OGH 7Ob506/90

OGH7Ob506/9022.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Peter N***, geboren am 27.5.1972 und des mj. Renü N***, geboren am 2.Juli 1973, infolge Rekurses der Mutter Edith F***, Angestellte, Linz, Leharstraße 18, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 24. Oktober 1989, GZ 18 R 675/89-332, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 29.August 1989, GZ 21 P 39/89-318, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen Peter und Renü N*** wurde am 12.11.1984 gemäß § 55 a EheG geschieden (§ 270). Die Ehegatten lebten schon zuvor seit Jahren getrennt. Bereits im Jahre 1977 kamen beide Kinder infolge dauernder Auseinandersetzungen ihrer Eltern für einige Zeit zu den mütterlichen Großeltern nach Grünburg. Seit dieser Zeit versuchten beide Elternteile, die Obsorge für beide Kinder zu erhalten. Mit Beschluß vom 28.8.1979 (ON 78) wurde zunächst der Mutter die Pflege, Erziehung und Vertretung der Kinder (nunmehr Obsorge) zugewiesen. Über eine Anregung des Jugendamtes wurde in der Folge mit Beschluß vom 10.10.1983 (ON 216) die Pflege und Erziehung und Vertretung der Kinder (nunmehr Obsorge) dem Vater übertragen. Die Mutter wurde damals von beiden Kindern abgelehnt, beide äußerten den Wunsch, zum Vater zu kommen. In der Folge wurde ein Antrag der Mutter auf Einräumung eines Besuchsrechtes nach Einholung eines psychologischen Gutachtens mit Beschluß vom 1.März 1984 (ON 228) abgewiesen. Am 15.3.1988 äußerten die beiden Kinder vor Gericht den Wunsch, daß der Mutter ein Besuchsrecht eingeräumt werde (ON 284). Das Erstgericht gab dem in der Folge von der Mutter gestellten Antrag auf Übertragung der Obsorge für beide Kinder nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und nach Einvernahme beider Kinder und der Eltern statt (ON 318). Es stellte fest, daß es zwischen den beiden Minderjährigen ab Eintritt ihrer Pubertät immer häufiger zu Auseinandersetzungen mit ihrem Vater gekommen ist, weil dieser einen dominanten Erziehungsstil pflegt und dabei zu wenig auf die Interessen und Probleme der beiden Minderjährigen eingeht. Anläßlich einer solchen Auseinandersetzung setzte der Vater den mj. Peter N*** vor die Türe, dieser lebt jetzt derzeit bei seiner Mutter. Er ist Büropraktikant bei der Oberösterreichischen Landesregierung. Auch der mj. Renü N*** möchte bei seiner Mutter wohnen, von der er sich mehr akzeptiert und verstanden fühlt als vom Vater. Der Vater hat aber trotz der schwierigen Situation die beiden Kinder stets ordentlich betreut und hat sich um ihre beruflichen und schulischen Erfolge bemüht. Es ist zu befürchten, daß die beiden Minderjährigen, sollten sie weiterhin in der Obsorge des Vaters verbleiben, diesem immer weniger Respekt zollen und dadurch zunehmend führungsloser und unangemessen selbstherrlicher werden. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß es das Wohl der beiden Kinder gebiete, ihre Obsorge der Mutter zu übertragen. Über Rekurs des Vaters bestätigte das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß die Übertragung der Obsorge über den mj. Peter N*** auf die Mutter, änderte jedoch die Entscheidung hinsichtlich des mj. Renü N*** dahin ab, daß der Antrag der Mutter auf Übertragung der Obsorge auch hinsichtlich dieses Kindes abgewiesen wurde. Das Rekursgericht stellte ergänzend fest, daß es bei beiden Elternteilen aufgrund eines psychologischen Tests keine abwegigen Einstellungen gibt, die das Kindeswohl beeinträchtigen könnten. Der emotionale Labilitäts- bzw. Stabilitätswert liegt bei beiden Elternteilen in einer durchschnittlichen Größenordnung. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung stellte das Rekursgericht noch ergänzend fest, daß der mj. Renü N*** die 6.Klasse Mittelschule des Bundesrealgymnasiums für Sport in Saalfelden wiederholt und dort im Internat untergebracht ist. Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß der Vater mit der Erziehung des mj. Peter N*** nicht mehr zurechtkomme und daß die Mutter besser für dessen Wohl sorgen könne. Obwohl sich der mj. Renü nach anfänglichen Zweifeln letztlich der Meinung seines Bruders angeschlossen habe, ebenfalls bei seiner Mutter bleiben zu wollen, reiche dieser Wunsch allein noch nicht für eine Übertragung der Obsorge vom Vater auf die Mutter aus, weil der Vater nach wie vor geeignet sei, für seine Erziehung zu sorgen. Der Vater sei in letzter Zeit gegenüber Renü toleranter geworden. Dadurch sei eine Beruhigung zwischen Vater und Sohn eingetreten. Es sei daher anzunehmen, daß sich in Zukunft die Meinungsdifferenzen zwischen den beiden auf das übliche Maß beschränken werden. Es könne nicht angenommen werden, daß die Übertragung der Obsorge auf die Mutter zu einer Situationsverbesserung für dieses Kind führen werde. Nur gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter, mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.

