OGH 7Ob582/90

OGH7Ob582/9028.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Inga G***, geboren am 19. November 1973, und Sandra G***, geboren am 23. Juni 1975, infolge Revisionsrekurses des Bezirksjugendamtes für den 17., 18. Bezirk gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. März 1990, GZ 47 R 165/90-166, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 11. September 1990, GZ 1 P 68/84-163, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:

"Der mit den Beschlüssen vom 14.12.1989, GZ 1 P 68/84-141, 142, den mj. Inga G*** und Sandra G*** für die Zeit vom 1.7.1989 bis 30.6.1992 in der Form der Weitergewährung bewilligte Unterhaltsvorschuß in Höhe von je S 1.800, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall, § 108 f ASVG, wird am 1.8.1988 bis 30.6.1992 auf S 4.000 für die mj. Inga G*** und auf S 3.600 für die mj. Sandra G***, jedoch höchstens bis zur Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall, 108 f ASVG, erhöht."

Text

Begründung

Den Minderjährigen sind mit Beschlüssen vom 3.7.1986 Unterhaltsvorschüsse gemäß § 3 und § 4 Z 1 UVG gewährt und in der Folge mehrfach gemäß § 18 UVG weitergewährt worden. Die letzte Weitergewährung erfolgte mit den Beschlüssen vom 14.12.1989 für die Zeit vom 1.7.1989 bis 30.6.1992 in Höhe von je S 1.800. Ab 1.8.1988 wurde der Unterhaltsbeitrag des Vaters von S 1.800 je Kind für die mj. Inga auf S 4.000 und für die mj. Sandra auf S 3.600 erhöht (ON 144). Das Erstgericht ordnete daraufhin eine Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse auf diese Beträge jedoch nur für den Zeitraum der letzten Weitergewährung an und wies das Mehrbegehren auf Erhöhung bereits ab 1.8.1988 ab (ON 163).

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Auffassung der Vorinstanzen sei eine Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse für einen bereits abgelaufenen Vorschußzeitraum unzulässig.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Bezirksjugendamtes ist zulässig, weil die zu lösende Rechtsfrage von den Gerichten zweiter Instanz unterschiedlich beurteilt wird (EFSlg 57.570, 57.571, 54.820, 46.505 bzw. EFSlg 54.821 = ÖA 1987, 140; EFSlg 49.154). Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Gemäß § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefaßten Beschluß über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen, wenn der Unterhaltsbeitrag erhöht wird; die Erhöhung ist mit dem, auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, daß die im Falle der Erhöhung des Unterhaltsbeitrages anzuordnende Erhöhung des Unterhaltsvorschusses zugleich mit der Erhöhung des Unterhaltsbeitrages wirksam werden soll. Dies war ganz offensichtlich auch die Absicht des Gesetzgebers. Der § 19 Abs 2 UVG erhielt seine derzeitige Fassung durch das BG BGBl. 1980/278. Es wurde wegen des damit verbundenen Nachteils für die Kinder und wegen der gelegentlichen Schwierigkeiten der Vollziehung als unbefriedigend empfunden, daß nach der damaligen Rechtslage Unterhaltserhöhung und Vorschußerhöhung zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt wirksam werden konnten. Künftig sollten daher, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, zugleich auch die Vorschüsse hinaufgesetzt werden können (276 BlgNR 15. GP 14). Beizupflichten ist dem Rekursgericht darin, daß die im Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. H*** und Genossen enthaltene Neufassung des § 19 Abs 2 einen etwas anderen Wortlaut aufwies und daß nicht alle Vorschläge des Initiativantrages in die Regierungsvorlage übernommen wurden. In Ansehung der Neufassung des § 19 Abs 2 UVG deckte sich jedoch die Zielsetzung beider Gesetzesanträge (276 BlgNR 15. GP 5, 6 und 14). Richtig ist auch, daß nach den Erläuternden Bemerkungen durch die Wortfolge "bis zum Ende des im zuletzt gefaßten Beschluß über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums" klargestellt werden sollte, daß die Erhöhung der Vorschüsse nur für den noch offenen Teil des zuletzt anläßlich der Gewährung (§ 8) oder Weitergewährung der Vorschüsse (§ 18 Abs 1) bestimmten Zeitraums angeordnet werden darf. Diese Beschränkung betrifft aber sowohl nach dem Wortlaut des Gesetzes als auch nach der Absicht des Gesetzgebers lediglich den Endzeitpunkt. Sie beruht nämlich auf der Erwägung, daß im Falle der Vorschußerhöhung sich das Gericht auf die Prüfung bloß der Wirksamkeit der Unterhaltserhöhung zu beschränken hat, die ursprünglich für die Vorschußgewährung bestimmte Frist aber nur nach Durchführung eines Verfahrens nach § 18 verlängert werden kann (276 BlgNR 15. GP 14). Es sollte somit lediglich verhindert werden, daß ohne Durchführung des gesetzlich hiefür vorgesehenen Verfahrens mit der Erhöhung zugleich auch der Zeitraum, für den die Vorschüsse gewährt oder weitergewährt wurden, verlängert wird. Aus dem Wortlaut des § 19 Abs 2 und auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich somit, daß dann, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, die Erhöhung der Vorschüsse mit dem der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten bzw. dem Monatsersten selbst dann anzuordnen ist, wenn die letzte Weitergewährung von einem danach gelegenen Zeitpunkt an, aber in ununterbrochener Folge (vgl. § 18 Abs 1), bewilligt worden ist (so auch schon zutreffend KG Wels ÖA 1987, 140). Sprechen der Wortlaut des Gesetzes und die klare Absicht des Gesetzgebers für ein bestimmtes Verständnis des Gesetzes, so ist dieses maßgebend (Koziol-Welser8 I 22). Die zum Teil von den Gerichten zweiter Instanz in der Sache vertretene gegenteilige Meinung (so auch Knoll UVG in ÖA 1990, 81) kann daher nicht geteilt werden.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die Erhöhung der Vorschüsse bereits ab der Erhöhung der Unterhaltsbeiträge, dem 1.8.1988 anzuordnen ist, weil die Unterhaltserhöhung während des Laufens der Vorschüsse erfolgte.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

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