Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die Schuld werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Alois S*** meldete gegen das am 6.Oktober 1989 mündlich verkündete Schöffengerichtsurteil, mit dem er wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, durch seinen Verteidiger fristgerecht das Rechtsmittel der "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe" an (ON 48).
Nach Zustellung der Urteilsausfertigung am 2.Jänner 1990 (S 223/II) beantragte der Verteidiger in einem am 23.Jänner 1990 zur Post gegebenen Schriftsatz - unter gleichzeitiger Ausführung der "angemeldeten" Nichtigkeitsbeschwerde und Zurückziehung der Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe -, dem Angeklagten die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelausführungsfrist zu bewilligen.
Der Antrag wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach der Zustellung der Urteilsausfertigung der Ablauf der Rechtsmittelfrist im Fristenvormerk der Kanzlei zwar mit "15.1.1990" eingetragen, an diesem Tag jedoch wieder "gestrichen" worden sei, weil die mit der Fristüberwachung betraute verläßliche Angestellte Petra B*** nach dem Einlangen einer weiteren Urteilsausfertigung am 10.Jänner 1990 (vgl S 242/II) - anläßlich der Zustellung der Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 52) zur Gegenausführung - statt des "15.1.1990" den "23.1.1990" als Ende der Frist vorgemerkt habe. Da Petra B*** "nicht damit rechnen konnte, daß zwei Urteile zugestellt werden", könne "ihr Verschulden als gering" gelten. Anläßlich der Überprüfung der Frist am 15.Jänner 1990 sei dem Verteidiger das am 10.Jänner 1990 eingelangte Urteil im Original vorgelegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht gerechtfertigt. Gemäß dem § 364 Abs. 1 StPO hat die Bewilligung des vorliegenden Antrages unter anderem zur Voraussetzung, daß es dem Angeklagten durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters (Verteidigers) Verschulden unmöglich gemacht wurde, die (versäumte) Frist einzuhalten.
Davon kann aber nach den Umständen dieses Falles nicht gesprochen werden.
Der Verteidiger räumt im Wiedereinsetzungsantrag ein, daß er am 15. Jänner 1990 den Fristenvormerk überprüft habe. Die - in Anbetracht der unter Umständen schwerwiegenden Folgen der Unterlassung von Rechtsmittelausführungen - pflichtgemäße Sorgfalt bei Durchsicht sämtlicher in Frage kommendet Unterlagen hätte - ungeachtet des Vorliegens von mehreren Urteilsausfertigungen und des Fehlers seiner Angestellten - zur Wahrnehmung des offenkundig unmittelbar bevorstehenden Fristablaufes und zu den notwendigen sofortigen weiteren Veranlassungen im Interesse der Wahrung der Rechtsmittelbefugnisse seines Klienten führen müssen. Die aufgezeigte Unterlassung begründet nach Lage der Verhältnisse ein Verschulden des Verteidigers an der Fristversäumung, für das der Angeklagte kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift einzustehen hat. Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist war daher zu verweigern.
Daraus ergibt sich, daß die (in einem erst nach Ablauf der - vom Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Zustellung zu
berechnenden - vierzehntägigen Frist des § 285 Abs. 1 StPO zur Post gegebenen Schriftsatz enthaltene) Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde als verspätet anzusehen ist. Da auch bei der Anmeldung keiner der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, war zugleich die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO zurückzuweisen.
In gleicher Weise war mit der (zwar angemeldeten, aber nicht ausgeführten) im Schöffengerichtsverfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld vorzugehen.
Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft waren die Akten dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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