OGH 6Ob574/90

OGH6Ob574/9031.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Herbert T***, Immobilienverwaltung, Jacquingasse 51, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Alexander R***, Kaufmann, Ignaz Harrer-Straße 15, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Helmut R***, Gärtner, Agnesgasse 27, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 88.489,70 samt Anhang, infolge der Rekurse der klagenden und der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Dezember 1989, GZ 17 R 207/89-47, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 15.Juni 1989, GZ 5 Cg 147/87-41, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 26.11.1982 verstorbene Mutter der Beklagten, Emma R***, war zu einem Viertel Eigentümerin der von der klagenden Partei in der Zeit vom 1.11.1979 bis 26.11.1982 verwalteten Liegenschaft EZ 277 KG Untersievering (= Wien 19, Sieveringerstraße 105).

Mit Notariatsakt vom 20.9.1977 hatte Emma R*** ihren Liegenschaftsanteil für den Fall ihres Todes samt allen Rechten und Pflichten und mit allen Lasten am Todestag ihrem Sohn Adolf R*** geschenkt und auf den Widerruf dieser Schenkung verzichtet. Adolf R*** hat die Schenkung angenommen.

Im Verlassenschaftsverfahren 3 A 719/82 des Bezirksgerichtes Döbling haben die Beklagten bedingte Erbserklärungen abgegeben. Diese Erbserklärungen nahm das Verlassenschaftsgericht mit Beschluß vom 30.12.1982, das Inventar mit Aktiven von S 130.127,62, Passiven von S 161.651,83 und einer Überschuldung von S 31.524,21 mit Beschluß vom 11.11.1983 zu Gericht an. Im Nachlaßinventar ist der Viertelanteil an der Liegenschaft EZ 277 KG Untersievering mit dem Bemerken, daß er Adolf R*** auf den Todesfall geschenkt sei und deshalb nicht zum Nachlaß gehöre, unter den Aktiven, jedoch ohne Bewertung und auch ohne Einstellung einer entsprechenden Forderung des Beschenkten unter den Passiven, angeführt. Mit Einantwortungsurkunde vom 18.5.1984 wurde der Nachlaß den beiden Beklagten je zur Hälfte eingeantwortet.

Die klagende Partei begehrte zuletzt die Verurteilung der beiden Beklagten zur Zahlung von S 88.489,70 samt 10,75 % Zinsen seit 1.1.1984 je zur Hälfte und brachte hiezu vor, der Klagsbetrag sei der auf die Erblasserin entfallende Verwaltungsabgang zum 31.12.1983 und von der klagenden Partei ausgelegt worden.

Die Beklagten wendeten ein, sie hätten bedingte Erbserklärungen abgegeben und der Nachlaß sei überschuldet. Soweit die Klagsforderung mit S 25.580 auf die Jahre 1979 und 1980 entfalle, werde Verjährung eingewendet. Der Erstbeklagte hielt dem Klagebegehren ferner entgegen, die klagende Partei habe den Mietern des Hauses 1984 und 1985 einen höheren Betriebskostenanteil vorgeschrieben, um den Verwaltungsabgang aus dem Vorjahr abzudecken, sodaß diese Beträge nicht auch noch im vorliegenden Rechtsstreit begehrt werden könnten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, stellte fest, daß die Verwaltungsrechnung der klagenden Partei im Verhältnis zur Erblasserin für die Zeit vom 1.1.1979 bis 26.11.1982 einen Saldo von S 34.435,98 zugunsten der klagenden Partei ergebe, wovon S 9.484,90 auf das Jahr 1979 und S 16.087,95 auf das Jahr 1980 entfielen, und meinte rechtlich, da beide Beklagten die bedingte Erbserklärung abgegeben hätten, sei zu prüfen, ob der Anspruch der klagenden Partei nicht infolge Überschuldung des Nachlasses untergegangen sei. Der Nachlaß sei überschuldet, woran die Aufnahme des von der Schenkung auf den Todesfall betroffenen Liegenschaftsanteiles in das Nachlaßinventar unter den Aktiven nichts ändere, weil eine gleich hohe Forderung des Beschenkten unter den Passiven auszuweisen sei. Die Überschuldung des Nachlasses entziehe einem Rechtsanspruch der klagenden Partei den Boden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf, verwies die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück und fügte einen Rechtskraftvorbehalt bei. Es führte aus, die Beklagten hafteten angesichts ihrer bedingten Erbserklärungen wohl persönlich, jedoch nur bis zum Wert der ihnen zugekommenen Verlassenschaft. Das beschränke die Haftung der Erben zwar betraglich, die Forderungen der Gläubiger als solche blieben jedoch unberührt. Diese Beschränkung gehe zu Lasten aller Nachlaßgläubiger, für die Höhe der Haftung sei der Wert des Nachlasses bei Einantwortung maßgeblich. Fänden die Forderungen der Gläubiger im Nachlaßwert keine volle Deckung, habe sie der Erbe verhältnismäßig zu befriedigen. Diese beschränkte Haftung bedeute keine Exekutionsbeschränkung, sondern sei eine im Prozeß einzuwendende Minderung der materiellrechtlichen Verpflichtungen. Der Schuldner habe die Unzulänglichkeit des Nachlasses zu behaupten. Dem seien die Beklagten durch ihr Vorbringen im Zusammenhang mit dem als Beweismittel herangezogenen Verlassenschaftsakt auch nachgekommen. Die Feststellung über die Nachlaßüberschuldung führe daher nicht ohne weiteres zur Abweisung des Klagebegehrens, sondern es sei zu prüfen, inwieweit der Klagsanspruch bei anteilsmäßiger Berücksichtigung der Gläubiger zu Recht bestehe. Die auf den Todesfall geschenkte Sache gehe mit dem Tode des Schenkers nicht von selbst ins Eigentum des Beschenkten über, dieser werde vielmehr als Verlassenschaftsgläubiger betrachtet. Deshalb sei die geschenkte Sache als Aktivpost ins Nachlaßinventar und als Schuld an den Beschenkten eine gleichwertige Passivpost aufzunehmen. Daher sei es nicht zulässig, dem auf den Todesfall Beschenkten in der Verlassenschaftsabhandlung im wesentlichen bloß die Stellung eines Vermächtnisnehmers zukommen zu lassen. Gehe man davon aus, daß die geschenkte Sache durch die Schenkung auf den Todesfall entweder ohne jede Befassung des Abhandlungsgerichtes ins Eigentum des Beschenkten übergehe oder dieser auf Grund seiner besonderen Stellung im Verlassenschaftsverfahren die ungekürzte Herausgabe der geschenkten Sache begehren könne, sei die Frage der Haftung der bedingt erbserklärten Erben im Rahmen des sonstigen Verlassenschaftsvermögens zu lösen. Die Haftung des Beschenkten auf Grund eines obligatorischen Anspruches der klagenden Partei sei nicht Verfahrensgegenstand. Eine solche Haftung wäre nur dann zu verneinen, wenn die Aufwendungen etwa im Sinne des § 839 ABGB so ausschließlich auf den Liegenschaftsanteil bezogen wären, daß ohne persönliche Haftung des Eigentümers nur mit diesen Liegenschaftsanteilen gehaftet werde. Da die Beklagten Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen Liegenschaftseigentümerin seien, hafteten sie für die obligatorischen Ansprüche der klagenden Partei im Rahmen des gesamten Nachlaßvermögens und nicht auf den durch die Schenkung auf den Todesfall aus dem Verlassenschaftsvermögen ausgeschiedenen Liegenschaftsanteil beschränkt. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren unter Ausscheidung des Liegenschaftsanteiles den Grad der Überschuldung der Verlassenschaft und die sich daraus ergebende anteilsmäßige Kürzung der Forderung der klagenden Partei, ferner den Einwand der Verjährung und die Behauptung, die klagende Partei habe einen Teil der hier geltend gemachten Forderungen bereits auf die Mieter überwälzt, zu prüfen haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der klagenden Partei und des Zweitbeklagten sind zulässig, weil zur Frage, ob und inwieweit die Haftung des Erben für die Forderungen der Erblassergläubiger bei bedingter Erbserklärung durch Schenkung einer Liegenschaft auf den Todesfall beeinträchtigt werden kann, soweit überblickbar, Rechtsprechung fehlt. Das Rechtsmittel des Zweitbeklagten ist nicht jenes der klagenden Partei nur im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Beklagten haben eingewendet, der ihnen eingeantwortete Nachlaß sei überschuldet. Da sie bedingte Erbserklärungen abgegeben hätten, müßten sie für die eingeklagte Forderung nicht einstehen. Die bedingte Erbserklärung ist die Annahme der Erbschaft mit Haftungsbeschränkung. Nach der Einantwortung haftet der Erbe zwar persönlich, aber nur bis zum Wert der ihm zugekommenen Verlassenschaft. Die Annahme unter Vorbehalt führt zwar zur betraglich beschränkten Haftung des Erben, läßt aber die Forderungen der Gläubiger als solche unberührt. Die Haftungsbeschränkung geht zu Lasten aller auf den Nachlaß gewiesenen Gläubiger. Für den Umfang der Haftung ist der Wert des Nachlasses bei der Einantwortung maßgeblich (vgl. Welser in Rummel, ABGB2, § 802 Rz 1 ff mwN). Dabei hat der Erbe nach der Einantwortung - ebenso wie der Vertreter des ruhenden Nachlasses zuvor - dafür zu sorgen, daß die Befriedigung der Gläubiger nach der gesetzlichen Ordnung vor sich gehe und kein Gläubiger unrechtmäßig begünstigt werde. Die gesetzliche Ordnung richtet sich nach den entsprechend anzuwendenden Regeln der Konkursordnung und des Erbrechtes. Nach Befriedigung der Aussonderungs- und Absonderungsansprüche sind zunächst die Masseforderungen (vgl. §§ 46 und 47 KO), sodann die Erblasserforderungen, die im Konkursfall Konkursforderungen (§ 50 KO) wären, nach ihnen die im Konkurs ausgeschlossenen Zinsen sowie Forderungen aus Schenkungen und Geldstrafen des Erblassers (§ 58 KO), sodann die mit dem Zureichen des Nachlasses begrenzten Unterhaltsschulden und schließlich die Pflichtteilsergänzungsansprüche und zuletzt die Vermächtnisse und Auflagen zu entrichten. Soweit es für die Rangordnung im Konkursfall auf die Konkurseröffnung ankäme, tritt an deren Stelle der Tod des Erblassers. Finden die im selben Rang stehenden Forderungen im Nachlaßwert keine Deckung, so sind sie verhältnismäßig zu kürzen und die Gläubiger in den folgenden Rängen kommen dann überhaupt nicht mehr zum Zug (Kralik in Ehrenzweig, System3, Erbrecht, 348, 354; vgl. auch SZ 49/77 mwN). Demgemäß kann die bloße Nachlaßüberschuldung keineswegs, wie es das Erstgericht angenommen hat, zur Abweisung des gesamten Klagebegehrens führen, es sei denn, daß Nachlaßaktiven überhaupt fehlten. Das aber haben die Beklagten gar nicht behauptet.