Der Vater beantragt, diesem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich nach der Übergangsregelung des Art.XLI Z 5 WGN BGBl.1989/343, sohin nach §§ 14 bis 16 AußStrG in der vor der Änderung durch Art.II WGN geltenden Fassung. Materiellrechtlich ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles das Kindschaftsrecht-ÄnderungsG BGBl.1989/162 (idF des BGBl.1989/251) heranzuziehen. Zutreffend haben die Unterinstanzen erkannt, daß für die Übertragung der Obsorgeberechtigung von einem Elternteil auf den anderen das Wohl des Kindes maßgeblich ist (zuletzt EFSlg 56.776). Ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen ist aber nur dann vorzunehmen, wenn besondere Umstände dafür sprechen, daß die durch die Persönlichkeit, den Charakter, die pädagogischen Fähigkeiten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des in Erwägung gezogenen neuen Pflege- und Erziehungsberechtigten dem Pflegebefohlenen eröffneten Möglichkeiten aller Voraussicht nach zu einer beachtlichen Verbesserung seiner Lage und seiner Zukunftserwartungen führen werde (vgl. SZ 53/142, EFSlg 56.779 f, zuletzt 3 Ob 651/86). Eine Entziehung der Elternrechte ist daher nur dann zulässig, wenn dies im Interesse des Kindes dringend geboten ist, wobei bei der Beurteilung dieser Dringlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. EFSlg 56.781). Eine solche Situation liegt aber hinsichtlich des mj. Renü nicht vor, wie er dies in einem Schreiben an das Bezirksgericht Linz vom 11.12.1989 (ON 335) selbst zum Ausdruck bringt. Die Berücksichtigung dieses nach Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses eingelangten Schreibens ist zulässig, weil es auch die Situation im Entscheidungszeitpunkt wiedergibt. Die Stellungnahme des betroffenen Kindes war daher bei Beurteilung seines Wohles von Amts wegen aufzugreifen (vgl. EFSlg 58.249 ua). Auch das durch die angefochtene Entscheidung verursachte nunmehr getrennte Aufwachsen der beiden Brüder stellt kein entscheidendes Argument für einen Wechsel in der Obsorgeberechtigung hinsichtlich des mj. Renü dar. Zum einen befindet sich der mj. Renü in einem Internat und lebt daher ohnedies die meiste Zeit von seinem Bruder getrennt, zum anderen befinden sich die beiden Brüder in einem Alter, in dem der Kontakt der Geschwister untereinander schon etwas abgeflacht ist, letztlich sind beide schon so selbständig, daß sie jederzeit den gewünschten Kontakt miteinander aufnehmen können, letztlich ist der Zeitraum, in der der mj. Renü noch einer Obsorge eines Elterteiles bedarf, nur mehr kurz bemessen. Den Revisionsrekursausführungen, daß es allein auf den Willen eines nunmehr 17 Jahre alten Kindes bei der Entziehung der Obsorgeberechtigung ankomme, ist zu erwidern, daß es nicht auf diese Willensäußerung allein, sondern auf die Gründe, die für deren Durchsetzung sprechen, ankommt, zumal der mj. Renü zwischenzeitig seine Meinung offensichtlich geändert hat. Aus der Begründung des mj. Renü für seine Willensäußerung, zu seiner Mutter zu kommen (vgl. AS 126 f, 140 f u 195 f), ergibt sich aber kein Umstand, der eine Gefährdung seines Wohles erkennen läßt, falls er weiterhin in der Obsorge seines Vaters bleibt. Seine Willensäußerung sowie der gesamte festgestellte Sachverhalt lassen auch nicht erkennen, daß mit einer Änderung der Obsorgeberechtigung eine entscheidende Verbesserung in der Gesamtsituation des mj. Renü N*** in nächster Zeit in Betracht käme. Damit sind aber nicht die Voraussetzungen für einen Wechsel in der Obsorgeberechtigung gegeben. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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