OGH 12Os7/90

OGH12Os7/908.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter K*** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.September 1989, GZ 5 a Vr 4795/89-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. König, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Juni 1957 geborene beschäftigungslose Walter K*** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 erster Fall StGB (A) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (B) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

A) mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung nachstehend

angeführten Personen Bargeld und Wertsachen wegzunehmen versucht, wobei er sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollte, und zwar

1. am 10.Mai 1989 der Elfriede D*** durch Einbruch in deren Gasthaus,

2. am 13.Juni 1989 dem Adolf T*** durch Einsteigen in dessen Wohnung sowie

3. und 4. am 20.Juni 1989 der Ida D*** und der Elisabeth H***;

B) am 20.Juni 1989 dadurch, daß er im Polizeiarrest gegen die

noch offene Zellentür trat, die hiedurch auf Bez.Insp. Erich B*** fiel, wodurch dieser eine Schwellung und Prellung mit Hautabschürfung im Bereich des 4. Fingers der rechten Hand erlitt, und dadurch, daß er mit dem Fuß gegen die rechte Hand des Bez.Insp. Gerald H*** trat, wodurch der Genannte eine Schwellung, Prellung und Hautabschürfung am 3. Finger der rechten Hand, Hautabschürfungen im Bereich des rechten Zeigefingers, eine Prellung des rechten Daumengrundgelenks und eine Prellung des rechten Zeigefingers erlitt, Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte in seinen Punkten A 1 und 2 sowie B mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit a (sachlich auch 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Zum Faktum A 1:

Mit der Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die auf die Zeugenaussagen des Dr. Gerhard W*** (ON 39, S 74 bis 77) und der Gastwirtin Elfriede D*** (ON 39, S 77 bis 78) gestützte Urteilskonstatierung, wonach er sich am Abend des 10.Mai 1989 im Gasthausgarten hinter einer überdachten Bank versteckte, um nach der Sperrstunde einen Einbruchsdiebstahl im Gasthaus zu begehen (S 101 bis 102).

Abgesehen davon, daß die Beschwerdebehauptung, es sei "geradezu denkunmöglich", daß sich ein Mensch hinter einer Bank verstecke, empirisch unhaltbar ist, läßt der Beschwerdeführer die weitere - gar nicht angefochtene - Urteilsfeststellung außer acht, daß sich hinter der Bank in der Richtung zum Gasthaus eine Holzwand befand, sodaß der Angeklagte weder vom Gasthaus aus noch von Personen, die von dort das WC aufsuchten, hätte gesehen werden können (S 102 oben). Die Erwägungen, aus denen das Erstgericht die Verantwortung des Beschwerdeführers als unglaubwürdig ablehnte, nämlich: er hätte sich nicht versteckt, sondern nur hingesetzt, wenn ihm tatsächlich übel gewesen wäre; er hätte auch nicht zu fliehen versucht, wenn er nicht hätte stehlen wollen (ON 40, S 104 bis 105), sind denkrichtig und lebensnah. Formale Begründungsmängel liegen demnach nicht vor und es bestehen nach dem Akteninhalt auch keinerlei Bedenken gegen die Richtigkeit dieser entscheidenden Tatsachenfeststellung. Entgegen der - formal verfehlt auch im Rahmen der Tatsachenrüge ausgeführten - Rechtsrüge (Z 9 lit a) ging das Erstgericht zu Recht davon aus, daß strafbarer Versuch vorliegt.

Gemäß § 15 Abs. 2 StGB ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Wartet ein zur Tatausführung entschlossener Täter (wie der Beschwerdeführer) in unmittelbarer Nähe des Tatortes in einem Versteck, um seinem Tatplan gemäß nach der Sperrstunde des Lokals die Tat darin unbehelligt ausführen zu können, dann ist dieses Verhalten sowohl subjektiv (weil die entscheidende Hemmstufe schon überwunden wurde), als auch objektiv, nämlich örtlich, zeitlich und deliktsspezifisch ausführungsnah und stellt daher keineswegs eine bloße straflose Vorbereitungshandlung zum Diebstahl dar (vgl den sehr ähnlichen Fall 12 Os 1/82 nv). Eine "Manifestation" des Vorhabens durch (wenigstens) Aufbrechen der Türen des Gasthauses ist für die Strafbarkeit des Versuchs nicht erforderlich, weil es sich diesfalls nicht mehr um ein der Ausführung unmittelbar vorangehendes Verhalten, sondern bereits um den Beginn der Ausführung der Tat handelte.

Zum Faktum A 2:

Die Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) moniert zu diesem Schuldspruch, daß hier auch aus der Flucht des Angeklagten kein Tatbeweis ableitbar sei und dessen Identifizierung durch den Zeugen Adolf T*** (ON 20 und ON 39, S 88 bis 90) zufolge der Wahrnehmung "nur für Sekundenbruchteile" unverläßlich sei. Dieser Einwand widerspricht indes den aktenkundigen Beweisergebnissen, denen zufolge der Zeuge dem Täter beim Verlassen der Wohnung begegnete, ihn auf die Frage, was er in der Wohnung gemacht habe, mehrere Sätze sprechen hörte (er hätte nur in der Wohnung geschlafen und es sei nichts passiert; außerdem seien noch zwei Männer in der Wohnung), ihn sodann kurz festhielt, mit ihm "rangelte", ihn in der Folge durch mehrere Straßen verfolgte und ihm dabei neuerlich derart nahe kam, daß dieser ihn durch "Herumfuchteln" mit einer Eisenstange auf Distanz zu halten trachtete. Angesichts dieser Verfahrensergebnisse und des ebenfalls nicht bestrittenen Umstandes, daß der Beschwerdeführer damals nicht obdachlos war, ist der aus seiner Anwesenheit in der Wohnung und der darauf folgenden Flucht gezogene Schluß auf seinen Diebstahlsvorsatz ebenfalls mängelfrei und unbedenklich.

Der Beschwerdeführer vermag aber auch mit seiner die Qualifikation des Einsteigens (§ 129 Z 1 StGB) anfechtenden Subsumtionsrüge (Z 10) nicht durchzudringen.

Da die dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstaten, die rechtlich wegen des Zusammenrechnungsprinzips (§ 29 StGB) und überdies wegen der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit (§§ 70, 130 StGB) als Diebstahl insoweit rechtlich eine Einheit bilden, schon deshalb nach § 129 Z 1 StGB qualifiziert sind, weil diese Qualifikation jedenfalls auf das Faktum A 1 (Einbruch) zutrifft, läge selbst bei verfehlter Annahme des Tatbestandsmerkmales des Einsteigens in diesem Faktum keine Urteilsnichtigkeit vor (Mayerhofer-Rieder2 ENr 42, 43 zu § 281 Z 10 StPO). Davon abgesehen hat das Erstgericht das Eindringen in die Wohnung des Adolf T*** durch ein mindestens erst 1,5 Meter über dem Erdboden beginnendes (wenn auch offenes) Fenster unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Mayerhofer-Rieder3, E 5 bis 8 zu § 129 StGB) rechtsrichtig als "Einsteigen" gewertet; war doch nach menschlicher Erfahrung dieses Eindringen in die Wohnung für den (bloß 1,64 Meter großen - siehe die Personsbeschreibung ON 13, S 66) Beschwerdeführer jedenfalls mit einer physischen Anstrengung verbunden, die sich in einer notwendigerweise erheblichen Veränderung der gewöhnlichen Körperhaltung manifestierte und - entgegen dem Beschwerdevorbringen - dem Betreten einer Wohnung durch eine unversperrte Tür nicht gleichzusetzen ist.

Dem Schöffengericht ist sohin auch in diesem Punkt ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Zum Faktum B:

Das Gericht konstatierte ausdrücklich, daß der Angeklagte bei seinen Tätlichkeiten gegen die Polizeibeamten nicht nur an die Möglichkeit ihrer Verletzung dachte, sondern diese auch billigend in Kauf nahm (ON 40, S 104), und stützte sich hiebei auf die im wesentlichen geständige Verantwortung und die Heftigkeit der Fußtritte (ON 40, S 106).

Die Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) will demgegenüber aus dem Erregungszustand des Beschwerdeführers und dessen geistiger Minderbegabung den Schluß abgeleitet wissen, er habe die Beamten nur fahrlässig verletzt.

Abgesehen davon, daß für den Angeklagten nichts gewonnen wäre, wenn sich die Verletzungen der Polizeibeamten nur als fahrlässig herbeigeführte Folgen der mit Mißhandlungsvorsatz vorgetragenen Angriffe darstellten (§ 83 Abs. 2 StGB), liegen auch in diesem Punkt formale Begründungsmängel nicht vor, weil das Beschwerdevorbringen lediglich auf eine aus den Einlassungen bei wohlwollender Würdigung (auch) ableitbare andere (günstigere) Sachverhaltsvariante abzielt, was aber einen im Rahmen der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO unzulässigen Versuch darstellt, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts anzugreifen, und im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen zur subjektiven Tatseite zu erwecken vermag. Mit den die Konstatierung des Verletzungsvorsatzes iS des § 83 Abs. 1 StGB negierenden Einwänden der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird diese nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil nicht der festgestellte Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz verglichen wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Zur Berufung:

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 130 erster Strafsatz StGB eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe und wertete bei der Strafzumessung als erschwerend die (zahlreichen, spezifisch) einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von (einem) Verbrechen und (einem) Vergehen sowie die Verletzung von zwei Beamten, während als mildernd das Teilgeständnis, der Umstand, daß es hinsichtlich der Diebstähle beim Versuch geblieben ist, sowie eine geistige Minderbegabung berücksichtigt wurden.

Der Angeklagte begehrt mit seiner Berufung eine schuldangemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Soweit der Berufungswerber die der Überprüfung der Strafzumessung zwingend zugrundezulegenden Tatsachenfeststellungen zur Schuldfrage (§ 295 Abs. 1 StPO) zu relativieren trachtet, bedarf es keiner weiteren Erörterung. Das übrige Vorbringen aber läuft darauf hinaus, daß das Erstgericht den (ohnehin erwähnten) mildernden Umständen, insbesondere den ungeschickten und daher beim Versuch gebliebenen Diebstaten, der geistigen Minderbegabung und der zu geringen geldlichen Sozialunterstützung zu wenig Gewicht beigelegt habe.

Unter besonderer Beachtung der für die Bemessung der Schuld relevanten Normen des § 32 Abs. 2 und 3 StGB kann indes im Hinblick auf die schwer vorbelastete Täterpersönlichkeit, den raschen Rückfall und die Intensität des Täterwillens, wie sie insbesondere in den konkurrierenden diebischen Angriffen überzeugend zum Ausdruck kommt, in der Ausmessung der Strafe mit (bloß) einem Drittel des gemäß § 39 StGB bis auf siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe ausweitbaren Strafrahmens des § 129 StGB kein Ermessensfehler gefunden werden. Der Oberste Gerichtshof vermag daher auch dem Berufungsbegehren nicht näherzutreten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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