OGH 4Ob69/90

OGH4Ob69/903.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG, Wien 16., Odoakergasse 34-36, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, Wien 7., Lindengasse 48-52, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 1,000.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Jänner 1990, GZ 1 R 294/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.September 1989, GZ 19 Cg 32/89-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.667,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.111,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Zeitschrift "DIE G*** W***"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der "B***". Die "B***" werden gratis an die Haushalte verteilt, man kann aber auch zusätzliche Exemplare anfordern oder abholen. "DIE G*** W***" wird zum Teil, die "B***" werden zur Gänze aus dem Erlös des Einschaltens von Inseraten finanziert.

Auf Seite XV der "B***" Nr. 6/1989 erschien folgende Ankündigung:

Abbildung nicht darstellbar!

In den "B***" Nr. 8/1989 kündigte die Beklagte auf

den Seiten 20 und 21 folgendes Gewinnspiel an:

Abbildung nicht darstellbar!

Abbildung nicht darstellbar!

In einer weitgestreuten Werbeaussendung an die Unternehmer der einzelnen Bezirke teilte die Beklagte unter der Überschrift "DAS GROSSE GEWINNSPIEL IM B***" folgendes mit:

"Es gibt kein Marketing-Instrument, das größere Aufmerksamkeit bei den Adressaten mobilisiert, als ein Gewinnspiel. Der jedem Menschen innewohnende Spieltrieb, die Aussicht auf einen Gewinn - und sei er noch so gering - erregt die Phantasie des Teilnehmers, was neben der Darbietung von Information zur Hauptaufgabe jeden Mediums gehört. Zugleich macht ein Gewinnspiel aus passiven Konsumenten aktive Mitspieler, führt zu einem lebendigen Austausch zwischen Medium, Adressaten und jenen werbenden Firmen, die sich als Spender von Preisen beteiligen. Es entsteht ein kreativer Prozeß zwischen dem Werber und dem Beworbenen.

Deshalb bietet das B*** ab der Nummer 9 den Werbern in den Bezirken 14 und 15 diese hervorragende Möglichkeit, über eine Beteiligung an einem Gewinnspiel die Wirkung eines Inserates oder eines pr-Berichtes zu vervielfachen und die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen. (Nr. 9, Drucktermin: 19.9.).

Die Sache funktioniert so:

Auf einer Doppelseite wird das Gewinnspiel im B*** im Lokalteil erklärt und dabei drei Hauptpreise und eine Reihe von Trostpreisen angekündigt. Die Spenderfirma kommt zusätzlich zum Inserat in der Zeitung noch ein zweites Mal bei der Darstellung und Beschreibung der Preise auf dieser Doppelseite vor, sowie ein drittes Mal bei den Fragen, welche die Leser zur Teilnahme an der Verlosung beantworten müssen.

Das heißt, die Einsender des Coupons haben die Inserate der Spenderfirmen sehr genau durchzulesen, wenn sie gewinnen wollen - was eine ungeheure Verstärkung der Aufmerksamkeit für jene Inserate bedeutet.

In der Folgenummer - also einen Monat später - bringen wir dann die Gewinner der Preise wieder auf einer Doppelseite, wobei die Hauptgewinner bei der Übergabe des Preises im Geschäft des Stifters photographiert, und dann hier veröffentlicht werden.

Das heißt, die Werbebotschaft der Spenderfirma wird noch einen Monat ohne zusätzlichen finanziellen Einsatz weitergetragen!

Voraussetzung für die Teilnahme einer Firma ist das Schalten eines Inserates über mindestens S 5.000 oder des Äquivalentes in Form eines pr-Artikels. Weiters muß ein Hauptpreis im Wert von mindestens S 2.000 gestiftet werden, oder eine beliebige Anzahl von Trostpreisen im Mindestwert von je S 100.

Die Entscheidung zur Teilnahme an unserem Gewinnspiel sollte der Redaktion rasch mitgeteilt werden, da diese Positionen bald vergeben sein werden."

