OGH 1Ob527/90

OGH1Ob527/904.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Julie L***, Diplom-Physiotherapeutin, Innsbruck, Müllerstraße 16, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Anneliese L***, Buchhalterin, 2.) Helmut L***, Kaufmann, beide Innsbruck, Müllerstraße 16, beide vertreten durch Dr. Karl G. Aschaber, Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Räumung (Streitwert S 30.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18.Oktober 1989, GZ 2 a R 451/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 28.April 1989, GZ 11 C 711/88f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.263,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthahten S 543,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1976 Eigentümerin der Liegenschaft EZ 386 KG Wilten, Haus Müllerstraße 16. Als sie das Haus von ihrer Mutter geschenkt erhalten hatte, war dieses sehr renovierungsbedürftig. Ihre Ehe mit Harald L***, dem Sohn der Beklagten, die in der im

1. Stock des Hauses gelegenen Vier-Zimmer-Wohnung wohnen, wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5.Mai 1988, 3 Sch 14/88, gemäß § 55 a EheG einvernehmlich geschieden. Die Beklagten kommen für die Betriebskosten der Wohnung auf.

Die Klägerin begehrt, die Beklagten zur Räumung dieser Wohnung zu verhalten. Sie habe den Beklagten die Wohnung aufgrund des natürlichen Zusammenhaltsgefühls von Familienangehörigen zur unentgeltlichen Benutzung überlassen. Ein Mietverhältnis sei nicht begründet worden, es handle sich um eine Wohnungsleihe bzw. um ein Prekarium. Nach Scheidung der Ehe sei jeder Grund, daß die Beklagten die Wohnung benützen könnten, weggefallen. Die Wohnung sei den Beklagten nur unter der Voraussetzung der Dauerhaftigkeit und des Fortbestandes der Ehe zur Nutzung überlassen worden. Die Beklagten wendeten ein, sie hätten in die von ihnen benützte Wohnung S 600.000 investiert. Es sei nie die Rede davon gewesen, daß die Beklagten diese Wohnung nur unter jederzeitigem Widerruf benutzen könnten. Die Beklagten stützten ihr Recht, die Wohnung zu benützen, auf jeden nur erdenklichen Rechtsgrund.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, der Klägerin und ihrem damaligen Gatten sei eine von ihnen allein zu tragende Sanierung des Hauses Müllerstraße 16 zu kostspielig gewesen. Sie hätten sich daher an die Beklagten gewendet, diese sollten den 1. Stock des Hauses sanieren und ausbauen und als Gegenleistung dafür in die im 1. Stock gelegene Wohnung einziehen. Die Klägerin sei mit dieser Lösung ausdrücklich einverstanden gewesen. Noch im Jahre 1976 hätten die Beklagten mit den Sanierungs- und Umbauarbeiten begonnen. Von den Beklagten seien Investitionen im Betrag von S 600.000 getätigt worden. Es sei allen Beteiligten und damit auch der Klägerin klar gewesen, daß diese Investitionen nicht an die Beklagten zurückgezahlt werden sollen, sondern daß vielmehr die Beklagten dafür das Recht hätten, die Wohnung vorerst ohne monatliche Bezahlung eines Mietzinses zu bewohnen und so die getätigten Investitionen "abzuwohnen". Nach Ablauf dieses allerdings nicht näher bestimmten Zeitraumes sollte dann von den Beklagten Miete in ebenfalls nicht näher konkretisierter Höhe bezahlt werden. Bestrebungen der Klägerin nach Scheidung ihrer Ehe, die Beklagten zur Unterfertigung eines schriftlichen Mietvertrages mit einem monatlichen Mietzins von S 5.000 zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten zu bewegen, seien gescheitert. Es habe nicht festgestellt werden können, ob zwischen den Streitteilen öfters darüber gesprochen worden sei, daß nach zehn bis zwölf Jahren von den Beklagten jedenfalls Miete zu zahlen sei, weiters, ob vereinbart gewesen sei, daß, wenn Enkelkinder der Beklagten die Wohnung einmal benötigten, diese von den Beklagten geräumt werden würde.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zwischen den Parteien stillschweigend ein Mietvertrag zustande gekommen sei. Beiderseitige Rechtsgeschäftsabsicht sei es gewesen, den Beklagten die Benützung der Wohnung gegen Entgelt einzuräumen. Der Mietzins sei aufgrund der Vorschriften des Mietrechtsgesetzes bestimmbar. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Die Beweisrüge sei nicht berechtigt. Es sei davon auszugehen, daß die Klägerin den Beklagten die Wohnung entgeltlich überlassen habe. Unter den gegebenen Umständen könne von einem bloß auf Familienangehörigkeit beruhenden faktischen Verhältnis und damit einem titellosen Bewohnen durch die Beklagten nicht die Rede sein. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung stelle sich im Zweifel als Bestandvertrag dar. Da die Beklagten die Wohnung nicht ohne Rechtsgrund bewohnten, liege auch der von der Klägerin geltend gemachte Kondiktionsanspruch nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin als Eigentümerin des Hauses Innsbruck, Müllerstraße 14, stützt ihr Räumungsbegehren in erster Linie darauf, daß den Beklagten nach Wegfall der familienrechtlichen Bande durch die Scheidung ihre Ehe mit dem Sohn der Beklagten, allenfalls nach Beendigung einer Wohnungsleihe oder eines Prekariums kein Titel zur Benutzung der Wohnung zustehe. Die Tatsacheninstanzen stellten aber fest, es sei zwischen den Streitteilen (im Jahr 1976) vereinbart worden, die Beklagten hätten aus eigenen Mitteln die Vier-Zimmer-Wohnung im 1. Stock des Hauses zu sanieren, als Gegenleistung könnten sie die Wohnung benützen, die Beklagten sollten die von ihnen in der Folge tatsächlich aus eigenen Mitteln geleisteten Investitionen "abwohnen" und nach einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt für die Benützung der Wohnung einen Mietzins zahlen. Die noch in der Revision aufrecht erhaltene Rechtsansicht, daß die Benutzung einer Wohnung nach Vornahme von Investitionen allein aufgrund eines in der Folge gelösten verwandtschaftlichen Naheverhältnisses nicht den Schluß auf das Zustandekommen eines Mietverhältnisses erlaube (so MietSlg 35.007, 33.009, 31.150, zuletzt 4 Ob 614/89; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 61 zu § 1090), geht an der Feststellung vorbei, mit Rechtsgeschäftswillen beider Teile sei eine Vereinbarung geschlossen worden, daß den Beklagten für die von ihnen getätigten, nicht rückzahlbaren Investitionen das Recht zustehen sollte, in der Wohnung, deren Räumung begehrt wird, zu wohnen. Damit gelang den Beklagten aber der ihnen obliegende Nachweis (MietSlg 35.007, 31.150 ua; Binder aaO Rz 60; Würth in Rummel2 Rz 7 zu § 1090), den Anschein eines bloß im Familienbereich wurzelnden Wohnverhältnisses zu entkräften. Steht den Beklagten aber aufgrund eines entgeltlichen Vertrages das Recht zur Innehabung der Wohnung zu, ist damit allein schon der aus dem Eigentumsrecht der Klägerin erhobenen Räumungsklage (§ 366 ABGB; MietSlg 36.025, 31.036, 29.044 ua; Spielbüchler in Rummel2 Rz 2 zu § 366) der Boden entzogen.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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