OGH 1Ob689/89

OGH1Ob689/892.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. KommRat Engelbert M***, 2. Christine M***, beide Pensionisten, 3914 Waldhausen 42, beide vertreten durch Dr. Ferdinand Weber und Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems a.d.Donau, wider die beklagte Partei Herbert M***, Baumeister, 3914 Waldhausen 42, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer, Dr. Peter Krömer und Dr. Friedrich Nusterer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1989, GZ 1 b R 17/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 9.Dezember 1988, GZ C 34/88 -7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.263,04 (einschließlich S 543,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 42 KG Waldhausen mit dem Haus Nr.42. Im Grundbuch sind keine Rechte des Beklagten, ihres Sohnes, an dieser Liegenschaft eingetragen. Der nördliche Trakt des Anwesens Waldhausen 42 wurde vom Vater des Erstklägers im Jahr 1910 gekauft. Der Mitteltrakt, den die Kläger derzeit bewohnen, wurde in den Jahren 1951/52 gebaut. Mit der Errichtung des südlichen Traktes wurde 1964 begonnen. Als der Bau vollendet war, zog der Beklagte mit seiner ehemaligen Ehefrau in die - verfahrensgegenständliche - Wohnung im 1.Stock ein. In diesem Zeitpunkt, aber auch in der Folge gab es zwischen den Streitteilen keinerlei Gespräche darüber, auf welcher Grundlage der Beklagte mit seiner Familie die Wohnung benützen durfte. Die Wohnung selbst wurde ihm von den Klägern auf Grund der familiären Umstände, weil die zuvor von ihm benutzten Räumlichkeiten zu beengt waren, überlassen. Es fanden keine Gespräche zwischen den Streitteilen über den Zeitraum statt, in welchem der Beklagte diese Wohnung benützen dürfte. Nach der Ehescheidung des Beklagten im Jahr 1974 bewohnte dieser die gegenständliche Wohnung allein weiter. Anläßlich der Scheidung der Ehe zahlte er seiner Gattin Gertrude M*** einen Betrag von S 100.000, dies aber nicht als Ablöse für ein etwaiges Wohnungsrecht. Dem Beklagten wurde wiederholt von den Klägern gesagt, daß er einmal das gesamte Anwesen bekommen werde, da er ja als Baumeister den Betrieb seiner Eltern fortführen werde. Der Beklagte zahlte keinen Mietzins, tätigte aber umfangreiche Investitionen in der Wohnung im Südtrakt, dies in der Erwartung, daß er das gesamte Objekt Waldhausen 42 einmal - nach dem Tod seiner Eltern - bekommen werde. Von diesen wurde ihm immer wieder versichert, er habe ohnehin in Waldhausen seine Wohnung, er werde das Haus auch einmal bekommen.