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit diesen Aktionen das Interesse und die Aufmerksamkeit ihrer Leser für ihre Zeitung und damit auch für die dort enthaltenen Inserate steigere und auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den entgeltlich abgegebenen Zeitungen und Zeitschriften dadurch erlange, daß sie in Verletzung der § 1 ZugG, §§ 1 und 28 UWG neben der entgeltlichen Einschaltung von Werbeanzeigen unentgeltliche, vom Zufall abhängige Zuwendungen (Prämien) anbiete, ankündige und gewähre, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ab sofort zu unterlassen, in den "B***" Preise, insbesondere Obstbäume oder Waren von Inserenten, anzukündigen, anzubieten oder zu gewähren, wenn dabei der Eindruck erweckt wird, daß die Teilnahme von der Einsendung eines in den "B***" abgedruckten Coupons oder von der Beantwortung von Fragen, zu denen Informationen in Inseraten im selben "B***" erteilt werden, abhängig ist oder hiedurch erleichtert wird, und/oder wenn, insbesondere durch den Abdruck von Namen und Adressen von Gewinnern oder die Ankündigung solcher Veröffentlichungen, der Eindruck erweckt wird, daß auch künftige Gewinner in folgenden Ausgaben der "B***" mit Namen und Adressen bekanntgegeben werden; ferner stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Da die "B***" an jeden Haushalt in Wien und bestimmten

angrenzenden Randgebieten verteilt würden, sei eine Steigerung der Reichweite gar nicht möglich; die Steigerung des Absatzes eines Gratisproduktes komme schon begrifflich nicht in Frage. Auch eine Zugabe zu einer Gratisleistung sei rechtlich nicht möglich. Da es keiner Willensbildung des Lesers der "B***" bedürfe, ob er diese Zeitung erwirbt, könne sein Wille auch nicht durch Zugaben beeinflußt werden. Auch liege keine Verleitung zu einem Kauf vor; der "Anreiz zur Lektüre" sei nicht wettbewerbswidrig. Die Behauptung, daß durch das Preisausschreiben die "B***" intensiver durchgesehen würden, widerspreche im übrigen mangels Ankündigung der Preisausschreiben jeder Lebenserfahrung. Um auf die Preisausschreiben zu stoßen, müsse man die "B***" genau durchsehen. Die Steigerung des Interesses an einem bestimmten Produkt sei das Ziel jeder Werbung. Das Veröffentlichungsbegehren gehe zu weit.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Da beide Parteien Einnahmen aus dem Inseratengeschäft erzielten, stünden sie in einem Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte sei bestrebt gewesen, die Zahl der Leser ihrer Zeitungen, insbesondere der in diese aufgenommenen Werbeeinschaltungen, durch das Veranstalten von Preisausschreiben zu vermehren, ohne die Zahl der mit der Zeitung gratis beteilten Personen zu vergrößern. Eine Zeitung sei nämlich als Werbeträger für Werbende umso wertvoller, je mehr Personen die Zeitung lesen und je größer die Wahrscheinlichkeit sei, daß eine in ihr abgedruckte Werbung möglichst viele Menschen erreicht. Für den Werbenden sei daher nicht die Auflage einer Zeitung, sondern die Zahl ihrer Leser wesentlich. Das Veranstalten von Preisausschreiben sei durchaus geeignet, einen größeren Teil der mit der Zeitung beteilten Personen zu veranlassen, die Zeitung auch tatsächlich zu lesen oder zumindest durchzusehen. Die Beklagte nütze somit den jedem Menschen innewohnenden Spieltrieb aus; das sei aber wettbewerbsrechtlich nicht zulässig.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Da unter dem "Vertrieb einer Ware" im Sinne des § 28 UWG der entgeltliche Absatz zu verstehen sei, unterliege dem gesetzlichen Verbot jedes Verhalten, das dazu dient, zu Zwecken des Wettbewerbes die Spiellust des Kunden in der Weise auszunützen, daß sie in irgendeiner Form mit dem Absatz der Ware verbunden wird. Eine Werbemaßnahme sei aber dann unbedenklich, wenn sie sich darauf beschränkt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Ware des Veranstalters zu lenken, ohne gleichzeitig - offen oder versteckt - Kaufzwang auszuüben. Da die Beklagte ihre Zeitschrift gratis verteilt, komme ein Verstoß gegen § 28 UWG nicht in Frage. Die Beklagte habe auch § 1 ZugG nicht verletzt, weil Zugabe nur eine neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware zusätzlich abgegebene Nebenware sein könne, die der Förderung des eigenen Absatzes, insbesondere jenes der Hauptware, diene; werde aber die Hauptware unentgeltlich gewährt, dann könne auch eine unentgeltliche Nebenware angekündigt oder gewährt werden. Entgegen der Meinung der Klägerin falle der Beklagten auch nicht deshalb ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last, weil eine gleichartige Vorgangsweise der Klägerin gegen § 28 UWG verstieße und demnach ungleiche Bedingungen im Wettbewerb vorlägen; hiebei übersehe die Klägerin, daß sie ihre Zeitschrift gegen Entgelt vertreibe, während jene der Beklagten unentgeltlich verteilt werde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates kann gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO in der hier maßgeblichen Fassung der WGN 1989 (Art. XLI Z 5 dieses Gesetzes) auch dann vorliegen, wenn zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigen Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden muß. Im Wettbewerbsrecht kann der Oberste Gerichtshof seiner Leitfunktion nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach der Lage des Falles die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit oder die Rechtsentwicklung erfordern, auch die richtige Konkretisierung der in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBl 1984, 48; ÖBl 1985, 51; ÖBl 1989, 144 uva). Ein Preisausschreiben einer Gratiszeitung, durch das die Aufmerksamkeit der Spieler auf in dieser Zeitung veröffentlichte Inserate gelenkt werden soll, war aber - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Nach § 28 UWG ist es ua verboten, Waren oder Leistungen in der Form zu vertreiben, daß eine neben der Ware oder Leistung zu gewährende Zuwendung (Prämie) vom Egebnis einer Verlosung oder einem anderen Zufall abhängig gemacht ist. Unter dem "Vertreiben" einer Ware oder Leistung ist nach Lehre (Hohenecker-Friedl 72; vgl. Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 103 f, insbesondere 104) und ständiger Rechtsprechung (SZ 16/15; SZ 32/80; ÖBl 1973, 84; ÖBl 1975, 117; ÖBl 1982, 46) nur der entgeltliche Absatz zu verstehen. Ein Gewinnspiel ist demnach dann unzulässig - weil vom Warenbezug nicht völlig unabhängig -, wenn bei seiner Durchführung auf das Publikum Kaufzwang ausgeübt wird (ÖBl 1981, 25; ÖBl 1982, 46; ÖBl 1988, 156 uva). Das Ausnützen der Spiellust des Kunden in Verbindung mit dem Absatz der Ware ist deshalb untersagt, weil die Ware dann nicht so sehr wegen ihrer Güte und Preiswürdigkeit, sondern vor allem zur Wahrung der Gewinnchancen gekauft wird (ÖBl 1981, 25; ÖBl 1984, 160 ua), wird doch damit der freie Kaufentschluß des Kunden in unsachlicher und wettbewerbsfremder Weise beeinflußt (ÖBl 1985, 19 mwN). Daß ein Gewinnspiel, an dem teilzunehmen den Besitz der Ausgabe einer Gratiszeitung voraussetzt, das Publikum nicht dazu veranlassen kann, der Gewinnchancen wegen die Ware "Zeitung" zu kaufen, liegt auf der Hand; ein solches Gewinnspiel kann daher schon begrifflich nicht gegen § 28 UWG verstoßen.

