OGH 14Os32/90

OGH14Os32/903.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alexander G*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 16. November 1989, GZ 15 Vr 774/88-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Bernt zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 16. November 1989, GZ 15 Vr 774/88-21, verletzt im Schuldspruch laut Punkt I/1/b das Gesetz in der Bestimmung des § 70 Abs. 1 all (Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, BGBl 1969/320). Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Punkt des Schuldspruchs, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Alexander G*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in den Jahren 1984 oder 1985 in Wien eine fremde bewegliche Sache, nämlich 6.000 S Bargeld, Gewahrsamsträgern der Firma B*** (Filiale Wien 1) durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern

(Anklagepunkt A/I/1/b); er habe (auch) hiedurch das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und § 15 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

FÜr die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs unverändert zur Last liegenden Verbrechen (I.) des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und § 15 StGB sowie (II.) der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2, Abs. 3 StGB wird Alexander G*** gemäß §§ 28 Abs. 1, 129 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 6.September 1988, GZ 15 Vr 610/88-39, zu 1 (einem) Jahr Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 6.Juni 1967 geborene österreichische Staatsbürger Alexander G*** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 16.November 1989, GZ 15 Vr 774/88-21, der Verbrechen (I.) des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 (insoweit abweichend von der in Richtung § 128 Abs. 2 StGB zielenden Anklage), 129 Z 1 und § 15 StGB sowie (II.) der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2, Abs. 3 StGB rechtskräftig schuldig erkannt.

Er wurde hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil desselben Gerichtshofes vom 6.September 1988, GZ 15 Vr 610/88-39, nach §§ 28 Abs. 1, 29, 128 Abs. 2 StGB (ersichtlich gemeint: als jener Strafbestimmung, die nach § 31 Abs. 1 letzter Satz StGB die für die Summe der Strafen maßgebende Obergrenze normiert - vgl US 10; siehe Leukauf-Steininger Komm2 § 31 RN 7, 8; Foregger-Serini MKK StGB4 Erl II.2.b zu § 31) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er

I. Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem 500.000 S nicht übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

  1. 1. weggenommen, und zwar in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verurteilten Gerhard S***
    1. a) zwischen 26. und 29.Jänner 1984 in zwei Angriffen der Firma H*** (Filiale Praterstraße)

      zahlreiche elektronische Geräte im Gesamtwert von etwa 400.000 S;

    1. b) zwischen 1984 und 1985 der Firma B*** (Filiale Wien 1) 6.000 S Bargeld;
    2. c) am 23.September 1985 dem Christian L*** (Sportartikelgeschäft) Textilwaren im Gesamtwert von etwa 89.000 S;
  1. 2. wegzunehmen versucht, und zwar in München nachts zum 5.Feber 1988 mit einem unbekannten Mittäter (S 444) der Ingeborg J*** (Friseurgeschäft "Coiffeur Jean"), indem er nach gewaltsamem Eindringen in die Geschäftsräume diese nach stehlenswerten Gegenständen durchsuchte;

II. Mitte Juni 1987 in Wien eine von dem abgesondert verfolgten Mark W*** durch das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2, Abs. 3 StGB an sich gebrachte goldene Panzerkette im Wert von 20.000 S um 6.000 S gekauft, mithin eine Sache, die ein anderer durch eine mit fünf Jahre erreichender Freiheitsstrafe bedrohte Handlung erlangt hat, an sich gebracht, wobei ihm die einbruchsdiebische Herkunft der Goldkette, mithin die Umstände bekannt waren, die diese Strafdrohung begründen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wurde lediglich im Strafausspruch sowohl vom Angeklagten als auch vom öffentlichen Ankläger mit Berufung bekämpft, über welche Rechtsmittel noch nicht entschieden worden ist, weil die Akten vorerst dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes vorgelegt wurden. Das Urteil verstößt nämlich - wie der Generalprokurator in dieser Beschwerde zutreffend aufzeigt - im Schuldspruch wegen des in den Jahren 1984 oder 1985 zum Nachteil der Firma B*** in Wien 1 verübten Diebstahls von 6.000 S Bargeld (I/1/b) gegen den Grundsatz der Spezialität der Auslieferung (§ 70 ARHG; Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, BGBl 1969/320). Denn auf diese Tat hatte sich weder die vom Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten Berlin mit Schreiben vom 11.Mai 1988 ursprünglich (nämlich zum früheren Verfahren AZ 15 Vr 610/88 des Landesgerichtes St.Pölten) bewilligte Auslieferung des Alexander G*** bezogen (siehe dort ON 13 iVm dem Haftbefehl bei ON 10), noch war insoweit nachträglich an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland um Zustimmung zur Strafverfolgung überhaupt herangetreten worden (ON 5 im vorliegenden Verfahren). Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung (§ 70 Abs. 1 Z 1 bis 3 ARHG, Art 14 Abs. 1 lit a und b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens sowie Art VII Abs. 1 des Zusatzvertrages mit der BRD, BGBl 1977/35) liegen nicht vor, zumal sich Alexander G*** seit seiner am 9.Juni 1988 erfolgten Übergabe an die österreichischen Behörden ununterbrochen in Haft befindet. Da die aufgezeigte, in diesem Punkte Nichtigkeit des Urteils bewirkende (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO) Gesetzesverletzung dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war der davon betroffene Schuldspruch, demzufolge aber auch der Strafausspruch aufzuheben und insoweit - nachdem das Auslieferungsverfahren nicht mehr anhängig ist - sogleich mit Freispruch vorzugehen (§ 292 letzter Satz StPO; Mayerhofer-Rieder StPO2 E 12 zu § 281 Abs. 1 Z 9 lit b sowie E 32 zu § 288).

Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung war gleichfalls gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 6.September 1988, GZ 15 Vr 610/88-39, mit welchem der Angeklagte wegen 16 Einbruchsdiebstählen mit einer Beute im Wert von rund 370.000 S zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, Bedacht zu nehmen. Ungeachtet des Umstandes, daß die Schadensbeträge aus den solcherart getrennt abgeurteilten Diebstählen zusammengerechnet (§ 29 StGB) 500.000 S übersteigen (§ 128 Abs. 2 StGB), war die Strafe hier dennoch nach § 129 StGB zu bemessen, weil § 128 Abs. 2 StGB nur insoweit zu berücksichtigen ist, als die Strafsumme aus den beiden verknüpften Urteilen die darnach zulässige Höchststrafe nicht übersteigen darf (§ 31 Abs. 1 letzter Satz StGB; siehe abermals die eingangs zitierten Nachweise).

In diesem Rahmen war erschwerend: das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die einschlägigen Vorstrafen (§ 39 StGB), die Wiederholung der diebischen Angriffe, insbesondere auch nach der Flucht ins Ausland, die zweifache Qualifikation des Diebstahls, der hohe Schaden und die Begehung der Diebstähle unter Beteiligung von

Mittätern. Mildernd war hingegen: daß der Angeklagte die Taten zum Teil noch im jugendlichen Alter und auch sonst noch vor Vollendung des 21.Lebensjahres begangen hat, daß er vor der ersten hier abgeurteilten Straftat noch unbescholten war, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, die teilweise Zustandebringung der Beute sowie das umfassende und reumütige Geständnis. Weitere für die Strafbemessung maßgebende Umstände, wie sie von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten in den jeweiligen Berufungsschriften geltend gemacht werden, liegen nicht vor. Eine zusätzliche Freiheitsstrafe von einem Jahr entspricht darnach der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB). Darauf waren er und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen zu verweisen.

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