Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen,
1. die Herstellung weißer Korrekturflüssigkeiten auf Lösemittelbasis und die Herstellung weißer Korrekturflüssigkeiten auf wässriger Basis entsprechend den Herstellungsanleitungen, die die Klägerin der
W. K*** Gesellschaft mbH, nachmals O*** Bürobedarfsartikel Gesellschaft mbH, mit 4 im einzelnen bezeichneten Verträgen erteilt hat, zu unterlassen;
2. der Klägerin S 500.000 samt 5 % Zinsen seit dem Tag der Klagezustellung (8. November 1988) zu zahlen.
Die Beklagte, der die schriftliche Aufforderung zur Erstattung einer Klagebeantwortung binnen 4 Wochen (§ 243 Abs 4 ZPO) am 8. November 1988 persönlich zugestellt worden war, teilte dem Erstgericht am 6. Dezember 1988 - nachdem inzwischen der Antrag der Klägerin, zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches eine inhaltsgleiche einstweilige Verfügung zu erlassen, wegen der Unbestimmtheit des Begehrens abgewiesen worden war (ON 5) - mit, daß sie im Hinblick auf die Unschlüssigkeit der Klage und die mangelnde Exekutionsfähigkeit des Klagebegehrens von der Erstattung einer Klagebeantwortung Abstand nehme; gleichzeitig beantragte sie, einen allfälligen Antrag der Klägerin auf Fällung eines (klagestattgebenden) Versäumungsurteiles abzuweisen (ON 6). Daraufhin beantragte die Klägerin, gegen die Beklagte ein Versäumungsurteil (nur) auf Zahlung von S 500.000 sA zu erlassen; diesem Antrag gab das Erstgericht statt (ON 7).
Den von der Beklagten gegen dieses Versäumungsurteil innerhalb der Frist von 14 Tagen (§ 397 a Abs 2 ZPO) erhobenen Widerspruch wies das Erstgericht - nachdem das Versäumungsurteil infolge Berufung und Revision der Beklagten bestätigt worden war - mit Beschluß vom 15. Dezember 1989 zurück. Der Widerspruch sei nach § 397 a ZPO gegen ein wegen Versäumung der ersten Tagsatzung gefälltes Versäumungsurteil (§ 396 ZPO) und nach § 398 Abs 1 ZPO auch dann zulässig, wenn eine bei der ersten Tagsatzung anwaltlich nicht vertretene beklagte Partei keine Klagebeantwortung erstattet hat. Da hier eine erste Tagsatzung nicht stattgefunden hat, sei der Widerspruch unzulässig.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Bedachtnahme auf den Widerspruch der Beklagten auf und sprach aus, daß ein Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Einem Beklagten stehe der Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil nach § 398 ZPO auch dann zu, wenn ihm der Auftrag zur Klagebeantwortung mit schriftlichem Beschluß erteilt worden ist; nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei nur der bei einer ersten Tagsatzung von einem Rechtsanwalt vertretene Beklagte davon ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig.
Daß der angefochtene Beschluß in Wahrheit eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung bedeutet, weil in deren Aufhebung zugleich schon die abschließende Entscheidung über den Parteienantrag (den Widerspruch) liegt (Fasching IV 441 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; JBl 1985, 686; JBl 1989, 172 uva.), hat das Rekursgericht entgegen der Meinung der Klägerin ohnehin zutreffend erkannt, hätte es doch sonst nicht die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO - jeweils idF der WGN 1989 - ausgesprochen. Aufhebende Beschlüsse im Sinne des § 527 Abs 2 ZPO sind ja nur anfechtbar, wenn das Rekursgericht einen Rekurs ausdrücklich für zulässig erklärt hat; ein Ausspruch der Unzulässigkeit des Rekurses ist für diesen Fall nicht vorgesehen (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 743 ff. Ä750 und 751Ü). Der Revisionsrekurs ist somit dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO idF WGN 1989 vorliegen. Das ist zu bejahen, hängt doch die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Verfahrensrechtes ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt; soweit überblickbar, fehlt nämlich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob einem Beklagten der Widerspruch auch dann zusteht, wenn er durch seinen Rechtsanwalt ausdrücklich erklärt hat, daß er keine Klagebeantwortung einbringen werde.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Nach § 397 a Abs 1 ZPO steht dem Ausgebliebenen der mit vorbereitendem Schriftsatz zu erhebende Widerspruch gegen ein nach § 396 ZPO - also wegen Versäumung der ersten Tagsatzung - gefälltes Versäumungsurteil zu. § 397 a ZPO ist sinngemäß anzuwenden, wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 398 Abs 1 letzter Satz ZPO). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - welche die Klägerin ausdrücklich billigt und von der abzugehen sich der erkennende Senat trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik (Mayr, JBl 1984, 561 ff; Rechberger, RdW 1985, 5 ff.) nicht veranlaßt sieht - steht auch gegen ein Versäumungsurteil wegen nicht fristgerechter Erstattung der schriftlich aufgetragenen Klagebeantwortung der Widerspruch offen; § 398 Abs 1, letzter Satz, ZPO ist nämlich so zu lesen, daß der Widerspruch dem Beklagten, der die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreicht hat, nur dann nicht zusteht, wenn eine erste Tagsatzung stattgefunden hat und der Beklagte bei dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten war (SZ 56/191; JBl 1984, 560; JBl 1985, 686; 5 Ob 1539/85; in diesem Sinne auch Pimmer, ÖJZ 1984, 141; Petrasch, ÖJZ 1985, 263; Fasching, LB2 Rz 589).
§ 398 Abs 1, letzter Satz, ZPO stellt ausdrücklich darauf ab, daß der Beklagte schon in der ersten Tagsatzung - also bei Entgegennahme des (mündlichen) Auftrages zur Erstattung der Klagebeantwortung - durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Ob dem der Fall gleichzuhalten ist, daß ein schriftlicher Auftrag nach § 243 Abs 4 ZPO bereits dem als bevollmächtigt ausgewiesenen und zur Empfangnahme bereiten Beklagtenvertreter - etwa bei einer Widerklage - zugestellt wurde (so Fasching aaO; vgl. Mayr aaO 563), braucht diesmal nicht untersucht zu werden, weil dieser Fall hier nicht vorliegt. Daß aber der Beklagte nach Entgegennahme des Auftrages zur Erstattung der Klagebeantwortung einen - schon vorher oder erst jetzt bevollmächtigten - Rechtsanwalt beizieht und mit seiner Vertretung in dieser Sache beauftragt, kann ihm das Recht zum Widerspruch nicht mehr nehmen. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß der Widerspruch auch dann noch möglich ist, wenn einer bei der ersten Tagsatzung unvertretenen Partei in der Folge ein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe beigegeben wird, obwohl für diesen gemäß § 73 Abs 2 ZPO die Frist erst mit der Zustellung des Bestellungsbescheides zu laufen beginnt (JBl 1985, 686). Umso weniger kann der Beklagte sein Recht zum Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil dadurch verlieren, daß er nach Zustellung des Beschlusses nach § 243 Abs 4 ZPO einen Rechtsanwalt mit der Erstattung der Klagebeantwortung beauftragt. Auch die Klägerin teilt diese Auffassung; sie meint aber, daß der Fall dann völlig anders liege, wenn der anwaltlich vertretene Beklagte ausdrücklich mit Schriftsatz erklärt hat, daß er keine Klagebeantwortung erstatten werde. In diesem Fall müsse der Beklagte so behandelt werden, als ob er schon bei der ersten Tagsatzung durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen wäre, habe doch der Rechtsanwalt das Versäumungsurteil gewollt. Dem kann nicht gefolgt werden:
Den Fall, in welchem schon bei der ersten Tagsatzung für den Beklagten ein Rechtsanwalt eingeschritten ist, mit jenem gleichzustellen, in welchem ein Rechtsanwalt nach Zustellung des Beschlusses nach § 243 Abs 4 ZPO an den Beklagten selbst für diesen einschreitet, wäre nicht gerechtfertigt; mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt wäre vielmehr nur der Fall zu vergleichen, daß der Rechtsanwalt eines bei der ersten Tagsatzung noch unvertretenen Beklagten nachher mitteilt, er werde keine Klagebeantwortung erstatten. Entscheidungswesentlich ist aber in Wahrheit nur die Frage, ob die ausdrückliche Erklärung, daß keine Klagebeantwortung erstattet werde, als (schlüssiger) Verzicht auf einen Widerspruch gegen das Versäumungsurteil zu werten ist. Das ist zu verneinen: Selbst wenn man einen schlüssigen prozessualen Verzicht für möglich halten wollte, müßten daran doch - wie an einen schlüssigen Verzicht nach bürgerlichem Recht - besonders strenge Anforderungen gestellt werden. Im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, daß bei Überlegung aller Umstände kein Zweifel daran bestehen bleiben könnte (§ 863 ABGB), daß die Beklagte auf den Rechtsbehelf des Widerspruches verzichten wollte. Sie hat ausdrücklich die Abweisung eines allfälligen Antrages auf Fällung eines stattgebenden Versäumungsurteiles beantragt; damit hat sie ganz eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie dem Klageantrag entgegentreten will. Daß sie ein - von ihr nicht
erwartetes - Versäumungsurteil nur mit Berufung und Revision, nicht aber mit Widerspruch bekämpfen werde, hat die Beklagte damit in keiner Weise zum Ausdruck gebracht. Dazu kommt im vorliegenden Fall noch die Besonderheit, daß die Beklagte, wie sich aus der Begründung ihrer Mitteilung ON 6 ergibt, die Klagebeantwortung nur deshalb unterlassen hat, weil sie offenbar nur das Unterlassungsbegehren im Auge gehabt und das Zahlungsbegehren übersehen hatte. Schon aus diesem Grund kann der Beklagten keinesfalls unterstellt werden, daß sie auf einen Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil über S 500.000 sA verzichtet habe.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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