Die Kläger begehren, den Beklagten zur Räumung der von ihm benützten näher bezeichneten Wohnung und zweier Garagen sowie zur Herausgabe des Schlüssels zu einer von ihm benützten Sauna zu verurteilen. Der Beklagte habe diese Räumlichkeiten prekaristisch benützt und totz ausdrücklichen Widerrufs dieser Befugnis die Räumlichkeiten nicht freigemacht.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens mit der Behauptung, die Eltern hätten ihm - und seinerzeit seiner Familie - ein obligatorisches lebenslängliches Wohnrecht an den betreffenden Objekten eingeräumt. Überdies habe er bedeutende Investitionen im Betrag von rund S 500.000 in den von ihm benützten Räumlichkeiten getätigt, weshalb er für den Fall, daß ihm keine Rechte an diesen Räumlichkeiten zustehen sollten, das Zurückbehaltungsrecht geltend mache, so daß er nur Zug um Zug gegen Zahlung der investierten Beträge zur Räumung zu verurteilen sei. Die Garagenboxen seien ihm von der Engelbert M*** Gesellschaft mbH, aus welcher die Kläger vorher ausgeschieden seien, in einem gerichtlichen Vergleich übertragen worden, so daß die Kläger diesbezüglich nicht aktiv klagslegitimiert seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe die fraglichen Räume im Anwesen auf der Liegenschaft der Kläger bloß auf Grund seines familienrechtlichen Naheverhältnisses als Sohn ohne jeden ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Rechtstitel benützt. Die vom Beklagten behaupteten Rechte an den Garagenboxen auf Grund einer angeblichen vergleichsweisen Eigentumsübertragung durch die Engelbert M*** Gesellschaft mbH bestünden nicht zu Recht, weil es sich dabei nicht um Überbauten handle, so daß auch in Ansehung dieser Räumlichkeiten die aktive Klagslegitimation gegeben sei. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten für seine - nicht näher geprüften, wenn auch im Grunde nicht bestrittenen - Investitionen bestehe ebenfalls nicht, weil ein solches nicht einmal einem Mieter zukomme.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und bewertete den Streitgegenstand über S 300.000. Nach den getroffenen Feststellungen könne den Parteien nicht ohne jeden Zweifel ein Vertragswille dahin unterstellt werden, ein Wohnungsrecht des Beklagten an den genannten Objekten zu vereinbaren. Allein das Wohnen(lassen) von Familienangehörigen im Haus der Kläger lasse in Ermangelung jeglicher vertraglicher Regelung von Rechten und Pflichten kein Wohnungsrecht des Beklagten erkennen. Die wiederholte Versicherung der Kläger, daß der Beklagte ohnehin (in Waldhausen 42) seine Wohnung habe und die Liegenschaft einmal erhalten werde, bekunde nur die Absicht der Kläger, über die Liegenschaft zugunsten des Beklagten zu verfügen und ihn derzeit dort wohnen zu lassen. Ein familienrechtliches Wohnverhältnis sei aber deshalb nicht anzunehmen, weil der Beklagte von den Klägern nicht mehr (allenfalls mit der Wohnung) zu versorgen sei. Daher sei von einer Bittleihe im Sinne des § 974 ABGB auszugehen, wobei deren jederzeitige Widerruflichkeit sich nach den Umständen schon dann ergäbe, wenn ein gedeihliches Zusammenleben der Kläger mit ihrem Sohn im selben Haus nicht mehr möglich wäre. Bei dieser rechtlichen Beurteilung der Wohnungsbenützung des Beklagten stehe diesem das geltend gemachte, auf eine Zug um Zug-Verurteilung gegen Ersatz der von ihm getätigten Investitionen abzielende Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1440 ABGB nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 863 Abs.1 ABGB kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an; besondere Vorsicht ist daher bei der Annahme schlüssigen Verzichtes (im Sinne eines Rechtsverlustes oder einer Rechtsaufgabe) geboten (Rummel in Rummel2 Rz 14 zu § 863 mwH). Legt ein dem Familienverhältnis zwischen Eltern und ihrem volljährigen Sohn entspringender tatsächlicher Wohnzustand ein durch natürliches Zusammengehörigkeitsgefühl geprägtes und in diesem wurzelndes Wohnverhältnis nahe, ist es Sache des Benützers der Wohnung, konkrete Umstände darzutun, die einen unzweifelhaften Schluß auf die Annahme eines Rechtstitels zur Wohnung zulassen (MietSlg.35.007 mwH). Auch für das schlüssige Zustandekommen eines Rechtsverhältnisses unter nahen Angehörigen bleibt die aus den gewechselten Erklärungen und dem gesetzten Verhalten objektiv zu erschließende beiderseitige Rechtsgeschäftsabsicht entscheidend (vgl. MietSlg.31.150 ua.). Auch wenn die Hauseigentümer (hier die Kläger) lange Zeit hindurch duldeten, daß ihr Sohn (vorerst bis zur Ehescheidung im Jahr 1974 mit seiner Familie und dann allein) im Hause lebt und in den von ihm benützten Räumlichkeiten Investitionen vornimmt, setzt dies allein noch nicht zwingend eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Haus- oder Wohnungsbenützung (etwa einen Mietvertrag, ein obligatorisches Wohnrecht oder Leihe) voraus, sondern ist eine solche Benützung immer noch im Rahmen eines ungeregelten, aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis sich ergebenden tatsächlichen Zustandes denkbar (MietSlg.35.007; 33.009; 31.150; 31.009 ua). Dies gilt sowohl, wen diese Investitionen in der (hier naheliegenden) Erwartung vorgenommen wurden, das gesamte Objekt späterhin zu erwerben, als auch, wenn dieser Aufwand in der irrigen Ansicht vorgenommen worden wäre, eine Rechtsstellung zur Wohnungsbenützung (als Wohnungsberechtigter oder gar Mieter) zu haben (vgl. MietSlg.35.007). Mangels familienrechtlicher Ansprüche (insbesondere Unterhaltsansprüche) des Benützers kann der über die Wohnung oder das Haus Verfügungsberechtigte das Wohnverhältnis jederzeit, letztlich daher durch Räumungsklage beenden (vgl. Würth in Rummel2 Rz 7 zu § 1090 mwH), wenn die tatsächliche Wohnungsbenützung - wie hier nach den Feststellungen - nicht zeitlich oder durch den Eintritt einer Bedingung begrenzt ist. Eine solche Gebrauchsüberlassung stellt sich als Wohnungsbittleihe im Sinne des § 974 ABGB dar, die jederzeit - daher auch in dem von den Klägern behaupteten Unverträglichkeitsfall - widerrufen werden kann. Ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 Abs.1 ABGB für seine auf die Sache gemachten Aufwendungen kann der Beklagte deshalb nicht einwenden, weil dieses nach herrschender Ansicht bei Bitt- und Wohnungsleihe ausgeschlossen ist (Rummel in Rummel2 Rz 13 a zu § 1440 ABGB mwH; MietSlg.20.218).

Der Beklagte hat im Verfahren nicht bewiesen, mit seinen Eltern in Ansehung der strittigen Räumlichkeiten (schlüssig) ein obligatorisches Wohnungsrecht auf Lebenszeit oder gar ein Mietverhältnis begründet zu haben. Die von ihm geübte Wohnungsbenützung entsprach einem tatsächlichen, ursprünglich dem familiären Naheverhältnis entsprungenen und aus diesem Grund beibehaltenen Wohnverhältnis, bei dem er in der Erwartung des ihm auch zugesagten Erwerbes der Liegenschaft Investitionen vornahm, ohne daß zwischen seinen Eltern und ihm irgendwelche vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden. Noch lange nach erreichter Volljährigkeit und dem nach Scheidung seiner Ehe im Jahr 1974 verbundenen Wegziehen seiner Familie bewohnte der Beklagte diese Räumlichkeiten im Haus seiner Eltern unentgeltlich und ohne konkreten Endigungstermin. Das festgestellte Verhalten der Kläger, insbesondere auch deren öfters wiederholte Zusage, der Beklagte habe in Waldhausen 42 ohnehin seine Wohnung und werde das Anwesen einmal bekommen, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht geeignet, einen jeden Zweifel ausschließenden Rechtsgeschäftswillen der Kläger in der Richtung zu dokumentieren, die vom Beklagten bewohnten Räumlichkeiten diesem in Anerkennung eines lebenslänglichen Wohnungsrechtes des Beklagten zu überlassen.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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