Die von der Erblasserin in der Form des § 956 zweiter Satz ABGB verfügte Schenkung auf den Todesfall ist zwar - wie das Berufungsgericht zutreffend dargestellt hat - im Nachlaßinventar derart zu berücksichtigen, daß das geschenkte Vermögen dort als Aktivpost aufzunehmen und gleichzeitig als gleichwertige Passivpost die Forderung des Beschenkten auszuweisen ist, weil auch der Beschenkte Nachlaßgläubiger ist (SZ 59/9 ua; Schubert in Rummel, ABGB2, § 956 Rz 3), doch gehen die Wirkungen der Errichtung des Inventars nicht über das Verlassenschaftsverfahren hinaus (SZ 59/9 ua).

Da die betragsbeschränkte Haftung des bedingt erbserklärten Erben keine Exekutionsbeschränkung, sondern eine Minderung der materiellrechtlichen Verpflichtung bedeutet, die deshalb schon im Prozeß einzuwenden und dann dort zu prüfen ist, liegt es am beklagten Schuldner, die Unzulänglichkeit des Nachlasses einzuwenden und zu beweisen (SZ 49/77 ua; Welser, aaO, Rz 8). Die Beklagten haben im vorliegenden Fall wohl die bedingte Erbserklärung und die Überschuldung des Nachlasses behauptet und sich diesbezüglich auf die Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens berufen, sie haben aber kein konkretes Vorbringen dahin erstattet, daß die klagende Partei bei konkursmäßiger Befriedigung der Nachlaßforderungen nicht zum Zug gekommen wäre. Es wäre aber - angesichts der doch ganz offensichtlich darauf abzielenden Einwendungen der bedingten Erbserklärung und der Nachlaßüberschuldung - Sache des Erstgerichtes gewesen, in Wahrnehmung der materiellen Prozeßleitungspflicht (§ 182 ZPO) auf die Erstattung eines entsprechend konkretisierten Vorbringens durch die Beklagten hinzuwirken (vgl. insbesondere SZ 49/77).

Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren das Vorbringen in diesem Sinne ergänzen lassen müssen. Bei entsprechenden Behauptungen wird es den Wert des Nachlasses unter Einbeziehung des Wertes des auf den Todesfall geschenkten Liegenschaftsanteiles zu ermitteln und sodann an Hand der weiter oben dargestellten Befriedigungsordnung zu prüfen haben, ob die eingeklagte Forderung in dem ihr zukommenden Rang volle Deckung findet. Da die Klagsforderung der Forderung des Beschenkten auf Übergabe des Geschenkes im Rang jedenfalls vorgeht, kann dessen Anspruch das Ausmaß der allfälligen Kürzung der Klagsforderung jedenfalls nicht beeinflussen. Nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichtes wird das Erstgericht aber auch - gleichfalls nach näherer Aufklärung des Vorbringens im Sinne des § 182 ZPO - die weiteren Einwendungen der Beklagten - teilweise Verjährung und Abdeckung aus erhöhten Betriebskostenvorschreibungen - im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

Für eine reine Sachhaftung, wie sie das Berufungsgericht erwogen hat, fehlen jedwede Anhaltspunkte. Auch die im notariellen Schenkungsvertrag enthaltene Klausel, Gegenstand der Schenkung sei der Liegenschaftsanteil mit allen am Todestag aushaftenden Lasten, ändert nichts daran, daß die Erben für die aus dem Verwaltungsauftrag der Erblasserin an die klagende Partei abgeleitete Klagsforderung persönlich einzustehen haben. Auf das Vorbringen im Rekurs der klagenden Partei, der Anspruch der Beklagten gegen den Beschenkten, den Nachlaß von den den Liegenschaftsanteil betreffenden Lasten freizuhalten, sei ein weiteres Aktivum des Nachlasses, ist als Neuerung nicht weiter einzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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