Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag aufgetragen.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.
Text
Begründung
Hinsichtlich des Verfahrensablaufes bis zum hg Beschluß vom 24. Jänner 1989, 10 Ob S 23/89 wird auf diese in SSV-NF 3/21 veröffentlichte Entscheidung Bezug genommen.
In seiner, nunmehr in vorschriftsgemäßer Besetzung gefaßten neuerlichen Entscheidung wies das Erstgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ohne mündliche Verhandlung mit der Begründung ab, dem daß Kläger ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der Versäumung zur Last liege. Überdies hätte seiner Vertreterin bei der Verfassung des Schriftsatzes vom 20. Juli 1988 auffallen müssen, daß die Berufungsfrist von vier Wochen objektiv versäumt worden sei. Deshalb sei der Wiedereinsetzungantrag nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gestellt worden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge, weil der Wiedereinsetzungsantrag kein Vorbringen zur Wiedereinsetzung in die versäumte vierzehntägige Wiedereinsetzungsfrist (Nichtbeachtung der Verspätung bei der Akteneinsicht) enthalte.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit den Anträgen, die Vorentscheidungen durch Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rekursbeschränkung des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO nach § 47 Abs 1 ASGG in der hier noch anzuwendenden Fassung nicht gilt und weil § 528 Abs 2 ZPO (in derselben Fassung) nach § 47 Abs 2 ASGG (in derselben Fassung) in Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen nicht anzuwenden ist.
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Nach § 148 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung der
Wiedereinsetzung bei dem Gericht anzubringen, bei welchem die
versäumte Prozeßhandlung vorzunehmen war (Abs 1). Er muß innerhalb
vierzehn Tagen gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an
welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte,
weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden (Abs 2). Offenbar
verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren
zurückzuweisen (Abs 3). Nach § 149 Abs 1 lec cit hat die Partei,
welche die Wiedereinsetzung beantragt, in dem bezüglichen
Schriftsatz ... alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden
Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung
anzugeben. Zugleich mit dem Antrage ist auch die versäumte
Prozeßhandlung selbst ... nachzuholen. Über den Antrag auf
Bewilligung der Wiedereinsetzung entscheidet nach Abs 2 des letztzit Abs das Gericht durch Beschluß, und zwar nach mündlicher Verhandlung, wenn es eine solche für erforderlich hält. Fasching, Komm II 740 führt zutreffend aus, daß der die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Tag des Wegfalles des die Versäumung verursachenden Hindernisses nicht von vornherein mit jener Eindeutigkeit festzulegen ist wie etwa das den Ablauf der Rechtsmittelfrist auslösende Ereignis. Daher ist der nicht aktenkundige Beginn der Wiedereinsetzungsfrist vom Antragsteller zu bescheinigen. Der Wegfall des hindernden Ereignisses ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Das Hindernis ist jedenfalls dann weggefallen, wenn der Partei selbst unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die im § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck gebrachten Handlungspflicht zugemutet werden kann, die Prozeßhandlung nachzuholen. Entscheidend ist also nicht, wann der Wiedereinsetzungsantrag - als solcher isoliert betrachtet - an sich gestellt werden könnte, sondern wann die Partei die versäumte Prozeßhandlung nachholen konnte. Ist die Säumnis durch einen Irrtum entstanden, dann beginnt die Frist mit dessen Aufklärung. Diese Ausführungen ergänzt Fasching, ZPR2 Rz 583 unter Hinweis auf die Entscheidung des LGZ Wien ÖA 1985, 146 dahin, daß der Wiedereinsetzungsantrag bei einem Irrtum über die Dauer einer Rechtsmittelfrist innerhalb 14 Tagen ab Zustellung des wegen Verspätung zurückweisenden Beschlusses gestellt werden muß. Dem ist zuzustimmen (so auch 16. Mai 1956, 7 Ob 248/56; EvBl 1971/182), es sei denn, der Irrtum hätte sich schon früher aufgeklärt. Im vorliegenden Fall ergibt sich kein Hinweis auf eine frühere Aufklärung des als Wiedereinsetzungsgrund behaupteten, durch die mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers bewirkte irrtümliche Annahme, die Berufungsfrist dauere nicht vier Wochen sondern einen Monat. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, die objektive Versäumung der Berufungsfrist hätte der Klagevertreterin schon bei der Verfassung des (beim Erstgericht eingebrachten, von diesem dem Berufungsgericht zum schon vorgelegten Akt weitergeleiteten) Schriftsatzes vom 20. Juli 1988 auffallen müssen, mit dem die Hauptsache betreffende Urkunden vorgelegt wurden, ist ebenso unbegründet wie die Annahme des Rekursgerichtes, daß die Wiedereinsetzungsfrist "wegen Unterbleibens der Beachtung der Verspätung bei der Akteneinsicht" - daß und wann eine solche vorgenommen worden wäre, ist nicht aktenkundig, der Akt befand sich bei der Einbringung des die Berufung ergänzenden Schriftsatzes nicht beim Erstgericht - versäumt worden wäre.
Daraus ergibt sich, daß der innerhalb 14 Tagen nach Zustellung des berufungsgerichtlichen Beschlusses vom 22. August 1988 an die Klagevertreterin gestellte Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtzeitig gestellt wurde, weil der darin behauptete Irrtum über die Dauer der Berufungsfrist erst durch die Zustellung des die Berufung als verspätet zurückweisenden Beschlusses des Berufungsgerichtes aufgeklärt wurde. Mangels eines Hinweises, daß die Wiedereinsetzungsfrist schon vor der Zustellung des erwähnten Zurückweisungsbeschlusses begonnen haben könnte, mußte die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages darin - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - nicht ausdrücklich behauptet (und auch nicht glaubhaft gemacht) werden.
Unter Bezugnahme auf die im hg Aufhebungsbeschluß vom 24. Jänner 1989, 10 Ob 23/89 enthaltenen Rechtsausführungen würde der erkennende Senat bei Glaubhaftmachung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes, nämlich der durch die mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers angeblich bewirkten irrtümlichen Annahme, die Berufungsfrist dauere nicht vier Wochen sondern einen Monat, noch kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers annehmen. Daher bedarf es der Glaubhaftmachung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes.
Deshalb waren die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag aufzutragen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Rekurskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Für den Revisionsrekurs wurden keine Kosten verzeichnet.
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