OGH 3Ob522/90

OGH3Ob522/9018.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Kellner und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Verlassenschaft nach dem am 23.Februar 1985 verstorbenen Dr. Otto F***, wohnhaft gewesen in Graz, Liebiggasse 5, vertreten durch W*** W*** F***, Wien 16., Ottakringerstraße 114-116/9, dieser vertreten durch Dr. R. Kann ua, Rechtsanwälte in Graz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Karl P***, Elektriker, Grambach, Neuweg 1, vertreten durch Dr. Raoul Troll, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1,4 Mio S s.A, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 20.Dezember 1989, GZ 4 b R 107/89-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 11.Oktober 1989, GZ 23 Cg 291/89-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines Rekurses an die zweite Instanz und seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen. Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses unbeschadet eines ihr zustehenden Anspruches auf Ersatz vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die gefährdete Verlassenschaft erhob gegen ihren Gegner eine Klage auf Aufhebung eines vom Erblasser mit dem Gegner am 29. Oktober 1984 über ein Grundstück abgeschlossenen Kaufvertrages und Rückerstattung des Kaufpreises von 1,4 Mill S und stellte den Antrag, ihrem Gegner und der Drittschuldnerin Republik Österreich (Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Graz und Bezirksgericht für ZRS Graz) jede Verfügung über eine in einem Zwangsversteigerungsverfahren über die Liegenschaft, zu der auch das gekaufte Grundstück gehörte, angefallene Hyperocha und ihre Auszahlung an den Gegner der gefährdeten Partei zu verbieten. Zur Gefährdung des zu sichernden Anspruches brachte die gefährdete Partei vor, ihr Gegner habe es abgelehnt, zur Erfüllung eines Vermächtnisses zu Gunsten des Landes Steiermark die Zustimmung zur Ausfolgung der Hyperocha zu erteilen. Das durchgeführte Versteigerungsverfahren zeige, daß er nicht in der Lage sei, den Klagsbetrag zu zahlen, sondern daß die ihm auszuzahlende Hyperocha sein einziges Vermögen darstellen werde. Diese Auszahlung werde sehr bald erfolgen und es bestehe daher die Gefahr, daß der Gegner der gefährdeten Partei vor Beendigung des Prozesses in den Genuß der Hyperocha gelangen und durch Verbringen oder Verfügungen darüber die Hereinbringung der Forderung der gefährdeten Partei vereiteln oder erheblich erschweren werde. Es werde auf das Klagsvorbringen und die beigelegten Bescheinigungsmittel verwiesen.

Der Gegner der gefährdeten Partei sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus, wobei er das Vorliegen und die Bescheinigung einer subjektiven Gefährdung bestritt. Das Erstgericht erließ die beantragte Einstweilige Verfügung.

Es nahm im wesentlichen folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der Erblasser hatte mit dem Gegner der gefährdeten Partei am 29. Oktober 1984 den behaupteten Kaufvertrag abgeschlossen und den Kaufpreis von 1,4 Mill S bezahlt. Es war vereinbart, daß die Liegenschaft lastenfrei zu übergeben sei. Mit dem Kaufpreis wurde eine weitgehende Lastenfreistellung erreicht, was letztlich zu einer hohen Hyperocha führte, doch wurde trotzdem am 16.März 1988 die Liegenschaft einschließlich des verkauften Grundstücks zusammen mit einer weiteren Liegenschaft des Gegners der gefährdeten Partei versteigert. Diese beiden Liegenschaften waren das einzige Vermögen des Gegners der gefährdeten Partei. Dieser lehnte es ab, eine Erklärung abzugeben, daß die zu erwartende Hyperocha dem Land Steiermark (dem ein Haus des Erblassers vermacht worden war) ausgezahlt werden könne.

Das Erstgericht erblickte vor allem in dieser Weigerung eine Bescheinigung der Gefährdung.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde, und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Es vertrat die Ansicht, daß weder durch die Vermögenslosigkeit noch durch die Weigerung, die Hyperocha herauszugeben, eine subjektive Gefährdung bescheinigt werden könne. Weitere konkrete Behauptungen über positive Handlungen des Gegners der gefährdeten Partei habe die gefährdete Partei in ihrem Antrag nicht aufgestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist berechtigt. Zur Sicherung einer Geldforderung kann eine einstweilige Verfügung nach § 379 Abs 2 Z 1 EO erlassen werden, wenn wahrscheinlich ist, daß der Gegner der gefährdeten Partei ihre Hereinbringung sonst durch Beschädigen, Zerstören, Verheimlichen oder Verbringen von Vermögensstücken durch Veräußerung oder andere Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, insbesondere durch darüber mit dritten Personen getroffene Vereinbarungen vereiteln oder erheblich erschweren würde. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine rein abstrakte Gefährdungsmöglichkeit nicht, sondern es muß eine im Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei begründete sogenannte subjektive Gefährdung vorliegen (EvBl 1981/171 ua). Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegeben, wenn Eigenschaften oder ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei bescheinigt werden, die ihn in einem Licht zeigen, aus dem sich die hohe Wahrscheinlichkeit der Vornahme von Vereitelungshandlungen besorgen läßt (EvBl 1971/112, EFSlg 34.718 ua).

Entgegen der Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben.

Bescheinigt ist nicht nur, daß der Gegner der gefährdeten Partei außer dem Anspruch auf Auszahlung der Hyperocha kein Vermögen besitzt und eine freiwillige Ausfolgung der Hyperocha an einen von seinem früheren Vertragspartner letztwillig Bedachten ablehnte, was für sich allein nicht ausreichen würde. Es ist auch glaubhaft gemacht, daß der Gegner der gefährdeten Partei den vollen Kaufpreis erhielt, diesen aber nicht zur Erwirkung der gänzlichen Lastenfreistellung des verkauften Teils seiner Liegenschaften verwendet hat, sodaß also schon ein treuwidriges Verhalten feststeht. Vor allem aber ist bescheinigt, was die Vorinstanzen bisher nicht berücksichtigt haben, daß der Gegner der gefährdeten Partei am Tage seiner Äußerung zur einstweiligen Verfügung (29.September 1989), in der er noch bestritt, daß eine Vereinbarung mit dritten Personen als Gefährdungsmoment vorliege, dem Exekutionsgericht eine Urkunde über die rechtsgültige und unwiderrufliche Abtretung der ganzen Hyperocha an den Überbieter Ing.Willibald G*** vorlegte (zitiert im Verteilungsbeschluß des Exekutionsgerichtes vom 7.November 1989, der in diesem Verfahren unter ON 10 einjournalisiert wurde). Die gefährdete Partei hat sich zwar bis zum maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung durch das Erstgericht auf diesen Umstand nicht ausdrücklich berufen, sie hat aber die Gefahr solcher Verfügungen behauptet und zur Bescheinigung unter anderem auf den das Versteigerungsverfahren betreffenden Exekutionsakt hingewiesen ("Da der Beklagte, wie das Versteigerungsverfahren ... zeigt, ..."). Der Umstand ist also keine Neuerung. Das Erstgericht hatte zwar den Exekutionsakt bei Erlassung der einstweiligen Verfügung noch nicht zur Verfügung, benötigte ihn jedoch nicht, weil es an die Gefährdung keinen so strengen Maßstab anlegte. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz lag jedoch der Exekutionsakt vor. Das Gericht zweiter Instanz durfte daher diesen offenbar nicht strittigen Vorgang nicht unbeachtet lassen.

Das Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei im Zusammenhang mit der Verwendung des Kaufpreises und die erwähnte Abtretung der Hyperocha stellen aber ein Verhalten dar, das im Sinne der angeführten Rechtsprechung eine subjektive Gefährdung begründet. Die Entscheidung über die Kosten des Gegners der gefährdeten Partei stützt sich auf die §§ 78 und 402 Abs 2 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO. Die gefährdete Partei hat ihre Kosten gemäß § 393 Abs 1 EO unbeschadet eines ihr zustehenden Anspruches auf Ersatz vorläufig selbst zu tragen.

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