OGH 3Ob518/90

OGH3Ob518/9014.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Kfm.Dr.Engelbert T***, Kaufmann, 8961 Stein an der Enns 74, vertreten durch Dr.Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt im Pongau, wider die beklagte Partei Liselotte G***, im Haushalt tätig, Rainergasse 22, 8750 Judenburg, vertreten durch Dr.Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Gewährung der ungehinderten Zufahrt und Entfernung hinderlicher Windbrüche vom Zufahrtsweg (Streitwert S 80.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als nach § 23 JN zur Entscheidung berufener Gerichtshof vom 4.Dezember 1989, GZ Nc 57/89-1, womit die Ablehnung des Richters des Kreisgerichtes Leoben Dr.Andreas H*** in dem Rechtsstreit AZ 4 Cg 287/89 des Kreisgerichtes Leoben zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater des Klägers und die Rechtsvorgängerin der Beklagten waren Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft. Sie schlossen einen Realteilungsvertrag, lösten die Gesellschaft auf und hoben zugleich die Gemeinschaft des Eigentums auf. Die Unterfertigung dieses Vertrages durch die Gesellschafterin wurde am 22. Oktober 1969 notariell beglaubigt. Zustande kam der Realteilungsvertrag durch die am 23.Jänner 1970 vorgenommene Unterfertigung durch beide Vertragspartner, die ebenfalls vom Notar beglaubigt wurde. Mit Bezugnahme auf diesen Vertrag hat der Kläger mit seinem Vater am 3.April 1970 einen Übergabsvertrag geschlossen. Mit Notariatsakt vom 3.April 1970 wurde diese Privaturkunde, der eine Abschrift des Realteilungsvertrages beigeheftet war, vom Notar bekräftigt.

Zu 5 Cg 276/88 des Kreisgerichtes Leoben verlangte der Kläger zunächst von der Verlassenschaft nach seinem Vater nach erfolgter Einantwortung vom Testamentserben S 600.000,-- Schadenersatz, weil sein Vater ihm mit Notariatsakt vom 20.Oktober 1966 seine Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis abgetreten habe, der zum Betriebsvermögen gehörende Hälfteanteil einer Liegenschaft auf Grund des Realteilungsvertrages dem Vater zugekommen sei und dieser den Hälfteanteil am 3.Jänner 1983 dem Testamentserben geschenkt und die Abtretung auf den Todesfall vereitelt habe.

Der Oberste Gerichtshof hat den Antrag des Klägers auf Delegation an einen außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Graz gelegenen Gerichtshof am 8.September 1988 abgewiesen. Infolge erfolgreicher Ablehnung anderer Richter des zuständigen Kreisgerichtes Leoben wegen Befangenheit und Wirkungslosigkeit der unbegründeten Ablehnung des bei diesem Gerichtshof ernannten Richters Dr.Andreas H*** kam die Verhandlung und Entscheidung diesem Richter zu (Oberlandesgericht Graz 4.November 1988, Nc 51/88). In dem Rechtsstreit standen sich die einander widersprechenden Behauptungen der Streitteile gegenüber, daß der Vater des Klägers auch am 22.Oktober 1969 mit seiner Vertragspartnerin in der Kanzlei des Notars Dr.Johann S*** in Rottenmann zugegen war (Kläger), und daß der Vater des Klägers damals nicht gekommen war (Gegner).

Am 11.August 1989 erhob der Kläger gegen die Beklagte die Klage mit dem Begehren, sie sei schuldig, ihm und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum des Elektrizitätswerkes "Am Marbach" - das ihm infolge der Realteilung und der Übergabe durch seinen Vater zugekommen war - die ungehinderte Zufahrt zu allen Anlagen zu gewährleisten und die einen bestimmten Weg blockierenden Windwürfe zu entfernen. Die Beklagte als Tochter der früheren offenen Gesellschafterin sei verpflichtet, die wieder aufgetretenen Behinderungen des Zufahrtsweges zum Wasserschloß durch infolge Windwurf das Befahren hindernde Stämme zu beseitigen und die ungehinderte Zufahrt zu gewährleisten.

Zugleich lehnte der Kläger wieder die meisten Richter des zuständigen Gerichtshofes wegen Befangenheit ab.

Das infolge der durch die Ablehnung eingetretenen Beschlußunfähigkeit des Kreisgerichtes Leoben als zunächst übergeordneter Gerichtshof zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht Graz gab der Ablehnung statt, weil sich die Richterin, der die Prozeßsache nach der Geschäftsverteilung zukam, befangen fühlte. Zur Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits war nun auch hier der Richter des Kreisgerichtes Dr.Andreas H*** berufen.

Am 5.September 1989 wurde dem Rechtsvertreter des Klägers die Ausfertigung des von diesem Richter im Rechtsstreit gegen den Alleinerben nach dem Vater des Klägers gefällte abweisende Urteil zugestellt, in welchem die Behauptung des Gegners als erwiesen angenommen wurde, daß bei der Besprechung über den Realteilungsvertrag am 22.Oktober 1969 wohl der Kläger, nicht aber dessen Vater zugegen war.

