OGH 5Ob94/89

OGH5Ob94/8910.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Klinger, Dr.Zehetner und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner P***, Bankdirektor, Rum, Eibenweg 2, vertreten durch Dipl.Vw.DDr.A.Santner und Dr.Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei DDr.Hubert F***, Rechtsanwalt, Adamgasse 15, vertreten durch Dr.Ernst Offer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Mitwirkung an der Durchführung eines Beschlusses der Liegenschaftseigentümermehrheit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 24.Mai 1989, GZ 3 R 150/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.März 1989, GZ 17 Cg 9/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

Der Beklagte ist schuldig, alle zur Durchführung des Beschlusses der Mehrheit der Miteigentümer des Hauses Innsbruck, Museumstraße 1 - Burggraben 10, nach dem die Fassade dieses Hauses gemäß dem von der Miteigentümermehrheit am 3.11.1986 zur GZl VI 3317/38/1986-RR beim Stadtmagistrat Innsbruck als Baubehörde zur Genehmigung eingereichten Projekt gestaltet werden soll, von seiner Seite erforderlichen Handlungen zu setzen, und alle die Durchführung dieses Mehrheitsbeschlusses hindernden Maßnahmen zu unterlassen, insbesondere ein Gesuch an den Stadtmagistrat Innsbruck als Baubehörde um Erteilung der Baubewilligung für die beschlossene Fassadenerneuerung gemäß dem genannten Projekt sowie allenfalls eine Berufung gegen den dieses Gesuch abweisenden Bescheid und eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mitzuunterfertigen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen folgende Kosten zu ersetzen:

An Prozeßkosten erster Instanz den Betrag von 152.605,77 S (darin 5.200,-- S an Barauslagen und 13.400,52 S an Umsatzsteuer), an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 36.882,80 S (darin 8.000,-- S an Barauslagen und 4.813,80 S an Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 27.317,80 S (darin 10.000,-- S an Barauslagen und 2.886,30 S an Umsatzsteuer).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile und Robert K*** sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 617 KG Innsbruck mit dem Eckhaus Museumstraße 1 - Burggraben 10, dem sogenannten "Unterberger-Haus", der Kläger zu 3300/4350-Anteilen, der Beklagte zu 467/4350-Anteilen und Robert K*** zu den restlichen 583/4350-Anteilen. Mit den Miteigentumsanteilen des Beklagten ist das Wohnungseigentum ua an dem im Parterre an der Süd- und Westseite des Gebäudes gelegenen Verkaufsraum (top. 1) verbunden, in dem der Beklagte die Kunsthandlung U*** betreibt. Die in den Auslagen der Kunsthandlung des Beklagten ausgestellten Exponate sind naturgemäß licht und sonnenempfindlich. Zum Schutz dieser Exponate sind die Auslagen der Kunsthandlung durch Markisen geschützt. Auch die Auslagen des von der Museumstraße her zugängliche, von Hilde G*** geführte Uhren- und Schmuckgeschäft haben Markisen. Der Beklagte erwarb seine Miteigentumsanteile vom vormaligen Alleineigentümer der Liegenschaft Dr.Franz U*** mit Kaufvertrag vom 17.7.1973. Punkt 8. dieses Kaufvertrages hat ua folgenden Wortlaut:

"Die Fassade vor den Räumlichkeiten des Käufers bis zur Decke zwischen Erdgeschoß und erstem Stock steht ausschließlich dem Käufer zur Benützung zur Verfügung. Er hat daher auch die Instandhaltung und Reparatur dieses Teiles der Hausfassade allein vorzunehmen. Der Käufer ist weiters berechtigt, die straßenseitige Fassade vor seinen Räumlichkeiten ausschließlich zu benützen, und zwar bis zu einer Höhe von 30 cm unterhalb der Fenster im ersten Stock. Ausgenommen zugunsten des Käufers darf niemand die Fassade bis herauf auf die Höhe der Parapete für Schriften, Reklame, Schilder und dergleichen benützen. Der Käufer kann auf dem ihm vorbehaltenen Teil der Fassade Schilder und Leuchtschriften usw. anbringen, dies vorbehaltlich der erforderlichen behördlichen Genehmigungen. Der Käufer ist zur Umgestaltung und auch zum Umbau seiner Räume und der Fassade bis zur Decke zum ersten Stock hinauf berechtigt, wobei selbstverständlich alle statischen Erfordernisse des Gesamthauses sorgfältig einzuhalten sind."

Der Kläger und Robert K*** erwarben ihre Miteigentumsanteile ebenfalls von Dr.Ernst U***, und zwar mit

den - getrennten - Kaufverträgen vom 30.8.1978. Diese Kaufverträge enthalten jeweils unter Pkt. XI (Kläger) bzw. Pkt. X (Robert K***) nachstehende - gleichlautende - Bestimmung:

"Der Käufer nimmt die in den Punkten 7.), 8.), 9.) und 16.) des Kaufvertrages vom 28.9.1973 enthaltenen Rechte und Pflichten ausdrücklich zur Kenntnis."

Jeweils in Punkt I. dieser beiden Kaufverträge ist ua festgehalten, daß der Verkäufer ursprünglich Alleineigentümer der Liegenschaft war und Herrn DDr.Hubert F*** mit Kaufvertrag vom 28.9.1973 46/435-Miteigentumsanteile und mit Kaufvertrag vom 24.6.1974 weitere 7/435-Anteile verkauft hat. Bei dem in den beiden Kaufverträgen mit dem Datum 28.9.1973 angeführten Vertrag handelt es sich um jenen, der als Kaufvertrag vom 17.7.1973 zwischen Dr.U*** und dem Beklagten abgeschlossen wurde. Das mit 28.9.1973 angeführte Datum in den beiden Kaufverträgen beruht auf einem Irrtum des Vertragsverfassers Notar Dr.Bernhard E***. Bei Unterfertigung des Kaufvertrages durch den Kläger lag der zwischen Dr.U*** und dem Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag vor. In der Zeit vom 1.9.1978 bis 30.9.1987 führte der Kläger als Mehrheitseigentümer die Hausverwaltung.

Die Fassade des Unterberger-Hauses wies bereits seit den Siebzigerjahren ernste Schäden auf und befand sich im Jahr 1982 in sehr desolatem Zustand. Dies führte unter anderem dazu, daß der Stadtmagistrat Innsbruck den Miteigentümern der Liegenschaft die Instandsetzung des Fassadenputzes auftrug (Bescheid vom 26.4.1982) und in einem weiteren Bescheid die Ersatzvornahme androhte (4.3.1985). In der Folge kam es zu mehrfachen Planungen hinsichtlich einer Renovierung der Fassade, aber auch für einen Umbau mit einer Aufstockung des Gebäudes. Die Realisierung all dieser Pläne scheiterte letztlich am mangelnden Einvernehmen zwischen den Streitteilen. Am 3.11.1986 suchten der Kläger und Robert K*** beim Stadtmagistrat Innsbruck um die Baubewilligung hinsichtlich der Neugestaltung der Fassade des Gebäudes im Sinne einer Planungsvariante des Architekten Dipl.Ing.H*** an. Diese sowohl den Gegenstand des Bauverfahrens als auch des vorliegenden Rechtsstreites bildende Planungsvariante weist ua folgende Umgestaltungsarbeiten auf:

