OGH 2Ob525/90

OGH2Ob525/9028.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angela P***, Hausfrau, 1180 Wien, Effingergasse 5, vertreten durch Dr.Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Martina H***, Hausfrau, 7463 Podoria Nr. 30, vertreten durch Dr.Elisabeth Hrastnik, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Feststellung des Bestandes einer Dienstbarkeit (S 30.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 18.Oktober 1989, GZ R 247/89-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 19.April 1989, GZ 2 C 3870/88-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. 140 der EZ 45 KG Podgoria. Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. 141 der EZ 44 KG Podgoria. Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß ihr und allen künftigen Eigentümern des Grundstückes Nr. 140 KG Podgoria als des herrschenden Gutes die Dienstbarkeit des Fahr- und Gehrechtes gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des Grundstückes Nr. 141 KG Podgoria als des dienenden Gutes zustehe. Die Dienstbarkeit bestehe darin, daß zur Nutzung des Grundstückes Nr. 140 KG Podgoria "jederzeit in Richtung vom ehemaligen Einfahrtstor, gelegen an der Grundgrenze des Grundstückes Nr. 141 zum öffentlichen Gut und zwischen dem auf dem Grundstück Nr. 141 errichteten Haus Nr. 30 und dem diesem zunächst gegenüber befindlichen Wirtschaftsgebäude in beiden Richtungen gefahren und gegangen werden dürfe. Die Beklagte habe Hindernisse, die die Ausübung des Fahr- und Gehrechtes erschweren oder unmöglich machen, zu entfernen und den Servitutsweg frei von Hindernissen zu halten". Die Klägerin begründete ihr Begehren damit, daß die Beklagte und deren Familienangehörige in schikanöser Rechtsausübung die mehr als 30 Jahre bestehende und ausgeübte Dienstbarkeit zu unterbinden suchen. Es bestünde keine andere Zufahrtsmöglichkeit als über das Grundstück der Beklagten. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe ihr Grundstück mit Kaufvertrag vom 22.9.1986 lastenfrei erworben. Am 20.10.1987 habe auf dem Grundstück der Beklagten eine Bauverhandlung stattgefunden. Die Klägerin habe bei dieser Verhandlung keine Einwendungen erhoben. Zum Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes durch die Beklagte sei das Betreten und Befahren der Liegenschaft durch ein Holztor verhindert gewesen. Seit 1987 benütze der Ehemann der Beklagten das Grundstück als Abstellplatz für Fahrzeuge. Es sei von der Klägerin nie darauf hingewiesen worden, daß dadurch bestehende Fahr- und Gehrechte beeinträchtigt werden. Die Klägerin sei seit 3 Jahren nicht mehr auf ihrer Liegenschaft gewesen, der Wohnungsberechtigte Julius M*** habe kein eigenes Fahrzeug. Er könne daher höchstens das Recht des Gehens, nicht jedoch das Recht des Fahrens über das Grundstück der Beklagten erworben haben. Es bestünde eine andere Zufahrtsmöglichkeit zum Grundstück der Klägerin, diese werde in regelmäßigen Abständen benützt. Zum Zeitpunkt des Kaufes der Liegenschaft sei nicht zu erkennen gewesen, daß darauf Rechte zugunsten dritter Personen bestehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es

traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Die Grundstücke grenzen aneinander. Das Haus der Beklagten ist entlang der Nordgrenze errichtet. Unmittelbar daran schließt das Haus der Klägerin an. Neben diesen Häusern befinden sich unregelmäßig angeordnet kleinere Objekte in Form eines Wohnblockes, zu dem ein Durchlaß von rund 2 Autobreiten besteht. Die Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin umschließen somit einen Hof, zu dem nur derart zugefahren werden kann, daß man vom Gemeindeweg über das Grundstück der Beklagten und den Durchlaß in den Hof einfährt. Die Benützung der Zufahrt bzw. des Zuganges zum Haus der Klägerin durch die jeweiligen Grundeigentümer steht außer Streit. Die Durchfahrt durch den geschilderten Durchlaß erfolgt seit mindestens 90 bis 100 Jahren. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat diese Durchfahrt und den Durchgang akzeptiert und niemals untersagt. Die Benützung erfolgte in den letzten Jahren derart, daß ein- bis zweimal im Jahr Holz zum Anwesen der Klägerin zugefahren wurde. Die Klägerin und ihr Mann besuchen regelmäßig den im Haus wohnenden Julius M***. Auch andere Personen kommen öfter auf Besuch und fahren seit Jahren mit dem PKW zu. Vorher wurden die Zufahrten mit Fuhrwerken oder Traktoren vorgenommen.

Vor dem Kauf wurde die Liegenschaft von der Beklagten besichtigt. Ob dabei auf dem Durchlaß zum Grundstück der Klägerin Fahrspuren vorhanden waren, konnte nicht festgestellt werden. Bei der Vertragserrichtung fragte der Notar die Verkäuferin ausdrücklich, ob irgendwelche Lasten oder Servitute bestünden, was diese jedoch verneinte. Im Kaufvertrag wurde daher festgehalten, daß das Grundstück von allen nicht ausdrücklich übernommenen Lasten, insbesondere von Dienstbarkeiten Dritter frei sei.

Zum Zeitpunkt der Besichtigung und des Erwerbes dieses Grundstückes war erkennbar, daß eine Zufahrt zum Grundstück der Klägerin nur über das Grundstück der Beklagten in dem im Spruch bezeichneten Umfang möglich war.

Die Beklagte und ihr Mann bezogen das Haus im Februar 1988. Im Zuge von Umbauarbeiten kam es am 29.10.1987 zu einer Bauverhandlung. Julius M*** erhob keine Einwände, insbesondere wies er nicht auf ein allfälliges Fahr- oder Gehrecht hin. Während der Bautätigkeit nahm die Beklagte kein Befahren der strittigen Fläche durch die Kinder bzw Schwiegerkinder des Julius M*** wahr. Dies war auch nicht möglich, weil die Beklagte auf ihrem Grundstück Baumaterial derart abgelagert hatte, daß nicht auf das Grundstück der Klägerin zugefahren werden konnte. Die Klägerin, Julius M*** und ein weiterer Familienangehöriger duldeten dies, weil sie der Meinung waren, daß es sich nur um ein zeitlich begrenztes Hindernis handle. Die Beklagte nahm wahr, daß diese Personen zum Haus der Klägerin zugingen; sie duldete dies, weil sie sich durch das bloße Zugehen nicht beeinträchtigt fühlte. In der Folge stellte der Ehemann der Beklagten Autos derart ab, daß nicht durch den beschriebenen Durchlaß auf das Grundstück der Klägerin zugefahren werden konnte. Der Zwist wurde offenkundig, als im Mai des Jahres 1988 die Klägerin Holz auf ihr Grundstück zubringen wollte und dabei die Servitut geltend machte.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß es sich bei dem Geh- und Fahrrecht der Klägerin um eine offenkundige Dienstbarkeit handle. Die Beklagte habe es an gehöriger Aufmerksamkeit fehlen lassen; sie hätte diese ohne weiteres feststellen können. Sie müsse daher die Dienstbarkeit gegen sich gelten lassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und ließ die Revision zu; die Frage, wie weit die Sorgfaltspflicht des Erwerbers einer Liegenschaft bei Vermittlung des Kaufes durch einen Immobilienmakler reiche, sei eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die Beklagte unter den gegebenen Verhältnissen Kontakt mit den Nachbarn aufnehmen hätte müssen, um sich verläßliche Informationen über allfällige Rechte Dritter zu verschaffen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, daß die Dienstbarkeit der Klägerin nicht offenkundig sei. Das Berufungsgericht hat demgegenüber unter Zitierung von Literatur und einhelliger Judikatur die Grundzüge herausgearbeitet, nach welchen im Einzelfall zu beurteilen ist, ob eine offenkundige, die Berufung auf den bloßen Grundbuchsstand nicht rechtfertigende Dienstbarkeit (vgl. Kapfer, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch15, 454) vorliegt. Es hat eine Nachforschungspflicht des Erwerbers dann für erforderlich gehalten, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuches ergeben (vgl. RZ 1962, 83). Fahrlässig handelt daher, wer den Widerspruch zwischen Grundbuchsstand und tatsächlichen Verhältnissen durch geeignete Erhebungen hätte feststellen können (vgl. SZ 47/29; JBl. 1976, 642; SZ 55/46 uza). Unter Bedachtnahme auf die verschiedentlich ineinander geschachtelten Baulichkeiten und die dazu hinführenden Durchlässe und Zufahrten hätte sich die Beklagte nicht mit den Erklärungen der Verkäuferin oder des Vermittlers begnügen dürfen, es bestünden keine Rechte Dritter. Damit hat das Berufungsgericht auf der Grundlage ständiger Judikatur und einhelliger Literatur Fragen des Einzelfalls beurteilt, denen Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zukommt. Dies führt - da der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden ist - zur Zurückweisung der Revision. Mangels Revisionsbeantwortung besteht kein Kostenersatzanspruch der Klägerin.

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