Daß die Beklagte die "B***" nicht aus Altruismus

verteilt, sondern Einnahmen aus dem Inseratengeschäft erzielt, trifft zweifellos zu, ändert aber nichts daran, daß die Zeitung an die Haushalte im Wiener Raum unentgeltlich abgegeben wird, die Zeitungen selbst also nicht Gegenstand eines (entgeltlichen) Vertriebes sind. Der Empfänger der Zeitung hat der Beklagten keine Gegenleistung zu erbringen; das Lesen der Zeitung kann entgegen der Meinung der Klägerin nicht als Gegenleistung, sondern vielmehr nur als Konsum der kostenlos zur Verfügung gestellten Ware verstanden werden.

Richtig ist, daß die Beklagte, wie sie selbst in ihrem Rundschreiben an Unternehmer hervorgehoben hat, mit ihren Gewinnspielen - insbesondere mit jenem, das die Teilnehmer zum genaueren Betrachten von Inseraten zwingt - die Absicht verfolgt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihre Zeitung und insbesondere auf die dort veröffentlichten Werbeeinschaltungen zu lenken. Die Klägerin meint, daß die beanstandeten Gewinnspiele deshalb gegen § 28 UWG verstießen, weil sie mit dem - entgeltlichen - Absatz der Beklagten, nämlich der Einschaltung von Inseraten, verknüpft sei.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Es trifft zwar zu, daß § 28 UWG auch dann anzuwenden ist, wenn der Spieler und der Bezieher der Ware (Empfänger der Leistung) nicht identisch sind (ÖBl 1975, 117). Für den Entschluß, die vertriebene Ware (Leistung) zu beziehen, muß aber auch in diesem Fall an der Stelle einer sachlichen Bedarfsprüfung das Streben maßgebend oder doch spürbar mitbestimmend sein, daß bei dem Gewinnspiel Preise zu gewinnen sind (ÖBl 1975, 117; ÖBl 1982, 46 uva). Diese Voraussetzung fehlt aber - anders als im Fall der Entscheidung ÖBl 1975, 117, wo an dem Preisausschreiben einer Zeitung nur teilnehmen konnte, wer einen Abonnenten für dieses Blatt geworben hatte - hier völlig, kann doch keine Rede davon sein, daß jemand gerade deshalb ein Inserat in den "B***" veröffentlichen läßt, damit Leser dieser Zeitung in den Genuß eines Gewinnes kommen können. Niemand wird aus dem - unsachlichen - Beweggrund, jemandem eine mögliche Gewinnchance zu verschaffen, in den "B***" inserieren. Läßt aber jemand seine Werbung dort in der Erwartung einschalten, daß sie in diesem Blatt mit höherer Wahscheinlichkeit als in einem anderen Medium gelesen wird, dann wurde er damit nicht in unsachlicher und wettbewerbsfremder Weise beeinflußt; er hat dann vielmehr durchaus rational gehandelt.

Den Inserenten wird aber auch keine - unentgeltliche - Zugabe in Form eines "Anlockens der Leser durch das Gewinnspiel" zusätzlich zur Hauptleistung - dem Abdrucken des Inserates - gewährt. Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern (ÖBl 1985, 108; ÖBl 1989, 112 uva). Wenn es einer Zeitung gelingt, durch irgendwelche Maßnahmen die Zahl ihrer Leser und deren Aufmerksamkeit hinsichtlich der darin enthaltenen Mitteilungen einschließlich der Werbung zu erhöhen, dann bedeutet das nach der maßgeblichen Auffassung des Publikums (SZ 57/15 mwN) keinen zusätzlichen Vorteil, sondern nur eine bessere Qualität der Hauptleistung; der Inserent wird davon ausgehen, daß er mit dem Inseratenpreis die Gegenleistung für die Einschaltung seines Inserates in der Zeitung erhält, welche eben durch eine bestimmte Verbreitung und einen gewissen Aufmerksamkeitswert gekennzeichnet ist. Daß auch von einer Zugabe für die Empfänger der ihnen gratis zugestellten Zeitung keine Rede sein kann, hat schon das Rekursgericht zutreffend dargelegt.

Schließlich sieht die Klägerin ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten auch darin, daß die Beklagte mit ihren Gewinnspielen den potentiellen Inserenten eine den Medieninhabern einer Kaufzeitung nicht offenstehende Möglichkeit einräumen, an den Spieltrieb des Publikums zu appelieren und damit die eigene Attraktivität als Werbemedium zu steigern; dazu komme noch, daß die Beklagte keine Skrupel habe, "bezahlte Zeitungen, wenn sie ein Glücksspiel veranstalten, mit Wettbewerbsklagen zu verfolgen, während sie selbst ihre Werbewirkung durch Zugaben und Ausspielungen zu steigern sucht". Dem kann nicht gefolgt werden:

Wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, verstößt eine Werbemaßnahme nicht gegen die guten Sitten, wenn sie sich darauf beschränkt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Ware des Veranstalters zu lenken, ohne gleichzeitig - offen oder versteckt - Kaufzwang auszuüben (ÖBl 1975, 117; ÖBl 1978, 45; ÖBl 1982, 46 uva). Da die beanstandeten Gewinnspiele nach dem oben Gesagten weder die Spiellust der Zeitungsbezieher noch jene der Inserenten dazu auszunützen geeignet sind, daß diese Personen zu unsachlichen wirtschaftlichen Entscheidungen veranlaßt werden, ist ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht zu erkennen. Gewiß stehen der Beklagten, solange sie ihre Ware kostenlos verteilt, verschiedene Möglichkeiten offen, die den Verkäufern von Zeitungen verwehrt sind. Dem steht aber gegenüber, daß die Beklagte eben - im Gegensatz zu den Medieninhabern von "Kaufzeitungen", die gleichfalls Inserate gegen Entgelt veröffentlichen - keine zusätzlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Zeitung erzielt; diese Art der geschäftlichen Betätigung steht ja auch den Mitbewerbern der Beklagten frei. Daß die Beklagte aber Medieninhaber von Kaufzeitungen wegen Verstößen gegen § 28 UWG klagt, begründet noch nicht die Sittenwidrigkeit ihrer Gewinnspiele.

Der Revision mußte somit ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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