OGH 14Os39/90

OGH14Os39/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas R*** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1 und Abs 2 sowie 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.November 1989, GZ 1 b Vr 4394/89-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas R*** (A) des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 sowie 15 StGB und (B) des Vergehens öffentlicher unzüchtiger Handlungen nach § 218 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

(zu A) nachangeführte Frauen zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt oder zu nötigen versucht, indem er:

I. mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt sowie teilweise durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben

1. zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes genötigt:

a) im Feber/März 1985 eine unbekannt gebliebene Frau, indem er ihr zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte, wodurch sie die Brillen verlor, sie anschließend so lange würgte, bis sie bewußtlos wurde, die Bewußtlose in eine Baugrube zerrte und anschließend an ihr den Beischlaf vollzog;

b) im Oktober 1986 eine unbekannt gebliebene Frau, indem er sie mit beiden Händen würgte, hinter einen parkenden LKW zerrte, zu Boden drückte, mit dem Umbringen bedrohte und anschließend an ihr den Beischlaf vollzog;

2. zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht:

a) am 26.Mai 1988 Mag. Brigitte E***, indem er sie in einer Schnellbahnstation unvermittelt mit beiden Händen am Hals würgte und die sich heftig wehrende Frau umklammerte, welche sich nur durch "Brechen des Zeigefingers seiner rechten Hand" aus der Umklammerung befreien und flüchten konnte;

b) am 20.April 1989 Elisabeth B***, indem er sie im Stiegenhaus ihres Wohnhauses mit beiden Händen am Hals würgte, "bis ihr schwarz vor den Augen wurde, wobei sie mit dem Oberkörper über ein Stiegengeländer hing, wobei es nur zufolge der Schreie und der Gegenwehr der Frau beim Versuch geblieben ist";

c) am 26.April 1989 Brigitte H***, indem er sie auf der Straße mit beiden Händen am Hals würgte, der flüchtenden Frau nachlief, sie neuerlich am Hals erfaßte und fest würgte, wodurch sie leichte Verletzungen erlitt und es nur durch Schreie der Frau, die Fensterscheiben (einer Erdgeschoßwohnung) einschlug, um Hilfe von dritter Seite zu erlangen, beim Versuch geblieben ist;

II. mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, und zwar:

  1. 1. im Winter 1984 Nathalie d'URS durch Würgen am Hals,
  2. 2. im Feber 1987 eine unbekannt gebliebene Frau in Wien 11, Simmeringer Hauptstraße, durch Festhalten am Hals und Hineinzerren in einen Gemeindebau;

    3. im Sommer 1987 eine unbekannt gebliebene Frau in Wien 3, Hohlweggasse, durch Umklammern, Zuhalten des Mundes und Drängen gegen eine Mauer,

    4. im Frühjahr 1988 eine unbekannt gebliebene Frau in Wien 3, Landstraßer Gürtel, durch Festhalten am Hals und Zerren gegen eine Einfahrt zum Belvedere;

    5. im September 1988 Silvia S*** durch Erfassen am

    Hals und die Äußerung, sie solle ruhig sein, dann passiere ihr nichts;

    6. im Herbst 1988 eine unbekannt gebliebene Frau in Wien 3, Dr. Bohrgasse, durch Würgen am Hals;

    7. im Oktober 1988 eine unbekannt gebliebene Frau in Wien 3, Arenbergpark, durch Anspringen von hinten und Würgen am Hals, wobei es jeweils nur zufolge der Gegenwehr bzw. der lauten Hilferufe der Opfer oder deren Flucht beim Versuch geblieben ist; (zu B) in der Zeit von 1984 bis April 1989 wiederholt in zumindest fünfzehn Angriffen jeweils abends in Straßenbahnhaltestellen, insbesondere im Bereich des Südtirolerplatzes, mithin öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, durch Entblößen seines Geschlechtsteiles und Onanieren vor Passantinnen unzüchtige Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Ausdrücklich nur die Schuldspruchfakten laut Punkt A/I/1 a und b sowie A/II/4 bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) allein auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Das Schöffengericht hat seine Feststellungen zum Tathergang der von der Beschwerde bekämpften Fakten (US 10 ff) auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, welches dieser vor der Polizei zunächst aus der Erinnerung abgelegt, sodann im Zuge der Ausführung zu den von ihm namhaft gemachten Tatorten näher präzisiert und auch vor dem Untersuchungsrichter bestätigt hat (S 59, 61, 62, 66, 71, 72, 79 verso, 79 a). Unter weiterer Berücksichtigung der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen des am 20.Juli 1985 in Linz unter gleichartigen Umständen an Johanna W*** begangenen

Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB (aF) durch das Landesgericht Linz zum AZ 27 Vr 1872/85 und der Übereinstimmung des Inhalts der von einem Teil der Opfer (seinerzeit gegen unbekannte Täter) erstatteten Anzeige mit der nunmehrigen Darstellung des Angeklagten, versagte das Erstgericht der von ihm in der Hauptverhandlung geänderten Verantwortung, er habe das Geständnis zu diesen (drei) Fakten vor Beamten des Sicherheitsbüros der Bundespolizeidirektion Wien unter psychischem Druck abgelegt und die bezüglichen Vorfälle samt den dazu gemachten Detailangaben frei erfunden, (gemäß § 258 Abs 2 StPO) den Glauben (US 10, 11). Daß aber die Tatrichter seiner in der Hauptverhandlung geänderten Verantwortung nicht jene Bedeutung beigemessen haben, die der Beschwerdeführer ihnen beimißt, ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die bezüglichen Urteilskonstatierungen zu erwecken. Die Beschwerde vermag sohin keine aus den Akten ableitbaren erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Schöffensenat dem Ausspruch über die Schuld des Angeklagten zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Dies gilt namentlich auch für die Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Ewald S***, der entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde keinen Zweifel daran ließ, daß der Angeklagte abgesehen von seinen Angaben im Zuge der (routinemäßigen) Überprüfung seiner allfälligen Täterschaft im Zusammenhang mit den noch ungeklärten Mordfällen "B***" und "S***" keineswegs "phantasierte", sondern die Beamten von sich aus (auch) zu jenen Tatorten führte, die mit vorhandenen Anzeigen übereinstimmten. Gleiches gilt für den Beschwerdeeinwand hinsichtlich des Tatortes zum Schuldspruchfaktum Punkt A/II/4 des Urteilssatzes; hat doch der Beschwerdeführer insoweit den Tatort zunächst mit dem Eingang zum Belvedere angegeben (S 66) und im Zug seiner Ausführung (zu den einzelnen Tatorten) das Fassen des bezüglichen Tatentschlusses mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Haus Landstraßer Gürtel 3 näher präzisiert. Mit dem Einwand aber, das Erstgericht habe sich mit der Sexualität und den "Erektionsproblemen" des Angeklagten nicht auseinandergesetzt und solcherart Feststellungen in die Richtung unterlassen, ob der Angeklagte im jeweiligen (hier aktuellen) Tatzeitpunkt noch eine "zum Geschlechtsverkehr geeignete Erektion hatte", macht der Beschwerdeführer - der eine dauernde und totale, also generelle und damit allein entscheidungswesentliche (im Gegensatz zu einer, aus welchen Gründen immer, bloß vorübergehenden) Unfähigkeit zur Vollziehung des Beischlafes (vgl. SSt. 22/2, EvBl 1973/44; Pallin im WK § 201 Rz 25) selbst nie behauptet hat - weder einen Begründungsmangel nach der Z 5 noch einen Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach offenbar unbegründet, weshalb sie - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die vom Erstgericht in den Urteilsgründen (vgl. US 12) zum Ausdruck gebrachte Ansicht, die Strafbemessung wäre - wiewohl der bezügliche Schuldspruch nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB nF erfolgte - "im Hinblick auf § 61 StGB" nach § 201 Abs 1 StGB aF vorzunehmen gewesen, verfehlt ist. Eine Kombination aus altem und neuem Recht ist nämlich unzulässig; der Täter ist entweder nach dem einen oder nach dem anderen Gesetz zu behandeln (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 61 RN 11). Eine daraus resultierende Urteilsnichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen nicht aufzugreifen, weil sie sich vorliegend - angesichts der gleichen Höhe des rite anzuwendenden Strafsatzes nach § 201 Abs 1 StGB nF "... Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ..." - nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

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