OGH 8Ob635/89

OGH8Ob635/895.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert F***, Auf den Riegeln 16, 2721 Bad Fischau-Brunn, vertreten durch Dr. Johann Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Herta S***, Haushalt, per Adresse S***, Langegasse 140, 2821 Lanzenkirchen, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 500.000 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1988, GZ. 18 R 82/89-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 17. Jänner 1989, GZ. 2 Cg 35/88-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 17.317,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 2.886,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer schriftlichen Erklärung vom 13. 7. 1987 als Bürge und Zahler in Anspruch, weil sie damit der Schuld ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes beigetreten sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie setzte dem Vorbringen des Klägers entgegen, sie sei durch List und Furcht zur Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung veranlaßt worden und habe sich über deren Inhalt auch in Irrtum befunden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens statt. Nach seinen Feststellungen hat der Ehemann der Beklagten, in dessen Beratungsbüro für Versicherungsangelegenheiten sie mittätig war, mit dem im Jänner 1987 nach einem Unfall im Krankenhaus befindlichen Kläger geschäftliche Kontakte aufgenommen und einen diesem von der Versicherung ausbezahlten Betrag von S 500.000 zur treuhändischen Verwaltung übernommen. Das Kapital sollte 36 Monate lang gebunden, jedoch vorzeitig kündbar sein und entsprechend verzinst werden. Als der Kläger im Sommer 1987 von der Verhaftung des Ehemannes der Beklagten erfuhr und Sorge um sein Geld hatte, traten er und seine Lebensgefährtin Silvia K*** mit der Beklagten in Verbindung. Diese äußerte, es sei eine genügend hohe Kapitaldeckung vorhanden und deutete auch die Möglichkeit an, dem Kläger Erträgnisse aus einer im Anlagebüro des Ehemannes anhängigen Schadensabhandlung zur Sicherung bzw. allfälligen Befriedigung zu überlassen, wobei sie konkret auf zwei Akten verwies, deren einer den Fall "abgeschnittener Finger" betraf. Als die Vertröstungen der Beklagten den Kläger nicht befriedigten, verfaßte Silvia K*** für ihn ein Schriftstück, welches sie der Beklagten anläßlich eines mit ihr vereinbarten neuerlichen Treffens vor dem Gefangenenhaus in Wiener Neustadt am 13. 7. 1987 zur Unterfertigung übergab. Nach dessen Inhalt "tritt Herta S*** der Schuld ihres Ehemannes aus der Kapitalanlagebestätigungsurkunde vom 15. 1. 1987 in der Höhe von S 500.000 an Herrn Norbert F*** als Bürge und Zahler bei". Die Beklagte unterfertigte zweimal die für ihre Unterschrift vorgesehenen beiden Stellen der Urkunde und fügte ihr Geburtsdatum und ihren Geburtsort in der ersten Zeile der Bürgschaftserklärung ein, wobei sie neuerlich betonte, es bestehe kein Grund zur Sorge, es könne überhaupt nichts passieren. Wegen einer vegetativen Dystonie hatte die Beklagte seit mehreren Jahren auf Grund ärztlicher Verschreibungen beruhigende Medikamente, nämlich Valium und Lexotanil, eingenommen. Nach der Verhaftung ihres Mannes verschlechterte sich ihr Zustand, es entwickelte sich ein reaktiv-depressives Zustandsbild und sie nahm mehr von diesen Medikamenten ein als es der Arzt verordnet hatte. Am 13. 7. 1987 befand sich die Beklagte psychisch in schlechter Verfassung. Trotz dieser psychischen Begleiteffekte war ihr seelischer Zustand nicht derart gravierend, daß bei Unterfertigung der beiden Urkunden (richtig: zweifache Verpflichtungsklausel, siehe Beilage ./C) Unzurechnungsfähigkeit oder Handlungsunfähigkeit vorgelegen wäre. Dies ergibt sich gemäß dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten und den übrigen Beweismitteln aus den bei der Unterfertigung gegebenen Umständen und Verhaltensweisen sowie dem völlig ungestörten Schriftbild der von der Beklagten eigenhändig vorgenommenen Eintragungen in der Verpflichtungsurkunde. Einige Zeit nach der Abgabe dieser schriftlichen Erklärung suchte die Beklagte den Kläger an dessen Wohnadresse auf. Da dieser wegen der Haft des Ehemannes der Beklagten nicht auf die Zinsen seines Anlagevermögens greifen konnte, kündigte er mit Schreiben vom 12. 8. 1987 die Treuhandvereinbarung auf. Nachdem der Ehemann der Beklagten am 8. 12. 1987 in der Haft verstorben war, begehrte der Kläger von der Beklagten erfolglos Zahlung.

In seiner Beweiswürdigung verwies das Erstgericht darauf, daß die Aussage der Zeugin Silvia K*** glaubwürdig sei, dagegen den Angaben der Beklagten in ihrer Parteienvernehmung nicht gefolgt werden könne. Deren Behauptung, vor Unterfertigung der Bürgschaftserklärung sei davon die Rede gewesen, es würde mangels einer solchen Unterfertigung gegen sie Anzeige erstattet werden, sei zu entgegnen, daß die Beklagte in der Folge noch mehrfache Kontakte zum Kläger unterhalten habe, die sicherlich unterblieben wären, wenn sie durch die Vorgangsweise der Silvia K*** erpreßt worden wäre. Demgemäß sei die Feststellung zulässig, daß die Beklagte weder durch Furcht noch zufolge eines Irrtums zur Unterschriftsleistung veranlaßt worden sei.