Errichtung eines neuen Hauptgesimses im Bereich der Attika des Objektes mit einer Gesimsbreite von ca. 82 cm, einem Vorsprung über die Fassadenfläche von 15 cm, oberer Abschluß mit nach innen geneigter Attika-Abdeckung; Errichtung zweier neuer Hauptgesimse im Sturz- und Vorwandbereich des dritten Obergeschosses. Diese beiden Gesimse haben ebenfalls eine Ausladung über die Putzkluft von 15 cm, sie sind im oberen Abschluß mit Gesimsabdeckflächen versehen. Die Fensterkonstruktionen sind gegenüber der derzeitigen Lage der alten Fenster weiter zurückversetzt. Im Bereich des zweiten und dritten Obergeschosses ist etwa in der Mitte der beiden straßenseitigen Fassaden eine Erkerkonstruktion vorgesehen, die sich in beiden neugeschaffenen Hauptgesimse des dritten Obergeschosses einstützt. Der untere Abschluß des Erkers im Bereich des zweiten Obergeschosses mit einer Auskragung von 66 cm über die Putzkluft der Fassade wird mit Vorwandblechen abgedeckt. Die Vorbänke der Fenster im ersten und zweiten Obergeschoß erhalten einen Vorsprung über die derzeitige Fassadenkluft von 10 cm; sie sind ebenfalls mit Vorwandblechen ausgestattet.

Eine weitere horizontale Gliederung des Baukörpers in Form einer Gesimskonstruktion erfolgt überhalb der Geschäftsportale der beiden Straßenseiten mittels eines 60 cm hohen Gesimses, das ebenfalls wieder über eine entsprechende Gesimsverblechung verfügt. Dieses Sims oberhalb der Auslagen springt auf einer Höhe von 10 bis 15 cm ca. 20 cm gegenüber der derzeitigen Fassade vor. Auf einer Höhe von 45 cm springt es um weitere 5 cm vor, sodaß dieses Sims in zwei Stufen um insgesamt 25 cm vorspringt. Die glatte Fläche bis zum ersten Obergeschoß betrug vormals 1,90 m. Bei Errichtung des insgesamt 65 cm hohen Gesimses verbliebe ober diesem Gesims eine freie, für den Beklagten verfügbare Fläche in einer Höhe von restlich 85 cm. Das Gesims in einer Höhe von 65 cm stünde auf etwa 45 cm für Werbung zur Verfügung. Eine vertikale Gliederung der Fassadenfläche erfolgt überdies im Bereich Übergang Neubau zu Altbau und am nördlichen Ende der Fassadenfläche Burggraben durch vertikal angeordnete, gegenüber der Fassadenfläche vorspringende Pfeiler. Im zweiten Obergeschoß sollen die Fenster zum Teil, im dritten Obergeschoß zur Gänze von der bisherigen Fensterbreite auf eine lichte Breite von ca. 30 cm verengt werden. Von diesen Vorhaben sind bereits in den Strukturen die Veränderungen im Bereich der Dachattika, die Grundkonstruktion für das zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoß sowie die Stahlkonstruktion für die Erkerkonstruktion im Bereich des zweiten und dritten Obergeschosses an der Westfront des Hauses ausgeführt. Vor Beginn der Umbauarbeiten und solange das Haus eingerüstet war stellte die Taubenplage für den Beklagten und Hilde G*** keine besondere Beeinträchtigung dar; seit der Entfernung des Gerüstes wirkt sie sich insofern stärker aus, als die Tauben auf den bereits ausgebildeten Gesimsen und auf den Metallstreben des Scheinerkers gerne aufsitzen, dies insbesondere in der warmen Jahreszeit und zu Zeiten wärmernder Sonne. Auf der vorher glatten Fassade konnten die Tauben keine Sitzflächen finden. Nach Beendigung der vom Kläger geplanten Arbeiten würden die Tauben im Bereich der Scheinerker wegen deren Verkleidung keine Aufenthaltsmöglichkeit mehr haben. Seit der Entfernung des Gerüstes werden die Markisen durch den herabfallenden Taubenkot derart beschmutzt und verätzt, daß sie jährlich einmal ausgetauscht werden müssen. Manchmal werden Personen auf dem Gehsteig im Bereich des Unterbergerhauses bei nicht geöffneten Markisen vom herabfallenden Taubenkot beschmutzt. Im Zuge des bei der Baubehörde anhängigen Verfahrens (VI-3317/38-1986) wurde die Baubewilligung mit Bescheid der Berufungskommission in Bausachen vom 25.3.1987 mit der Begründung versagt, daß die Zustimmung des Beklagten nicht vorliege. Das vom Kläger beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachte Verfahren ist noch nicht erledigt. Mit der vorliegenden Klage begehrte Werner P***, den Beklagten schuldig zu erkennen, alle zur Durchführung des Beschlusses der Mehrheit der Miteigentümer über die beim Stadtmagistrat Innsbruck als Baubehörde am 3.11.1986 zur Zahl VI-3317/38-1986 zur Genehmigung eingereichte Gestaltung der Fassade von seiner Seite erforderlichen Handlungen vorzunehmen bzw. alle die Durchführung des Mehrheitsbeschlusses hindernden Maßnahmen zu unterlassen und für den Fall der nicht antragsgemäßen Erledigung des Baugesuches eine Berufung und allenfalls eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde mitzuunterfertigen. Infolge Witterungseinflüssen sei eine Fassadenrenovierung notwendig. Obwohl die beschlossene Fassadenänderung zweckmäßig und auch im öffentlichen Interesse gelegen sei, verweigere der Beklagte seine Zustimmung. Da sich der Außerstreitrichter rechtskräftig für unzuständig erklärt habe, sei die Klageführung erforderlich. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das geplante Vorhaben werde den architektonischen bzw. ästhetischen Anforderungen nicht gerecht, stelle keine nützliche Verbesserung dar und führe insbesondere wegen der vorspringenden Fassadenteile zu einer Verschärfung der ohnedies schon akuten Taubenplage, die zur Folge habe, daß wöchentlich mehrmals Taubenexkremente von den Markisen und vom Gehsteig vor dem Geschäft entfernt werden müßten. Außerdem verletze das Bauvorhaben die ihm vertraglich eingeräumten Rechte zur ausschließlichen Nutzung und Umgestaltung der straßenseitigen Fassade, die sowohl vom Kläger als auch von Robert K*** anerkannt worden seien. Ein Mehrheitsbeschluß gemäß § 14 Abs. 3 WEG könne niemals ohne Zustimmung des Beklagten zur Beseitigung seiner wohlbegründeten Rechte führen.

Demgegenüber bestritt der Kläger, daß ihm eine allfällige Verpflichtung hinsichtlich der Geschäftsaufschrift vom Voreigentümer Dr.U*** überbunden worden sei und keine nützliche Verbesserung vorliege; dem Beklagten erwüchsen aus diesen Arbeiten keine Kosten, weil der auf ihn entfallende Kostenanteil vom Kläger getragen werde. Der Kläger werde durch das Projekt in seinen Rechten nicht beeinträchtigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß das Projekt den Beklagten als Minderheitseigentümer übermäßig im Sinne des § 14 Abs. 3 WEG beeinträchtige. Es entspräche nämlich nicht der ursprünglichen Stilrichtung (kubistischer Stil der Nachkriegszeit) des Gebäudes und sei auch nicht der historischen Umgebung angepaßt. Das Bauvorhaben komme auch nicht dem verständlichen Wunsch des Beklagten entgegen, die Fassade so zu gestalten, daß den Tauben so wenig wie möglich Gelegenheit gegeben werde, sich dort niederzulassen. Das "stärkste Argument des Beklagten" sei aber, daß ihm vertraglich eine begrenzte Benützung der Fläche unter den Fenstern des ersten Obergeschosses zu Werbezwecken zugesagt worden sei. Die Fläche zwischen dem Fensterband oder dem Geschäft Kunsthandlung U*** und den Fenstern des ersten Obergeschosses sei etwa 1,90 cm hoch. Das geplante Gesimse weise eine Höhe von 65 cm auf und springe nach einer Höhe von etwa 45 cm um weitere 5 cm vor. Dieses Sims habe also keine ebene Oberfläche. Die Aufschrift, die vom Planer des Wiederaufbaues des Gebäudes als zum kubischen und einfachen Eindruck des Hauses passend entworfen worden sei, habe eine Fassadenhöhe von etwa 40 cm und sei derzeit etwa 30 cm über dem Sturz angebracht. Bei einer Gesamthöhe des Gesimses von 65 cm bliebe für gleich große Buchstaben von 40 cm wohl 25 cm freier Raum. Allerdings sei das Anbringen dieser Buchstaben wegen der Gliederung des Gesimses in sich wohl kaum möglich. Der oberhalb des Gesimses verbleibende freie Raum nütze nichts, weil allfällige Buchstaben durch das Gesimse nicht sichtbar seien. Durch das gegenständliche Projekt werde der Beklagte in dem ihm vertraglich zugesicherten Recht, die Fassade ober seinen Räumlichkeiten ausschließlich bis 30 cm unterhalb der Fenster des ersten Stockes zu nützen, beeinträchtigt. Da das Klagebegehren auf Zustimmung zu einem Bauansuchen als Ganzes gerichtet und es dem Gericht nicht möglich sei, nur Teile dieses Bauansuchens als gerechtfertigt zu betrachten, habe das gesamte Klagebegehren abgewiesen werden müssen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß die Feststellungen des Erstgerichtes eine abschließende Beurteilung des Klagebegehrens aus architektonischer bzw. gestalterischer Sicht und unter dem Gesichtspunkt des "Taubenproblems" nicht zuließen, der im übrigen übernommene Sachverhalt jedoch zur abschließenden rechtlichen Beurteilung ausreiche, weil das Bauvorhaben des Klägers aus den vom Erstgericht angeführten Gründen den Beklagten als Minderheitseigentümer übermäßig im Sinne des § 14 Abs. 3 Z 3 WEG beeinträchtigen würde.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision ist berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß es sich bei der vom Kläger und dem dritten Wohnungseigentümer K*** beabsichtigten Neugestaltung der Fassade um keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handelt, zumal die vorgesehene Änderung der Fassadengestaltung eindeutig über den bloßen Erhaltungszweck hinausgeht (§ 14 Abs. 1 Z 1 WEG). Für Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung fordert § 14 Abs. 3 WEG grundsätzlich die Einstimmigkeit aller Miteigentümer. Der Zustimmung aller Teilgenossen bedarf es allerdings nicht, wenn die überstimmte Minderheit durch die - nicht mehr unter den Begriff der ordentlichen Erhaltung fallende - Veränderung gemeinsamer Liegenschaftsteile, und nicht - wie der Beklagte meint - nur durch nützliche Verbesserungsarbeiten (vgl. Würth, ImmZ 1980, 183 f und bei FN 67; derselbe in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 14 WEG) weder finanziell belastet (§ 14 Abs. 3 Z 2 WEG) noch sonst übermäßig (Z 3 leg cit) beeinträchtigt wird. Eine solche übermäßige Beeinträchtigung des Beklagten durch die Fassadenerneuerung erblickte das Berufungsgericht allein schon in dem damit gegebenen Eingriff in das dem Beklagten von seinem Rechtsvorgänger anläßlich des Erwerbes seiner Miteigentumsanteile, mit welchen das Wohnungseigentum an dem Geschäftslokal verbunden ist, eingeräumte Recht zur ausschließlichen Benützung und Umgestaltung der Fassade in dem vertraglich näher umschriebenen Umfang. Gegen diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes richtet sich in erster Linie die in der Revision erhobene Rechtsrüge.

Dem Revisionswerber kann allerdings insoweit nicht gefolgt werden, als er meint, eine Überbindung dieser Rechte des Beklagten an ihn und Robert K*** sei durch die in die von ihm und K*** mit ihrem Rechtsvorgänger abgeschlossenen Kaufverträge erfolgte Aufnahme der Klausel, die in bestimmt angeführten Punkten eines anderen Kaufvertrages enthaltenen Rechte und Pflichten ausdrücklich zur Kenntnis zu nehmen, nicht erfolgt. Bei den dem Beklagten von Dr.U*** eingeräumten Rechten handelt es sich um

obligatorische Nutzungsrechte, die über das einem Mit- und Wohnungseigentümer gesetzlich zustehende Recht auf den Mitgebrauch an allgemeinen Teilen der Liegenschaft (§ 1 Abs. 3 WEG), hinausgehen und zufolge der im Schuldrecht herrschenden, durch § 24 WEG hier auch nicht eingeschränkten Vertragsfreiheit auch wirksam sind und damit das Dr.U*** zustehende Vollrecht aus seinem ihm verbliebenen Miteigentum einschränken. Wenn der Kläger und K*** anläßlich des Erwerbes von Miteigentumsanteilen Dr.U*** von diesem auf diese ihn treffende Einschränkung seines Eigentumsrechtes hingewiesen wurden und sie die dementsprechenden Rechte des nunmehrigen Beklagten zur Kenntnis nahmen, so besteht kein Zweifel, daß sie von Dr.U*** nicht mehr Rechte erwarben, als diesem zur Zeit der Veräußerung der Miteigentumsanteile zustanden. In der Annahme der Vorinstanzen, der Kläger müsse die dem Beklagten von Dr.U*** eingeräumten Nutzungsrechte in Ansehung der Fassade gegen sich gelten lassen, kann somit kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Z 3 WEG für die Annahme einer Durchbrechung des Einstimmigkeitsprinzipes ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den zwischen den Parteien im außerstreitigen Verfahren ergangenen, in Rechtskraft erwachsenen Zurückweisungsbeschluß im streitigen Verfahren zu prüfen. Entscheidend ist dabei vor allem, daß nach dieser Bestimmung nicht jede Beeinträchtigung eines überstimmten Wohnungseigentümers dessen Zustimmung zu der geplanten Veränderung notwendig macht. Das Mehrheitsprinzip gilt vielmehr schon dann, wenn die beabsichtigte Maßnahme keine übermäßige Beeinträchtigung des Überstimmten zur Folge hat. Daraus ergibt sich, daß ein maßvoller, dem Zusammenleben der Miteigentümer nicht endgültig abträglicher Eingriff in die Interessen der überstimmten Wohnungseigentümer zulässig ist und noch nicht die Notwendigkeit der Zustimmung aller Miteigentümer auslöst. Dabei sind sowohl materielle, wie ideelle Interessen der Überstimmten zu beachten (vgl. Faistenberger-Barta-Call, 390, Rz 101 zu § 14 WEG). Bei Beurteilung der Zumutbarkeit des Ausmaßes der mit den angestrebten Änderungen allenfalls verbundenen Beeinträchtigung der überstimmten Minderheit ist auch zu berücksichtigen, daß jeder Mit- und Wohnungseigentümer im Rahmen des die Gemeinschaft verbindenden besonderen Schuldverhältnisses die Pflicht hat, auf schutzwürdige Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen, anderseits aber auch selbst ein zumutbares Maß an Toleranz von den anderen Teilgenossen erwarten darf. Der Beklagte erachtet sich durch die streitgegenständlichen Veränderungen in dreifacher Hinsicht, und zwar aus architektonischen und ästhetischen Gründen, ferner wegen der Taubenplage und schließlich durch den mit der Umgestaltung der Fassade verbundenen Eingriff in das ihm zustehende Recht zur Benützung und Umgestaltung der Fassade beeinträchtigt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes reichen jedoch die Feststellungen des Erstgerichtes zur allseitigen rechtlichen Beurteilung der Rechtssache aus.

Was zunächst die Einwendungen des Beklagten aus architektonisch-ästhetischer Sicht anlangt, so kommt es nur darauf an, ob die Änderung der Fassadengestaltung in ihrer Gesamtheit eine Verschlechterung des äußeren Erscheinungsbildes des Gebäudes, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf den Eindruck der Nachbarhäuser, zur Folge hätte. Die vom Beklagten immer wieder relevierte Frage, ob die Anbringung von Gesimsen tatsächlich dem Schutz gegen eindringendes Wasser dient, ist daher hier bedeutungslos. Ein Vergleich der geplanten Fassade mit der derzeit vorhandenen, läßt eine Verschandelung des Hauses, etwa weil eine völlig unausgewogene, ja geradezu kitischige Fassade geschaffen würde, nicht erkennen. Die Ausgestaltung von Gesimsen kommt dem restlichen, von Kriegseinwirkungen im wesentlichen verschont gebliebenen Altbestand sowie dem anschließenden Haus, dessen Fassaden ebenfalls durch Gesimse horizontal gegliedert sind, weit näher, als die derzeit vorhandene, völlig glatte und nahezu ungegliederte Fassade. Auch die Änderung der Fensterbreiten ändert das Bild des Hauses nicht wesentlich, wird doch das gesamte dritte Obergeschoß regelmäßig in dem auch darunter von Fenstern betroffenen Bereich von diesen Fenstern beherrscht, sodaß die Assoziation mit WC-Fenstern nicht gerechtfertigt ist. Die im Bereich der Scheinerker geplanten schmäleren Fenster beeinträchtigen das Fassadenbild ebenfalls nicht wesentlich, korrespondieren sie doch in Form und Breite den darüber befindlichen Fenstern des dritten Obergeschosses. Schließlich handelt es sich hier um Geschmacksfragen, die das Gericht nicht autoritär entscheiden kann. Es kann nur eine krass ins Auge fallende Geschmacklosigkeit, die von nahezu jedem Betrachter als störend empfunden würde, wahrnehmen und sich nicht der Geschmacksrichtung einer größeren oder kleineren Gruppe anschließen. Die Wahrnehmung des Ensembleschutzes ist Sache der Baubehörde. Darüber, ob dem vom historischen Stadtbild nicht entsprechendes Bauwerk mehr oder weniger störend ist, kann man verschiedener Meinung sein. Derartige ästhetische Urteile sind nicht Sache des Gerichtes, wenn die Wertunterschiede nicht eindeutig sind, wobei die Eindeutigkeit immer nur vom Standpunkt der Beschauer aus und nicht von dem einzelner Fachleute zu beurteilen ist. Eine solche Eindeutigkeit im Sinne des Standpunktes der Beklagten ist hier zu verneinen.

Dem Beklagten kann auch darin nicht gefolgt werden, daß in der mit dem zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Obergeschoß vorgesehenen Gesims allenfalls verbundenen Verminderung des Lichteinfalles in seine Geschäftsräumlichkeiten eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Interessen zu erblicken wäre, weil das Gesims erst etwa 15 cm oberhalb der Auslagen beginnt, vorerst nur 20 cm die Fassade überragt und nach einer Gesimshöhe von 45 cm auch bloß um weitere 5 cm vorspringt. Der Lichteinfall kann also nicht entscheidend verändert werden, insbesondere wenn berücksichtigt wird, daß die Exponate des Beklagten in den Auslagen ohnedies des Schutzes vor Licht bedürfen und zu diesem Zweck Markisen verwendet werden müssen.

Dem Beklagten ist wohl zuzugeben, daß die Taubenplage eine besondere Belastung darstellen und ganz allgemein zur Belästigung von Fußgängern und damit auch von Kauf- und Schaulustigen führen kann. Dabei handelt es sich aber um ein in Städten auftretendes, in erster Linie von der öffentlichen Hand zu lösendes Problem, das nicht dazu führen darf, daß private Bauträger die Bauweise ihrer Häuser darnach ausrichten müssen, daß die Tauben keine Gelegenheit finden, im Bereich der gassenseitigen Dachenden oder der Fassaden aufzusitzen.

Was schließlich die dritten Einwendungen des Beklagten betrifft, so ist davon auszugehen, daß der für die daraus abgeleitete Beeinträchtigung seiner Interessen behauptungs- und beweispflichtige Beklagte lediglich ausgeführt hat, infolge des oberhalb seines Geschäftslokales vorgesehenen, in einer Höhe von ca. 65 cm und einer Tiefe von ca. 23 cm über die Fassade vorspringenden "Querbalkens" (Gesimses) könne er das ihm zustehende Recht, die gesamte oberhalb seines Geschäftes bis 30 cm unterhalb der Fenster im ersten Obergeschoß für Reklamezwecke zu verwenden, nicht mehr "entsprechend" ausüben (AS 51 und 57). Im Rahmen der Parteienvernehmung dazu befragt erklärte er nur, es werde in jedem Fall der Schriftzug der Kunsthandlung U*** größer gestaltet. Inwieweit die Werbung "weeiter ausgestaltet" werde, könne er heute mangels Kenntnis der Gestaltungsmöglichkeiten noch nicht sagen (AS 145). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Fassade des Hauses vom Beklagten nur durch Anbringung des Schriftzuges der Firma und des Gegenstandes seines Unternehmens verwendet, wobei dieser in 40 cm hohen, 30 cm über dem Sturz angebrachten Blockbuchstaben gestaltet war. Für Reklame wurde die Fassade nicht genutzt. Geht man davon aus, daß der Beklagte all die Jahre hindurch eine solche Nutzung der Fassade offensichtlich als seinem Unternehmen angemessen erachtete und weitere Reklame nicht für angebracht hielt, so ist nicht einzusehen und wurde vom Beklagten auch nicht dargetan, aus welchen Gründen nunmehr eine andere Fassadennutzung als notwendig erachtet werden sollte, zumal eine Kunsthandlung von der Art des Unternehmens her wohl keine marktschreierische Reklame verträgt. Das vom Kläger und K*** geplante Gesims zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Obergeschoß soll eine für Werbung unbehindert nutzbare, ebene Fläche in der Höhe von 45 cm aufweisen. Es bestünde daher die Möglichkeit, die bisherige Gestaltung des Schriftzuges der Firma und des Unternehmensgegenstandes unverändert beizubehalten. Da der Beklagte keine konkreten, berechtigten Interessen an einer Änderung der bisherigen Nutzung der Fassade dargetan hat, kann nicht gesagt werden, die aus der vorgesehenen Änderung der Fassade für den Beklagten sich ergebende Änderung der theoretischen Nutzungsmöglichkeit der Fassade stelle eine übermäßige Beeinträchtigung der Interessen des Beklagten iS der Z 3 des § 14 Abs. 3 WEG dar. Geringfügige Eingriffe in seine Interessen muß, wie bereits oben dargelegt, ein Wohnungseigentümer unter Umständen im Interesse der Eigentümergemeinschaft in Kauf nehmen. Hier ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Ausgehend von dem die Mit- und Wohnungseigentümer verbindenden, von besonderer Rücksichtnahme und Toleranz gekennzeichneten Schuldverhältnis zeigt sich somit abschließend, daß in der geplanten Fassadenänderung insgesamt keine dem Beklagten unzumutbare, übermäßige Beeinträchtigung erblickt werden kann. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, daß der schlechte Fassadenzustand bereits zu baubehördlichen Aufträgen geführt hat, die die Eigentümer zu Maßnahmen verpflichten. Wenn sich der Beklagte hier bisher nur auf den Versuch einer Verbindung entsprechender Maßnahmen der Mehrheitseigentümer beschränkt hat, ohne eigene konstruktive Vorschläge zu machen, kann er sich nicht übermäßig dadurch beschwert erachten, daß die Pläne der Mehrheitseigentümer seinen Wünschen nicht entsprechen.

Damit erweisen sich die in § 14 Abs. 3 WEG für die Durchbrechung des Einstimmigkeitsgrundsatzes normierten Voraussetzungen als erfüllt.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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