OGH 9ObA31/90

OGH9ObA31/9028.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Harald M***, Angestellter, Salzburg, Dr.Gmelin-Straße 42, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei N*** R*** Gesellschaft mbH & Co KG, Salzburg, Hannakstraße 1, vertreten durch Dr.Helmut Renner und Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 100.796,51 brutto sA (Revisionsstreitwert S 96.299,85 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.November 1989, GZ 13 Ra 59/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.April 1989, GZ 20 Cga 205/88-9, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 771,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Die zu diesem Revisionsgrund erstatteten Ausführungen erschöpfen sich in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Was die rechtliche Beurteilung betrifft, genügt es, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes zu erwidern:

Soweit die Revisionswerberin unterstellt, der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß er am Nachmittag des 19.September 1988 wegen seiner Grippeerkrankung nicht mehr arbeiten gegangen und am 16. September 1988 anläßlich der Ausübung der Kontrolltätigkeit im Forum-Kaufhaus schwer betrunken gewesen sei, geht sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, sodaß die Rechtsrüge insoweit nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt ist.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hat der von der beklagten Partei gekündigte Kläger versucht, die Zustimmung seiner Vorgesetzten zur Inanspruchnahme des ihm gemäß § 22 AngG zustehenden Postensuchtages für den von seiner Gattin ohne sein Zutun vereinbarten Vorstellungstermin für Montag, den 19.September 1988, 10 Uhr, zu erlangen, diese aber nicht erreicht und daraufhin die anwesende Angestellte der beklagten Partei über die Postensuche informiert, nachdem er zuvor am Morgen seine Kontrolltätigkeit verrichtet hatte; am Nachmittag dieses Tages ist der Kläger nur deswegen nicht mehr arbeiten gegangen, weil er Gliederschmerzen und Fieber hatte. Damit hat der Kläger ohnehin Freizeit nur soweit in Anspruch genommen, als dies zur Postensuche unbedingt erforderlich war und alle Vorkehrungen getroffen, damit die beklagte Partei durch seine Abwesenheit keine Nachteile erleidet. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß die beklagte Partei - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - nicht einmal behauptet hat, daß ihr durch die Abwesenheit des Klägers ein Schaden entstanden wäre. Berücksichtigt man das eminente existentielle Interesse des gekündigten Arbeitnehmers, sich durch Erlangung eines Arbeitsplatzes eine neue Lebensgrundlage zu sichern, dann gebührt dem Interesse des Arbeitnehmers, die Freizeit gerade zum Zeitpunkt des vereinbarten Vorstellungstermins in Anspruch zu nehmen, selbst dann der Vorrang, wenn der Arbeitgeber ein zumindest gleichwertiges erhebliches Interesse an der Arbeitsleistung gerade zu diesem Zeitpunkt hat. Kann der Arbeitnehmer trotz seines Bemühens die Zustimmung des Arbeitgebers nicht erlangen - sei es, weil sie der Arbeitgeber verweigert oder weil er nicht erreichbar ist - muß ihm die eigenmächtige Inanspruchnahme des für die Vorstellung unbedingt erforderlichen, hier nur etwa die Hälfte eines Vormittages umfassenden Zeitraumes an Freizeit zugebilligt werden, insbesondere wenn er, wie im vorliegenden Fall, durch Verrichtung der notwendigen Kontrolltätigkeit vor Verlassen der Arbeit die betrieblichen Interessen soweit als möglich berücksichtigte (siehe DRdA 1977, 153, Fall B (zustimmend Hengstler) = ZAS 1977, 104 (zustimmend Schnorr) = JBl 1977, 654; vgl auch Kuderna, Entlassungsrecht, 44f, wonach bei einer derartigen Interessenkollision dem Arbeitnehmer ein vertragsgemäßes Verhalten nicht zugemutet werden kann, sodaß das ansonsten pflichtwidrige Verhalten gerechtfertigt ist; dieser Ansicht folgt auch - unter Ablehnung der Annahme einer vermuteten Einwilligung des Arbeitgebers in diesen Fällen - Wilhelm in der Besprechung der Entscheidung DRdA 1982, 214 (218 f); vgl. auch Martinek-Schwarz AngG6, 438).

Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, dem Kläger sei die Verschiebung des von seiner Gattin am Freitag für den folgenden Montag um 10 Uhr vereinbarten Vorstellungstermins zumutbar gewesen, ist ihr zu erwidern, daß - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die im Sinne des § 40 Abs. 1 ASGG qualifiziert vertretene beklagte Partei derartiges im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet hat und im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Was den Alkoholkonsum des Klägers am 16.September 1988 betrifft, haben die Vorinstanzen festgestellt, daß dem Kläger von der beklagten Partei nahegelegt worden war, mit den Verantwortlichen des Forum-Kaufhauses auch fallweise gesellschaftliche Kontakte zu pflegen und für sie alkoholische Getränke zu bezahlen, um sie "bei Laune" zu halten. Der Kläger hat daraufhin am 16.September 1988, als er sich knapp vor 20 Uhr im Forum-Kaufhaus aufhielt, zusammen mit dem dort angestellten Robert H*** einige alkoholische Getränke konsumiert, worauf er leicht angeheitert war. Bei dieser Sachlage konnte der Kläger, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, zumindest die konkludente Zustimmung der beklagten Partei zu einem gewissen Alkohohlkonsum auch des Klägers bei der Pflege der gesellschaftlichen Kontakte zu den Mitarbeitern dieses Kunden annehmen (vgl. Kuderna aaO, 44).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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