In rechtlicher Hinsicht legte das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde, bei Abgabe der schriftlichen Bürgschaftserklärung sei kein Willensmangel der Beklagten im Sinne der §§ 870, 871 ABGB vorgelegen. Da die Hauptschuld vom Kläger wirksam fälliggestellt worden sei, lägen die Voraussetzungen für die Stattgebung der Klage gegen die gemäß § 1346 Abs 2 ABGB haftende Beklagte mit Ausnahme eines im einzelnen dargestellten Zinsenteilbegehrens vor.

Das Berufungsgericht hielt weder die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung noch die Rechtsrüge der Beklagten für gerechtfertigt und gab der Berufung demgemäß nicht Folge. Es verwies auf eine unzulässige Vermengung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen Tatsachenfeststellung mit jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie darauf, daß die Rechtsrüge überwiegend nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe und daher nicht gesetzmäßig erscheine. Erkennbar bekämpft habe die Berufungswerberin die erstgerichtliche Feststellung, daß sie sich bei Abgabe der Erklärung vom 13. 7. 1987 weder in Irrtum befunden habe noch durch Furcht zur Unterschriftsleistung veranlaßt worden sei. In der Berufung werde jedoch in keiner Weise dargetan, warum das Erstgericht die Behauptung der Beklagten hätte als erwiesen annehmen und zu anderen Feststellungen hätte kommen müssen. Insbesondere sei auch überhaupt nicht auf die Beweiswürdigung des Erstgerichtes Bezug genommen worden, wonach den Angaben der Zeugin K*** und nicht den Angaben der Beklagten zu folgen sei. Insgesamt vermöge die Berufungswerberin keine tragfähigen Argumente gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung vorzubringen und nichts aufzuzeigen, woraus sich eine Unrichtigkeit dieser Beweiswürdigung schlüssig ergebe. Da auch kein Feststellungsmangel vorliege, sei von den erstgerichtlichen Feststellungen auszugehen und auf dieser Grundlage in rechtlicher Hinsicht das Vorliegen von Zwang, List und Irrtum im Sinne der §§ 870 ff. ABGB zu verneinen. Im übrigen sei selbst dann, wenn im Sinne der Angaben der Beklagten unterstellt würde, Silvia K*** habe ihr am 13. 7. 1987 vor Abgabe der Bürgschaftserklärung gesagt, sie solle die Urkunde unterfertigen, sonst würde sie genauso wie ihr Gatte ins Gefängnis kommen, aus den im einzelnen dargelegten Rechtsgründen nicht zugrunde zu legen, daß sie durch List, Drohung oder Irrtum zur Unterschriftsleistung gebracht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Beklagte eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin führt aus, das Berufungsgericht habe konzediert, daß sie erkennbar die erstgerichtliche Feststellung über den Mangel eines Irrtums oder einer Furcht bei der Unterschriftsleistung bekämpft habe. Die daran anschließende rechtliche Argumentation des Berufungsgerichtes sei jedoch verfehlt. Das Erstgericht habe auch festgestellt, die Beklagte sei der persönlichen Auffassung gewesen, sie müsse unterschreiben, weil sie im Betrieb ihres Ehemannes mitbeschäftigt gewesen sei. Jedenfalls habe die Lebensgefährtin des Klägers durch ihre Verhaltensweise die Unterschriftsleistung der Beklagten initiiert. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes beruhe demnach auf einem Rechtsirrtum. Mit diesen Ausführungen geht die Revision im wesentlichen nicht von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus und ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt; im übrigen ist sie nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hat der Beklagten als Berufungswerberin wohl konzediert, daß sie die erstgerichtliche Feststellung über den Mangel einer Furcht oder eines Irrtums ihrerseits bei der Unterschriftsleistung erkennbar bekämpft habe. Es hat diese Feststellung jedoch in Billigung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung übernommen. Auf der Grundlage dieser Feststellung und der vom Revisionsgericht nicht überprüfbaren Beweiswürdigung, wonach den Angaben der Beklagten, sie sei durch die Drohung der Silvia K*** mit dem Gefängnis zur Unterschriftsleistung gezwungen und in Irrtum geführt worden, nicht geglaubt, vielmehr der gegenteiligen Darstellung der Zeugin Silvia K*** gefolgt werde, ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Bürgschaftserklärung sei wirksam abgegeben worden, beizutreten. Auf die weiteren hilfsweisen rechtlichen Darlegungen des Berufungsgerichtes ist daher nicht einzugehen. Eine Feststellung, die Beklagte habe geglaubt, wegen ihrer Mittätigkeit im Büro ihres Ehemannes zur Unterfertigung der Bürgschaftserklärung verpflichtet zu sein, wurde nicht getroffen und kann daher der rechtlichen Beurteilung nicht zugrundegelegt werden. Richtig ist lediglich, daß die Beklagte durch Silvia K***, die Lebensgefährtin des Klägers, zur Unterfertigung der Bürgschaftserklärung veranlaßt wurde. Nach der Zeugenaussage der Silvia K***, welche die Vorinstanzen für glaubwürdig hielten, hat die Beklagte die ihr vorgelegte Bürgschaftserklärung ohne weiteres und mit der ausdrücklichen Versicherung ausgefüllt und unterfertigt, es bestehe überhaupt kein Grund zur Sorge, es könne überhaupt nichts passieren. Im bloßen Begehren der Silvia K*** nach Unterfertigung der Bürgschaftserklärung liegt aber weder die Ausübung eines unerlaubten Druckes noch die Veranlassung eines - hier festgestelltermaßen gar nicht vorgelegenen - Irrtums. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte