getötet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen, auf § 345 Abs 1 Z 6, 9 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Aus dem zuerst angeführten Grund (Z 6) remonstriert er dagegen, daß den Laienrichtern weder eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) noch eine Eventualfrage (§ 314 StPO) nach Totschlag (§ 76 StGB) gestellt wurde, obwohl er mit seiner Verantwortung vorgebracht habe, er sei von M*** etwa eine Stunde lang ununterbrochen "belästigt, verspottet, angegriffen und provoziert" worden, wobei dessen "aggressives und streitsüchtiges Verhalten" von den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen bestätigt worden sei, und obwohl der beigezogene Sachverständige, der ihm die Tatbegehung in einem äußerst heftigen, infolge seines extremen Erregungszustands explosionsartig zum Ausbruch gekommenen Affekts attestiert habe, dabei die Frage, ob er zur Zeit der Entschlußfassung sowie der Ausführung diskretions- und dispositionsfähig gewesen sei oder nicht, auf Grund ihrer Beurteilung als Rechtsfrage nicht habe beantworten können. Ein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung, wonach der Beschwerdeführer zur Zeit seiner Messerattacke gegen M*** unfähig gewesen sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB), wird jedoch solcherart gar nicht behauptet, zumal der Sachverständige Dr. Laubichler mit der relevierten Passage seines Gutachtens zwar eine rechtliche Beurteilung seiner fachlichen Bekundungen mit Fug abgelehnt, aber im Anschluß daran sogleich klargestellt hat, daß aus psychiatrischer Sicht eine völlige Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit bei einem nicht ausgesprochen krankhaften und einer schweren psychischen Störung entsprechenden Affekt wie im vorliegenden Fall, in dem das Bewußtsein des Angeklagten zur Tatzeit funktionstüchtig gewesen sei, nicht angenommen werden könne (S 364 f.).

Desgleichen kann von einer allgemeinen Begreiflichkeit der Gemütsbewegung des Beschwerdeführers in ihrer tatkausalen Heftigkeit als Folge des von ihm und von den Zeugen der ihr zugrunde gelegenen Vorfälle dargestellten Verhalten des Opfers (§ 76 StGB) bei weitem keine Rede sein: ist doch dementgegen geradezu auszuschließen, daß ein rechtstreuer Durchschnittsmensch unter den darnach gegebenen Umständen in eine so heftige Gemütsbewegung geraten könnte wie jene, in der sich der Angeklagte, ohne daß dem ein Streit oder Tätlichkeiten im eigentlichen Sinn vorausgegangen wären, aus aufgestauter Wut über die andauernde Lästigkeit des M*** ganz unvermittelt zu mindestens zwölf blindwütig und wuchtig geführten Messerstichen gegen den Körper seines dabei völlig passiven und vorwiegend bereits wehrlos am Boden gelegenen Opfers hinreißen ließ. Durch das mit der Beschwerde ins Treffen geführte Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung war demnach die nunmehr reklamierte Fragestellung (§§ 313, 314 StPO) nicht indiziert. Nicht stichhältig ist aber auch die gegen den Wahrspruch gerichtete Mängelrüge (Z 9): zum einen erhellt aus der Bejahung der Hauptfrage, wonach der Angeklagte durch zwölf Messerstiche M*** "vorsätzlich getötet" hat, ohne jeglichen Zweifel die Entscheidung der Geschwornen, daß sich der Vorsatz des Täters dabei auf eben diese Tatfolge (und nicht etwa bloß auf eine Körperverletzung des Opfers) erstreckte; und zum anderen ist das (vom Beschwerdeführer vermißte) Beifügen eines Hinweises auf Gründe für das Unterbleiben einer Beschränkung des Verdikts - hier: durch die Annahme einer (privilegierten) Tatbegehung in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung - in der Prozeßordnung (§ 330 Abs 2 StPO) nicht vorgesehen. Mit einer Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder inneren Widersprüchlichkeit ist daher der Wahrspruch insoweit keineswegs behaftet.

Ein Subsumtionsfehler des Schwurgerichtshofs bei der rechtlichen Beurteilung einer von den Laienrichtern als erwiesen angenommenen Tat (Z 12) schließlich kann nur durch einen Vergleich des Verdikts mit der darauf angewendeten Strafbestimmung gesetzmäßig dargetan werden; mit dem Versuch, statt dessen aus Verfahrensergebnissen - auf die nur zur Sinndeutung des Wahrspruchs hilfsweise zurückgegriffen werden darf - eine auf eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zurückzuführende Tatbegehung sowie einen bloß auf eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des M*** gerichtet gewesenen Tätervorsatz abzuleiten und solcherart die Rechtsrichtigkeit einer Subsumtion des Tatverhaltens unter § 86 StGB oder höchstens unter § 76 StGB aufzuzeigen, läßt dementsprechend die Rechtsrüge eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu zehn Jahren Freiheitsstrafe; dabei wertete es eine einschlägige Vorstrafe "bzw" sein belastetes Vorleben als erschwerend, seine Provokation durch das Tatopfer, sein Tatsachengeständnis und die Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit hingegen als mildernd.

Auch der Berufung des Angeklagten, mit der er eine (die Anwendung des § 41 StGB voraussetzende) Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Denn die Annahme, daß die ihm vom Erstgericht zugute gehaltene Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit ihrem Grad nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit und seine Provokation durch M*** einem Rechtfertigungsgrund nahekomme, ist entgegen dem Berufungsvorbringen nach den Verfahrensergebnissen keinesfalls in Betracht zu ziehen; für eine außerordentliche Strafmilderung ist demgemäß schon mangels dem Gewicht nach überwiegender Milderungsgründe kein Raum.

Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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