OGH 11Os34/90

OGH11Os34/9025.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter G*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 (erster Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Februar 1990, GZ 1 b Vr 8.083/89-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und - teils auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Peter G*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil er am 14.August 1989 in Wien gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen stahl, und zwar der Elisabeth K*** ein ärmelloses Leibchen (im erstgerichtlichen Urteil mehrmals unrichtig: Laibchen) im Wert von 248 S sowie einen ärmellosen Pullover im Wert von 149 S und der Martina S*** sieben T-Shirts im Wert von mindestens 342 S.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf Z 5, 5 a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst war aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO ein nicht geltend gemachter Feststellungsmangel zur Frage der Gewerbsmäßigkeit aufzugreifen:

Die Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, kann zwar auch dann gegeben sein, wenn der Täter dabei obschon nur - im Vergleich zu seinen sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen: - geringfügige Nebeneinkünfte anstrebt, sofern sie den Bagatellbereich übersteigen (Leukauf-Steininger, StGB2 RN 5 zu § 70; 12 Os 163/87), der seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 mit bis etwa 1.000 S anzusetzen ist (EvBl. 1989/112 = RZ 1989/60 JBl. 1990, 55).

Zur Gewerbsmäßigkeit konstatierte hier das Schöffengericht indes lediglich, daß der Angeklagte in den Morgenstunden des 14. August 1989 den Plan faßte, sich durch wiederkehrende Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu schaffen, was es aus dem Vorleben des Angeklagten im Zusammenhalt mit seiner Darstellung über den Ablauf des Tattages ableitete (US 4 f). Es ließ offen, ob die Absicht des Angeklagten auch auf Gewinnung eines den Bagatellbereich übersteigenden, durch längere Zeit fließenden Einkommens gerichtet war. Derartiges ergibt sich keineswegs zwingend aus den als Grundlagen der (Urteils-)Konstatierung genannten Umständen, denn das Vorleben des Angeklagten ist überwiegend durch eine Reihe von Diebstählen bloß geringwertiger Sachen gekennzeichnet (vgl. den Inhalt der Vorstrafakten 1, 6, 9, 10 und 11 der Strafregisterauskunft) und das Ergebnis der deliktischen Angriffe des Tattages blieb insgesamt durchaus im Bagatellbereich. Der Beschwerdeführer wieder macht - im Rahmen seiner Rechtsrüge, der Sache nach als Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) - zutreffend geltend, im Urteil sei die von ihm behauptete (wirtschaftliche) Notlage (US 4) mit unvollständiger Begründung abgetan worden:

Das Schöffengericht konstatierte zwar, daß der Angeklagte und seine Lebensgefährtin aus Sozialhilfe und Kinderbeihilfen ein gemeinsames Einkommen von ca. 11.000 S bezogen - entgegen den insoweit eine Aktenwidrigkeit monierenden Beschwerdeausführungen konnte es sich dabei auf die eigene Verantwortung des Angeklagten (S 28 in ON 4) stützen - und daß die Lebensgefährtin das gesamte gemeinsame Barvermögen verloren hatte (US 3); es überging aber weitere wesentliche Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen, nämlich die Behauptungen des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin über - gemessen am Familieneinkommen - hohe Miet- und Stromkosten (S 44, 47) sowie das Vorbringen, daß - offenbar wegen Mietzinsrückstands - eine Räumungsklage bei Gericht eingebracht worden sei (S 45).

Da nicht auszuschließen ist, daß das Schöffengericht bei Berücksichtigung dieser Umstände, sollten sie erweislich sein, zu einer anderen Bewertung der vom Angeklagten geltend gemachten Notlagesituation gekommen wäre (und die deliktischen Angriffe - unter Umständen - als Entwendung nach dem § 141 Abs. 1 StGB zu beurteilen gehabt hätte, für deren Verfolgung es an einer Ermächtigung der Verletzten (§ 141 Abs. 2 StGB) mangelt), erweisen sich eine Kassation des angefochtenen Urteils (auch im Schuldspruch wegen des Grundtatbestandes des Diebstahls) und die Anordnung einer Verfahrenserneuerung als unumgänglich, ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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