OGH 1Ob561/90

OGH1Ob561/904.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** Gesellschaft m. b.H., Wien 16., Ottakringerstraße 173, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** Baby-Artikel Gesellschaft m.b.H., Wien 16., Himmelschlüsselweg 5, vertreten durch Dr. Walter Lattenmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 10. November 1989, GZ 41 R 622/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 22. Mai 1989, GZ 4 C 2384/88-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist seit 1985 Eigentümerin der Liegenschaft EZ 3059 KG Ottakring (Ecke Ottakringerstraße/Weinheimergasse). Dabei handelt es sich in der Natur um einen Lagerplatz mit Lagerhallen, dessen Mieterin die beklagte Partei auf Grund eines mit der Stadt Wien als Rechtsvorgängerin der klagenden Partei abgeschlossenen Bestandvertrages ist. Als jährlicher Mietzins war ein Betrag von S 1.630 zuzüglich Grund- und Umsatzsteuer vereinbart; einschließlich dieser Abgaben betrug der jährliche Bestandzins 1988 und 1989 jeweils S 2.208,80.

1965 errichtete die G*** Gesellschaft mbH im Auftrag der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Wien auf dem Lagerplatz Plakatwände. Seither bestanden und bestehen zwischen den jeweiligen Mietern des Lagerplatzes und der G*** Gesellschaft mbH Vereinbarungen, denen zufolge diese die von ihr aufgestellten Plakatwände zur Anbringung von Werbeplakaten verwenden durfte und darf und wofür sie den Mietern bis 1981 einen jährlichen "Anerkennungszins" von S 1.000 und von da an bis Juli 1988 einen solchen in doppelter Höhe zu entrichten hatte. Seit 1977 wird dieser "Anerkennungszins" an die beklagte Partei als Mieterin des Lagerplatzes bezahlt.

Im August 1988 trafen die beklagte Partei und die G*** Gesellschaft mbH eine Vereinbarung, wonach diese für die Benützung der Plakatwände ein jährliches Entgelt von S 10.000 zu entrichten hat. Von der Vereinbarung erlangte der Geschäftsführer der klagenden Partei noch im selben Monat Kenntnis.

Am 19. September 1988 kündigte die klagende Partei der beklagten Partei den von dieser gemieteten Lagerplatz zum 31. Dezember 1988 auf, berief sich auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG und behauptete, die beklagte Partei habe den Mietgegenstand zum Teil an einen Dritten um eine im Vergleich zum Bestandzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung weitergegeben.

Die beklagte Partei wendete ein, zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile sei stets klar gewesen, daß der Mieter die Plakatwände zum ortsüblichen und angemessenen Preis weitergeben dürfe. Die Stadt Wien als Rechtsvorgängerin der klagenden Partei habe hiezu ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt. Die klagende Partei habe sich des Kündigungsgrundes im übrigen auch verschwiegen. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verurteilte die beklagte Partei zur Räumung des Lagerplatzes. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, wenngleich die frühere Liegenschaftseigentümerin die teilweise Weitergabe des Bestandobjektes gestattet habe, berechtigte dies den Mieter nicht zur Weitergabe gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Anhaltspunkte für eine ausdrücklich oder schlüssig erteilte Zustimmung des Vermieters zu einer solchen Weitergabe lägen nicht vor. Von einem konkludenten Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes könne keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Dem Erstgericht sei zwar darin beizupflichten, daß die Gestattung der Untervermietung allein dem Mieter noch nicht das Recht gebe, daraus einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen. Anderes gelte jedoch bei weitergehenden Abmachungen, die auch schlüssig zustande kommen könnten. Das treffe hier zu. Der Fall sei dadurch gekennzeichnet, daß die Stadt Wien als Rechtsvorgängerin der klagenden Partei nicht bloß die teilweise Untervermietung an eine bestimmte Person "befördert", sondern diese sogar selbst mit der Errichtung von Plakatwänden auf dem Lagerplatz beauftragt habe. Seit der Aufstellung der Plakatwände hätten Vereinbarungen mit den Mietern bestanden, wonach die Plakatwände von der G*** Gesellschaft mbH zur Anbringung von Werbeplakaten verwendet werden dürften. Die Initiative zur Weitergabe der betroffenen Teilflächen des Bestandobjektes sei von der Vermieterin ausgegangen, die damit selbst ein Interesse an einer solchen Benützung durch die "ihr verbundene" G*** Gesellschaft mbH bekundet habe. Es müsse daher weniger von einer Gestattung der Untervermietung als von einer Duldung der über Auftrag der Vermieterin erfolgten Errichtung von Plakatwänden durch den Mieter gesprochen werden. Berücksichtige man nun, daß Plakatwände in der Regel gegen Entgelt überlassen würden, so habe es zweifelsohne auch der Vermieterin klar gewesen sein müssen, daß die Mieter für die Überlassung der zur Aufstellung der Plakatwände erforderlichen Flächen schon nach der Natur des Geschäftes die Erzielung eines Entgeltes anstreben würden. Hätte sich die Vermieterin unter diesen Umständen das Recht vorbehalten wollen, die vom Mieter zu erzielende Gegenleistung auf deren Angemessenheit zu prüfen, hätte sie einen solchen Vorbehalt erklären müssen. Für einen solchen Vorbehalt gebe es keine Anhaltspunkte, sodaß davon auszugehen sei, daß die Vermieterin gegen die Erzielung eines von der "ihr verbundenen" G*** Gesellschaft mbH bezahlten Untermietzinses, in welcher Höhe sich dieser auch bewegen mochte, nichts einzuwenden gehabt habe. Solange sich die G*** Gesellschaft mbH zur Bezahlung eines Entgeltes bereitgefunden habe, komme es daher auf die Frage der Angemessenheit oder Ortsüblichkeit dieses Entgeltes nicht an. Die Weitergabe zu einem im Verhältnis zum bezahlten Hauptmietzins angemessenen Untermietzins würde auch zu einem "völlig absurden" Ergebnis führen. Wollte man den für den Lagerplatz bezahlten Mietzins zu dem auf die von der G*** Gesellschaft mbH für die Plakatwände benützten Teilflächen entfallenden Mietzins in ein Verhältnis setzen, ergäbe dies einen "lächerlich niedrigen" Betrag, weil die Teilflächen angesichts der Dimensionierung von Plakatwänden auch bei vollständiger Umzäunung eines Grundstückes nur einen Bruchteil der Gesamtfläche ausmachten. Demgemäß könne auch von einer verwerflichen Ausnützung des Mietobjektes zur Erzielung übergroßen Gewinnes keine Rede sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Nach der Rechtsprechung (JBl. 1987, 447 uva.) gewährt der Vermieter dem Mieter mit der Gestattung der Untervermietung allein noch nicht auch die Befugnis, aus der Weitergabe einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen, es sei denn, die Vertragsteile haben weitergehende Abmachungen getroffen, die - wie alle anderen Vereinbarungen - auch schlüssig (§ 863 ABGB) zustandekommen können (MietSlg 39.431).

In dem hier zu beurteilenden Fall hat die Stadt Wien als Rechtsvorgängerin der klagenden Partei - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - den Mietern die Weitergabe von Teilen der Bestandfläche an die G*** Gesellschaft mbH zur Aufstellung von Plakatwänden und zur Anbringung von Werbeplakaten auf diesen Wänden nicht bloß gestattet, sondern gleichsam aufgenötigt, indem sie die G*** Gesellschaft mbH mit der Vornahme dieser Arbeiten beauftragte. Da die Aufstellung solcher Plakatwände üblicherweise nur gegen ein - im allgemeinen angemessenes bzw. ortsübliches - Entgelt gestattet wird, mußte die Stadt Wien auch damit rechnen, daß der Mieter von der G*** Gesellschaft mbH für die teilweise Weitergabe des Mietgegenstandes auch ein solches Entgelt verlangen werde. Daß die Stadt Wien als Vermieterin damit einverstanden sein werde, durfte der Mieter vor allem gerade deshalb erwarten, weil die Initiative zur Weitergabe von Teilflächen des Mietgegenstandes - wie erwähnt - von ihr ausgegangen war und die Grundeigentümerin ganz offensichtlich - gewiß nicht zuletzt auch in Erwartung zusätzlicher Einnahmen aus den Ankündigungsabgaben - an dieser Nutzungsmöglichkeit selbst ein besonderes Interesse hatte. Damit durfte der Mieter aber auch darauf vertrauen, daß die Vermieterin aus der Vereinbarung eines für sich angemessenen Unterbestandzinses, selbst wenn dieser den Hauptmietzins unverhältnismäßig übersteigen sollte, keine dem Mieter nachteiligen Rechte ableiten werde; andernfalls hätte sie einen entsprechenden Vorbehalt machen müssen. Einen solchen Vorbehalt hat die klagende Partei aber nicht einmal behauptet.

Veranlaßte die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei selbst die Mieter zur teilweisen Weitergabe des Bestandgegenstandes, ohne ihnen in bezug auf die von ihnen hiefür verlangte Gegenleistung Beschränkungen aufzuerlegen, so konnten die Mieter dieses Verhalten nur dahin verstehen, daß die Vermieterin gegen die Erzielung erheblicher Vorteile aus der Untervermietung des Bestandgegenstandes keinen Einwand erheben wollte (vgl. MietSlg 39.431, 37.418 ua.). Das kann dann aber nur als Verzicht der Vermieterin auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG gedeutet werden.

Soweit die klagende Partei in ihrer Revision ferner ins Treffen führt, eine Vereinbarung zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der beklagten Partei, wonach diese den Bestandgegenstand auch gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung weitergeben dürfe, sei eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhaltes im Sinne des § 2 Abs 1 letzter Satz MRG, an die die klagende Partei nicht gebunden sei, weil sie sie weder kannte noch kennen mußte, genügt der Hinweis, daß die klagende Partei derartige Behauptungen im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt hat; dieses Vorbringen ist daher unbeachtliche Neuerung.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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