Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der gesonderten rechtlichen Beurteilung des Ausspruches, der Angeklagte habe dadurch, daß er nach dem Verlassen des Raumes von außen das Zimmer versperrte, Maria H*** die persönliche Freiheit entzogen (I 2), als Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB, ferner gemäß § 290 Abs. 1 StPO ferner in der rechtlichen Beurteilung der unter I und II des Urteilsspruches angeführten Diebstähle als zwei Verbrechen, demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Manfred P*** hat durch die zu I und II des Urteilsspruches festgestellten Taten das Verbrechen des gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 131 erster Fall StGB begangen und wird unter Bedachtnahme gemäß § 28 Abs. 1 StGB auf die unberührt gebliebenen Schuldsprüche wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (III) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB (IV) nach § 131 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren verurteilt.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 28.August 1989, 20,30 Uhr, bis 7.Februar 1990, 11,20 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.September 1958 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Manfred P*** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB (I 1), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (I 2), des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (II 1 bis 7), des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (III) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
Darnach hat er
I.: am 28.August 1989 in Schlag
1. der Maria H*** Münzgeld im Werte von 2.630 S gestohlen, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Maria H*** mit dem Gesicht voraus auf ein Bett warf und einen Polster auf ihren Kopf preßte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten;
2. anschließend an die zu 1. genannte Tat dadurch, daß er nach dem Verlassen des Raumes, in welchem die vorgenannte Straftat geschah, diesen von außen versperrte, Maria H*** die persönliche Freiheit entzogen;
II.: gewerbsmäßig Sachen gestohlen, und zwar
1. vom Juli 1987 bis Oktober 1988 im Burgenland, in der Steiermark, in Kärnten und in Tirol etwa jeden zweiten Tag zahlreichen unbekannt gebliebenen Kaufleuten Lebensmittelkonserven im Einzelwert von 10 S bis 20 S,
2. im Juni 1988 in Groß Wetzelsdorf der Caroline Z*** eine Barschaft von 500 S,
3. Ende Juni 1988 in Nußdorf-Debant dem Herbert O*** ein Grillhuhn und eine Flasche Bier im Gesamtwert von 50 S,
4. am 21.August 1988 in Klagenfurt der Karin W*** 500 S Bargeld sowie ein Damenfahrrad im Werte von ca 2.500 S,
5. am 24.September 1988 in Thörn dem Peter K*** fünf Junghasen und einen Althasen im Gesamtwert von ca 500 S,
6. Ende August 1988 im Raume Graz einem unbekannten Lastkraftwagenfahrer 1.000 S Bargeld,
7. am 26.September 1988 in Wartmannstätten dem Karl P*** eine Brieftasche mit 2.500 S Bargeld;
III.: am 13.Mai 1988 in Innsbruck Raimund P*** durch Ausfolgung von 1,5 Liter Bier, einem Bauernschmaus und zwei Broten im Gesamtwert von 176 S betrügerisch geschädigt;
IV.: am 26.September 1988 in Wartmannstätten ihm von Karl P*** anvertraute Kleidungsstücke im Gesamtwert von ca 500 S veruntreut. Nur den Schuldspruch wegen § 99 StGB (I 2) ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Ausspruch über die Strafe bekämpft er mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Das Schöffengericht konstatierte, daß sich der Angeklagte am 28. August 1989 in das unversperrte Schlafzimmer der Maria H*** einschlich, dort aus dem Kleiderkasten eine Holzkassette herausholte, daraus Münzgeld im Wert von 2.630 S mit Bereicherungsvorsatz an sich nahm und das Haus wieder verlassen wollte, als er an der Haustür ein Geräusch vernahm, worauf er sich zwischen Ofen und Kasten versteckte. Die (damals fast) 83-jährige Maria H*** trat hierauf in das Zimmer, ohne den Angeklagten zunächst zu bemerken. Da dieser befürchtete, erkannt zu werden und die Diebsbeute herausgeben zu müssen, trat er von hinten an die betagte Frau heran, drückte sie mit dem Gesicht voraus auf das Bett und preßte geraume Zeit einen Polster auf ihren Kopf, um so zu erreichen, daß er mit der Diebsbeute das Haus verlassen kann. Ungeachtet des Umstandes, daß Maria H*** sich nicht wehren konnte und den Angeklagten auch nicht insultierte, versperrte dieser, als er mit der Beute das Zimmer verließ, die Türe mit dem außen steckenden Schlüssel und entzog damit der Frau die persönliche Freiheit, um seine Entdeckung zu verhindern bzw "bequem und unbehelligt" den Tatort verlassen zu können (S 125 bis 126). Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) moniert der Angeklagte, daß für einen gesonderten Vorsatz auf Entziehung der persönlichen Freiheit weder die Aussagen der Zeugin H*** noch seine Verantwortung ausreichende Anhaltspunkte böten. Dabei vernachlässigt die Beschwerde aber die Einlassungen des Angeklagten in der Hauptverhandung (S 115, 116), wonach er um das Geld und die Entdeckung fürchtete, weshalb H*** "im Zimmer bleiben mußte". Daraus konnte das Gericht im Zusammenhang mit der unbestritten feststehenden Tatsache, daß Manfred P*** nach dem Verlassen des Zimmers die Tür von außen versperrte, den Vorsatz auf (vorübergehende) Freiheitsbeschränkung ableiten, sodaß gegen die diesbezügliche Tatsachenfeststellung keine Bedenken bestehen. Allerdings ist die Subsumtionsrüge (Z 10) im Recht, wenn sie die Unterstellung dieser Tat neben dem Tatbestand des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB (I 1) auch unter den des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (I 2) als rechtsirrig bekämpft.
Der Generalprokuratur, die für die Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde eintritt, ist wohl zuzugeben, daß eine Konsumtion der Freiheitsentziehung (Scheinkonkurrenz) nur dann in Betracht kommt, wenn sich die Beschränkung der persönlichen Freiheit des Opfers als bloßes Mittel zur Erreichung eines anderen strafgesetzwidrigen Zwecks, somit als typische Begleittat eines anderen Delikts darstellt und ihrer Natur nach mit diesem eine Einheit bildet. Nur wenn die Tathandlungen über dieses Maß deutlich hinausgehen, kommt der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB eigenständige Bedeutung zu (SSt 56/20, EvBl 1989/97 und die dort jeweils zitierte Literatur und Judikatur). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist aber in jedem Fall deliktsspezifisch zu prüfen. Beim Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB wird die Gewalt gegen die Person des Gewahrsamsträgers mit dem Vorsatz angewendet, sich im Besitz einer ohne Widerstand des Berechtigten weggenommenen Sache zu erhalten, so daß die Gewaltanwendung auch noch während der Phase des Fortschaffens der Diebsbeute bis zu dem Moment diebstahlsqualifizierend wirkt, in dem der Dieb diese tatsächlich in Sicherheit gebracht hat (Leukauf-Steininger2 RN 4 zu § 131 StGB). Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, daß alle Gewaltakte des Angeklagten - zu denen auch Freiheitsbeschränkungen zählen (12 Os 85/89 nv) -, die er vor der materiellen Vollendung des Diebstahls (Sicherung der Beute) gesetzt hat, noch vom Tatbild des § 131 StGB umfaßt sind. Dieses Stadium war aber erst eingetreten, als es dem Angeklagten gelang, unerkannt den Hof des Opfers zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Maria H*** aber bereits wieder aufgerafft und blickte ihm durch das Fenster nach, ohne ihn identifizieren zu können. Es gelang ihr dann, das ebenerdig gelegene Zimmer durch das Fenster sogleich zu verlassen (ON 15 iVm S 117). Das zeigt, daß sich nach dem Akteninhalt Feststellungen darüber, daß der Freiheitsentzug in bezug auf Dauer oder Intensität weit über das Tatgeschehen im Zusammenhang mit dem räuberischen Diebstahl hinausreichte, nicht treffen ließen. Vielmehr ist auf der Basis der (wiedergegebenen) Feststellungen davon auszugehen, daß das Versperren der Zimmertür, das die sofortige Nacheile durch die Bestohlene vorübergehend verhinderte, unter dem Gesichtspunkt der Konsumtion als Bestandteil der durch die vorangehenden Mißhandlungen des Opfers eingeleiteten Gewaltanwendung im Rahmen des räuberischen Diebstahls anzusehen ist (Kienapfel BT I2 RN 36, 37 und Foregger-Serini4 Anm III jweils zu § 99 StGB). So gesehen kann der vorliegende Fall also nicht - entgegen der Meinung der Generalprokuratur - mit langen, über die materielle Vollendung des Gewaltdelikts (zB Raub oder Nötigung) hinausreichenden Freiheitsbeschränkungen verglichen werden (vgl SSt 52/50, EvBl 1989/97, 12 Os 15/85 nv).
Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (I 2) ersatzlos aufzuheben.
Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO:
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof aber auch davon überzeugen, daß das Urteil mit dem in dieser Richtung nicht geltend gemachten, gemäß § 290 Abs. 1 StPO aber von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet ist. Zufolge des für den Bereich gleichartiger Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte geltenden Zusammenrechnungsprinzips nach § 29 StGB liegt dem Angeklagten, der zahlreiche Diebstaten in ganz Österreich begangen hat, nur das eine Verbrechen des Diebstahls unter Berücksichtigung aller anderen (nicht wertorientierten) Qualifikationen zur Last (LSK 1978/56, 58, 11 Os 128/88 nv), sodaß die Aufspaltung in ein Verbrechen des räuberischen Diebstahls (I 1) und in ein weiteres Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls (II) rechtsirrig geschah. Wenn die Generalprokuratur (an sich zutreffend) unter Hinweis auf entsprechende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vermeint, daß dieser Subsumtionsirrtum dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichte, kann dies im vorliegenden Fall, wo das Erstgericht gerade auch das Zusammentreffen zweier Verbrechen (§ 33 Z 1 StGB) als Erschwerungsumstand anführte, nicht zweifelsfrei gesagt werden, sodaß es sich unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ohnehin eine Strafneubemessung erforderlich ist und der Oberste Gerichtshof sich hiebei nicht an eine unrichtige rechtliche Subsumtion binden kann, doch als notwendig erwies, diesen Rechtsirrtum von Amts wegen aufzugreifen und die Subsumtion spruchgemäß (unter Einbeziehung auch des unter I 2 angeführten Tatsachensubstrates) richtigzustellen.
Strafneubemessung und Berufung wegen Strafe:
Bei der abermals nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu verhängenden Strafe waren die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die zweifache Qualifikation des Diebstahls zum Verbrechen, die brutale Vorgangsweise gegen eine betagte Frau und deren erhebliche, gerade noch leichte Verletzung erschwerend, mildernd hingegen, daß der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegte und der bei Maria H*** angerichtete Schaden durch die sichergestellten Geldbeträge weitgehend gutgemacht erscheint.
Unter Bedachtnahme auf das durch zahlreiche einschlägige Taten belastete, durch geradezu routinemäßige Begehung von Diebstählen gekennzeichnete Vorleben des Angeklagten bedurfte es einer fühlbaren Sanktion, die im Mittelbereich des Strafrahmens als schuld- und tatangemessen erachtet wurde.
Die kriminelle Vorbelastung des Angeklagten verbietet die Anwendung der §§ 43 oder 43 a Abs. 4 StGB.
Auch auf diese neu ausgemessene Strafe war die Vorhaft anzurechnen.
Mit seiner gegen den Strafausspruch ergriffenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wurde im Gerichtstag zurückgezogen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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