Der Kläger bekämpfte in seiner Berufung unter anderem diese Feststellung und erhob eine auf die Behauptung, das Urteil sei auf Grund falscher Beweisaussagen von Zeugen und einer nach dem Strafgesetz zu ahndenden Verletzung der Amtspflichten des Richters zustande gekommen, gestützte Wiederaufnahmsklage, worauf das Berufungsverfahren zu 5 Cg 276/88 des Kreisgerichtes Leoben nach § 545 ZPO unterbrochen wurde.

Am 12.Oktober 1989 lehnte der Kläger nun im zweiten Prozeß den Richter des Kreisgerichtes Leoben Dr.Andreas H*** wegen Befangenheit ab. Dieser habe eine dem Inhalt des Realteilungsvertrages widersprechende Feststellung getroffen und, weil auf öffentliche Urkunden die Beweislastregel des § 292 ZPO anzuwenden sei, eine strafbare Amtspflichtverletzung begangen. Auf Grund der erhobenen Wiederaufnahmsklage sei der Richter von der Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen. Gegen die Unbefangenheit des abgelehnten Richters spreche, daß gegen ihn ein Strafverfahren einzuleiten sei (§ 539 Abs 1 ZPO). Er werde sich daher von anderen als rein sachlichen Erwägungen leiten lassen. Der abgelehnte Richter äußerte sich, er habe die Feststellungen in dem anderen vom Kläger angestrengten Rechtsstreit gesetzmäßig getroffen und die Erwägungen im (noch nicht rechtskräftigen) Urteil erläutert. Er sei es gewöhnt, daß im Prozeß unterlegene Parteien die Beweiswürdigung ankämpfen, und sei ungeachtet der eingebrachten Wiederaufnahmsklage frei von Sympathie oder Antipathie zum Kläger. Das zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht wies die Ablehnung zurück. Der Angriff des Klägers gegen die Beweiswürdigung sei nicht geeignet, eine Befangenheit des Richters darzutun. Eine auffallende und damit bedenkliche Verletzung der Verfahrensgesetze, etwa des Gebotes zum rechtlichen Gehör, liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, das Verhalten des abgelehnten Richters in einem anderen vom Kläger geführten Rechtsstreit rechtfertige die objektive Besorgnis, der Richter werde sich in diesem Prozeß von unsachlichen Erwägungen leiten lassen. Abgesehen davon, daß nach § 292 Abs 2 ZPO der Beweis der Unrichtigkeit einer in einer öffentlichen Urkunde bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig ist, verkennt der Kläger überhaupt die Beweiskraft des Notariatsaktes vom 3.April 1970, die sich darin erschöpft, daß der Kläger und sein Vater eine Privaturkunde, nämlich den Übergabsvertrag, dem wieder eine bloße Abschrift des Realteilungsvertrages beigeheftet war, vom Notar ummanteln ließen. Damit allein wurde nicht von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in vorgeschriebener Form beurteilt, daß der Vater des Klägers am 22.Oktober 1969 selbst beim Notar anwesend war.

Es geht daher nur darum, daß dem Kläger die vom Richter in einem anderen Prozeß gewonnene Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Tatsache nicht genehm ist und daß er deshalb den Versuch unternommen hat, nicht nur zulässig mit Beweisrüge diese dem § 272 Abs 1 ZPO entsprechende Beweiswürdigung anzufechten, sondern darüber hinaus eine Wiederaufnahmsklage auf den Grund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO zu stützen. Ein solches Vorgehen mag zu einer Verärgerung des einer strafbaren Handlung beschuldigten Richters und dazu führen können, sodaß sich dieser selbst nicht mehr in der Lage sieht, dem Kläger unbefangen gegenüberzustehen. Solange aber der Richter sein Amt objektiv und ohne Einfluß von Abneigung oder Unbehagen auszuüben bereit ist und sich dazu ohne Verstoß gegen die Lebenserfahrung fähig fühlt, liegt kein zureichender Ablehnungsgrund vor. Es wäre sonst jeder Verfahrenspartei möglich, den zuständigen Richter durch den - nicht belegten - Vorwurf strafbarer Handlungen auszuschalten.

Der angefochtenen Entscheidung ist beizutreten; denn der Kläger kann keine objektiven Tatsachen geltend machen, die geeignet wären, die Selbsteinschätzung des abgelehnten Richters, er werde auch weiterhin rein sachlich vorgehen und dem Kläger den erhobenen Vorwurf nicht übelnehmen, zu widerlegen und darzutun, daß zumindest objektiv seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen sei. Dabei ist im Ablehnungsverfahren weder eine Prüfung zulässig, ob die Sachentscheidung des abgelehnten Richters in dem Vorprozeß gegen einen anderen Beklagten richtig oder unrichtig ist, weil dies in dem dort noch offenen Rechtsmittelverfahren geschehen muß, noch könnte selbst aus einer vom Rechtsmittelgericht nicht gebilligten Rechtsansicht schon eine Besorgnis abgeleitet werden, daß der Richter durch unsachliche psychologische Motive an einer unparteiischen Verfahrensführung und Sachentscheidung gehindert wäre. Ein mit Grund eine Befangenheit nahelegender grober Verfahrensverstoß, der den Mangel der Objektivität befürchten ließe, liegt entgegen der stets wiederholten Ansicht des Klägers nicht vor.

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