OGH 12Os62/90

OGH12Os62/9017.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Mai 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Klaus O*** und Franz K*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 5.Dezember 1989, GZ 37 Vr 668/89-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Klaus O*** und Franz K*** wurden - von unbekämpft

gebliebenen weiteren Schuldsprüchen abgesehen - des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (A), Klaus O*** auch wegen des damit in Tateinheit begangenen Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach haben in Innsbruck

A. Klaus O*** und Franz K*** teils im

bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten Ende 1988/Anfang 1989 in wiederholten Angriffen die unmündige Alexandra O*** (geboren am 3.Juli 1984) durch Betasten am Geschlechtsteil und Einführen von Fingern in die Scheide zur Unzucht mißbraucht; B. Klaus O*** durch die unter A geschilderten

Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht, "um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen" (vgl aber Leukauf-Steininger Komm2 § 212 RN 21). Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sind unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde des Angeklagten O***:

(§ 281 Abs. 1 Z 4 und 5 a StPO)

Der Antrag des Verteidigers, einen informierten Vertreter des Clubs "Videofreunde F***" darüber zu befragen, "welche Filme dort im Vorschulalter befindlichen Kindern gezeigt werden", verfiel als unzulässiger Erkundungsbeweis zu Recht der Ablehnung (S 308/309), nachdem im Verfahren von keiner Seite die Behauptung aufgestellt worden oder sonst hervorgekommen ist, daß in diesem Club (der in einem Gasthaus untergebracht ist, in das Alexandra O*** von ihrem Vater öfters mitgenommen worden war) Kindern Aufklärungsfilme oder gar "Zeichentrickpornos" vorgeführt würden, durch die Alexandra O*** zu fälschlichen Beschuldigungen angeregt worden sein könnte. Die Angeklagten selbst haben eine von daher kommende Möglichkeit der Beeinflussung des Kindes ausdrücklich ausgeschlossen (S 306/307).

Die Einvernahme der Leiterin des Kinderheimes "J***", Sonja T***, über die konkreten Umstände ihres Verdachtes war gleichfalls entbehrlich, da ohnedies festgestellt ist (US 10 iVm S 67/68 und 301), daß sie die Kindergartenhelferin Brigitte H*** zu entsprechenden Nachforschungen, die dann zur Anzeigenerstattung geführt haben, deshalb angehalten hat, weil ihr das merkwürdige Benehmen des Kindes aufgefallen war. Entlastende Angaben wären von Sonja T*** unter diesen Umständen keinesfalls zu erwarten gewesen.

Auch die Ausforschung jenes vier bis fünf Jahre alten "Michael", den Alexandra O*** bei ihrem ersten Gespräch mit Brigitte H*** erwähnt hat (S 70), von dem allerdings gar nicht feststeht, ob es ihn wirklich gibt (S 306), hätte keine zielführende Verbreiterung der dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelten Sach- und Beweislage erbringen können. Denn angesichts des Umstandes, daß überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, wie "Michael" mit den Beschuldigungen der Alexandra O*** gegen die beiden Angeklagten und den diesen zugrundeliegenden Erlebnissen des Mädchens in Zusammenhang gebracht werden sollte, ist von vornherein auszuschließen, daß die Befragung des auszuforschenden Buben irgendwelche brauchbaren Ergebnisse zeitigen könnte. Durch die Abweisung der erwähnten Beweisanträge des Angeklagten O*** wurden Verteidigungsrechte (Z 4) demnach nicht verletzt. Daß Alexandra O*** im Kindergarten oder woanders in "sexuellen Kontakt" (mit anderen Kindern) geraten wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Es fehlt somit schon der zur Geltendmachung erheblicher Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit entscheidender Tatsachenfeststellungen notwendige Hinweis auf aktenkundige Verfahrensergebnisse. Auch der allgemeine Einwand gegen die Beweiskraft des kinderpsychologischen Gutachtens der Sachverständigen Univ.Prof. DDr. Maria N*** und der (durch die Zeuginnen Brigitte H*** und Barbara H***-S***

vermittelten) Erzählungen der Alexandra O*** stützt sich nicht auf Anhaltspunkte aus den Akten und erschöpft sich somit in einer bloßen Umbewertung der vorliegenden Beweismittel, also in einer - auch im Rahmen der neu geschaffenen Anfechtungsmöglichkeit - unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung (vgl NRsp 1988/296).

Der Hinweis schließlich auf die grobe Beschaffenheit der Hände des Angeklagten O*** und die darauf gestützte Behauptung, daß Unzuchtshandlungen der festgestellten Art jedenfalls Verletzungen am Geschlechtsteil des Mächens hätten nach sich ziehen müssen, ist eine unbeachtliche Neuerung und schon deshalb nicht zielführend. Das Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel ist auch im Rahmen der Tatsachenrüge absolut unzulässig.

Insgesamt vermochte eine Überprüfung des Beschwerdevorbringens an Hand der Akten ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen nicht wachzurufen.

Zur Beschwerde des Angeklagten K***:

(§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO)

Mit dem Umstand, daß die Zeugin Barbara H***-S*** bei ihrer gerichtlichen Vernehmung im Vorverfahren noch nichts davon erwähnt hat, daß Alexandra O*** ihr gegenüber auch "Onkel Franz" (gemeint: den Angeklagten Franz K***) als Täter genannt hatte, hat sich das Schöffengericht ausführlich auseinandergesetzt und eine einleuchtende Erklärung dafür gefunden (US 18/19) Die dagegen erhobenen Einwände des Beschwerdeführers betreffend mögliche Fehlerquellen in der Erinnerung der Zeugin sind bloße Spekulationen ohne sichere Grundlage in den Akten und schon darum nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu erwecken. Ausgehend davon aber, daß Alexandra O*** der Zeugin tatsächlich von sexuellen Erlebnissen auch mit "Onkel Franz" erzählt hat, hat das Erstgericht das Gutachten DDris. N***, die die Verläßlichkeit der Angaben des Mädchens besonders hoch einschätzte (S 219, 306), mit Recht als unterstützendes Beweismittel verwertet. Daß Alexandra O*** im Verfahren niemals unmittelbar vernommen worden ist, weil dies aus kinderpsychiatrischer Sicht nicht zu vertreten und ein brauchbares Ergebnis auch gar nicht zu erwarten gewesen wäre (S 219, 269, 305; US 15/16), schließt grundsätzlich nicht aus, durch Zeugen vermittelte Angaben des Kindes ihnen gegenüber als Erkenntnisquelle heranzuziehen

(vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 E 25 f zu § 3; E 3 zu § 252). Unrichtig ist der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, daß die von Alexandra O*** gegenüber der Kindergärtnerin Brigitte H*** und der Jugendfürsorgerin Barbara H***-S*** gemachten Angaben "unsicher und unklar" seien. Nach der Darstellung dieser im Umgang mit Kleinkindern erfahrenen Zeuginnen in Verbindung mit dem Gutachten der Sachverständigen war vielmehr das Gegenteil der Fall, sodaß auch in diesem Punkte keine aktenkundigen Umstände aufgezeigt wurden, aus denen sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit entscheidender Tatsachenfeststellungen ableiten ließen. Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Bezugnahme auf seine Alibibehauptungen und in dem Bestreben, die ihn belastenden Erzählungen der Alexandra O*** mit möglichen anderen sexualgefärbten Erlebnissen des Kindes zu erklären, auf Ergebnisse von ihm nachträglich angestellter Nachforschungen verweist und diese zum Teil durch Vorlage entsprechender Beweismittel zu dokumentieren sucht, verstößt auch er gegen das Neuerungsverbot.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die damit verbundenen Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

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