OGH 3Ob562/90

OGH3Ob562/9027.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Karl B***, Tierarzt, und 2. Hannelore B***, Wirtschaftsbesitzerin, beide Sonnweg 2, 9813 Möllbrücke und vertreten durch Dr. Robert Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagten Parteien 1. Franz P***, Wirtschaftsbesitzer, und

2. Dipl.Ing. Hans H***, Landesbeamter, beide 9772 Dellach im Drautal 29 und vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,--), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 18.April 1990, GZ 3 R 129/90-61, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 19.Jänner 1990, GZ 3 C 243/88k-55, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger begehren von den Beklagten die Unterlassung des Fahrens auf einem Teilstück der über ihre Grundstücke verlaufenden, von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen errichteten Baustraße. Die Beklagten traten diesem Klagebegehren mit dem Vorbringen entgegen, dem erstbeklagten Eigentümer benachbarter Liegenschaften (und dem Zweitbeklagten als seinem Pächter) stehe auf diesem Straßenstück das Bringungsrecht und die Wegservitut zu. Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren der Kläger ab. Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil über die Berufung der Kläger ab und gab ihrem Unterlassungsbegehren statt. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes insgesamt S 50.000,-- nicht übersteigt, und daß (daher) die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes vom 18.April 1990 von den Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist tatsächlich unzulässig.

Nach Art XLI Z 5 WGN sind die §§ 500 und 502 ZPO idF WGN anzuwenden. Die Revision ist daher jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert S 50.000,-- nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Eine der im § 502 Abs 3 ZPO angeführten Ausnahmen liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht (oder dieser allein schon S 50.000,-- erreicht), auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- insgesamt übersteigt oder nicht (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Dieser Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes ist unanfechtbar und bindend, wenn das Berufungsgericht dabei nicht zwingende Bewertungsvorschriften verletzte oder eine Bewertung überhaupt nicht vorzunehmen war, also etwa ohnedies schon der Geldbetrag bestimmend ist oder die Revisionszulässigkeit in den im § 502 Abs 3 ZPO angeführten familien- und bestandrechtlichen Angelegenheiten geldwertunabhängig geregelt ist. Bei dem Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO sind § 54 Abs 2, § 55 Abs 1 bis Abs 3, § 56 Abs 3, § 57, § 58 und § 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Während der Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO, daß die Revision jedenfalls unzulässig sei, bloß belehrend ist, weder die Parteien noch die Gerichte bindet, und die Unrichtigkeit eines Ausspruches nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO in einer außerordentlichen Revision oder in der Beantwortung einer ordentlichen Revision geltend gemacht werden kann (§ 500 Abs 4 ZPO), findet gegen den Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes kein Rechtsmittel statt (§ 500 Abs 4 ZPO). Dieser Ausspruch bindet daher den Obersten Gerichtshof nur ausnahmsweise dann nicht, wenn bei sinngemäßer Anwendung die Bewertungsvorschriften der Jurisdiktionsnorm mißachtet wurden oder die Bewertung überhaupt zu entfallen hatte (Petrasch, ÖJZ 1983, 173;

ÖJZ 1985, 294 und ÖJZ 1989, 749; Fasching, ZPR2 Rz 1830 und 1831/1;

igl Sinn SZ 57/42; MietSlg 39.778 ua und zur neuen Rechtslage 1 Ob 579/90). Die Meinung, auch der Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO binde weder die Parteien noch die Gerichte und stelle nur eine Art von Rechtsbelehrung dar (so Stohanzl, MTA ZPO5, 430 und MGA ZPO14, 1081 Anm 4 zu § 500 ZPO), ist unzutreffend und kann aus § 500 Abs 4 Satz 1 ZPO nicht abgeleitet werden (Petrasch, ÖJZ 1989, 749 FN 92; Fasching, ZPR2 Rz 1831/1). Zwar vertritt auch Steininger, Die Problematik der neuen "nichtbindenden Unzulässigkeit" der Anrufung des Höchstgerichts (RZ 1989, 236 und 258) die Ansicht, die Neuregelung nach der WGN 1989 enthalte anders als die frühere Verfahrensrechtslage überhaupt keine Bindung an die Bewertung durch das Berufungsgericht und es sei daher stets erlaubt, eine "erlaubte unzulässige Revision" nach Art einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof zu erheben, in der der Rechtsmittelwerber darzutun hätte, daß bei richtig vollzogener sinngemäßer Anwendung der §§ 55 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, §§ 56 Abs 3, 57, 58 und 60 Abs 2 JN der Ausspruch gelautet hätte: der Wert des Streitgegenstandes übersteige S 50.000,-- (aaO 240). Es hat sich aber gegenüber der früheren Rechtslage nichts daran geändert, daß die Bewertung im Ermessensbereich nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann und nur bei einem Verstoß gegen zwingende gesetzliche Bewertungsgrundsätze eine Korrektur auf den sich aus dem Gesetz ergebenden Wert möglich ist. Die von Steininger aus § 500 Abs 4 Satz 1 ZPO nF gezogene Schlußfolgerung ist nicht berechtigt. Der Ausspruch, daß die Revision jedenfalls unzulässig ist, bindet dann nicht, wenn die Bewertung gesetzwidrig oder überflüssig war, bedeutet aber nicht, daß der Oberste Gerichtshof eine § 500 Abs 2 Z 1 iVm § 500 Abs 3 Satz 1 ZPO nF entsprechende Bewertung nachprüfen könnte.

Bei der Klage auf Unterlassung war nach § 59 JN für die Zuständigkeit die von der klagenden Partei mit S 30.000,-- angegebene Höhe ihres Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen. Diese Vorschrift war mangels Anführung im § 500 Abs 3 ZPO nF allerdings bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Berufungsgericht auch nicht sinngemäß anzuwenden (vgl die frühere Verfahrensvorschrift des § 500 Abs 2 ZPO idF vor WGN, wonach das Berufungsgericht auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden hatte, jedoch an die Geldsumme nicht gebunden war, die der Kläger als Wert des Streitgegenstandes angegeben hat). Aber auch eine andere zwingende Bewertungsvorschrift bestand für den Anspruch, das Fahren auf einem bestimmten Teilbereich über die im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücke zu unterlassen, nicht. Das Berufungsgericht hat daher bei seiner Bewertung des Streitgegenstandes mit einem S 50.000,-- nicht übersteigenden Betrag weder gegen nach § 500 Abs 3 ZPO sinngemäß anzuwendende Vorschriften der JN verstoßen, noch ist sonst ein Ermessensmißbrauch offenkundig.

Damit ist der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsgerichtes keiner Überprüfung (etwa in Richtung des Interesses der Beklagten an der fortdauernden Ausübung des ihnen untersagten Fahrens auf der Forststraße) zugänglich und bindend (vgl ÖBl 1985, 166; EFSlg 52.222; SZ 59/198 ua).

Die Revision ist also nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen.

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