OGH 12Os65/90

OGH12Os65/9031.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl S*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Dezember 1989, GZ 3 a Vr 4534/89-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldig sprechenden Teil sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der 41jährige Karl S*** wurde (zu 1.) des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und (zu 2.) des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 und 2 StGB (siehe indes Leukauf-Steininger2, Ergänzungsheft 1985, RN 19 a zu § 216 StGB) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien (1.) am 4.Mai 1989 Patricia T*** mit Gewalt, indem er ihr zumindest zwei Schläge ins Gesicht versetzte und sie an den Haaren riß, und durch gefährliche Drohung, indem er äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie nicht zu schreien aufhöre, zum außerehelichen Beischlaf genötigt und (2.) in den Jahren 1987 und 1988 mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person, nämlich seiner Ehegattin Susanne S***, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese ausgebeutet und eingeschüchtert.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 a - der Sache nach auch Z 5 - StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet.

Im Verbrechensfaktum erweist sich die Verfahrensrüge (Z 4) schon deshalb als berechtigt, weil das Schöffengericht den in der Hauptverhandlung am 6.Dezember 1989 gestellten Antrag, Rudolf P*** als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, daß Patricia T*** ihm berichtet habe, daß sie den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten aus Spaß gemacht hat (S 305) - dessen Relevanz, da die Willenssphäre des Nötigungsopfers betreffend, evident ist - in der Hauptverhandlung ohne sachliche Begründung ("wegen Spruchreife"; S 307) ablehnte und es auch verabsäumte, dieses Zwischenerkenntnis in einer seine Überprüfung ermöglichenden Weise im Urteil zu erläutern.

Da dieser die Verteidigungsrechte des Angeklagten massiv schmälernde Verfahrensmangel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung dieses Schuldspruchs vorzugehen (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Bloß der Vollständigkeit halber sei zusätzlich bemerkt, daß - den bezüglichen Urteilsannahmen (S 320) zuwider - in den Akten sehr wohl ein gravierender Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, daß Patricia T*** "mit großer Wahrscheinlichkeit" die geheime Prostitution ausübte (siehe den Polizeibericht vom 11.August 1989, S 185), wogegen sich der im Urteil zitierte Bericht der Magistratsabteilung 12 (richtig: 15) nicht auf Patricia T***, sondern auf Susanne S*** bezieht (S 277).

Berechtigung kommt der Verfahrensrüge (Z 4) aber auch in Ansehung des Vergehens nach § 216 StGB zu. Denn die für die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 6.Dezember 1989 gestellten Antrages, eine Reihe namentlich angeführter Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, daß Susanne S*** freiwillig und auf ihr Drängen hin sexuelle Handlungen mit andere Männern vornahm und dem Angeklagten aus diesen Handlungen weder Geld noch sonstige Werte zuflossen (S 306), im Urteil nachgetragene Begründung (S 326), diese Zeugen .... seien nicht geeignet, die glaubwürdige und logische Aussage der Zeugin L*** zu widerlegen, erweist sich als Musterfall vorgreifender und damit unzulässiger Beweiswürdigung, die auch dadurch nicht saniert werden kann, daß der Angeklagte aktenkundig versucht hatte, ihm nahestehende Personen brieflich zu beeinflussen.

Obwohl bereits dieser Verfahrensmangel - weil ersichtlich tatbestandsrelevante Umstände betreffend - eine Beseitigung des Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 216 StGB nach sich zieht und damit die weiteren darauf bezüglichen Beschwerdeausführungen auf sich beruhen könnten, sei auch hier der Vollständigkeit halber auf Begründungsmängel des Urteils hingewiesen, die auch ohne das aufgezeigte Verfahrensgebrechen eine Kassation des Schuldspruchs bewirkt hätten. So blieb - wie die Beschwerde zutreffend hervorhebt - im Urteil die Aussage des Zeugen Johann Z*** völlig unerörtert, wonach die Einschaltung von Kontaktanzeigen auf dem Willen von Susanna S*** beruhte, der Angeklagte das nicht gewollt habe und sie ihn habe überreden müssen (S 287 f.); ferner wird in der angefochtenen Entscheidung auch mit völligem Stillschweigen übergangen, daß Susanne S*** nach den - von den Tatrichtern für glaubhaft befundenen - Angaben der Zeugin L*** im Jahre 1985, während der Angeklagte sich in Haft befand, der Prostitution nachgegangen war, was Susanne S*** nach Vorhalt dieser Angaben auch nicht in Abrede stellte (S 296), obwohl sie in der Hauptverhandlung vom 8.November 1989 noch dezidiert beteuert hatte, vor dem durch den Angeklagten auf sie ausgeübten Zwang (1987 und 1988) nicht der Prostitution nachgegangen zu sein, und zwar auch nicht, als der Angeklagte (1985) in Haft war (S 265). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Beseitigung des Strafausspruches zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte