OGH 10ObS47/90

OGH10ObS47/9027.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger (AG) und Karl Klein (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede K***, Pensionistin, 1210 Wien, Jeneweingasse 10/6, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (L*** W***),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Oktober 1989, GZ 33 Rs 232/89-16, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. September 1989, GZ 5 Cgs 210/88-13, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erledigte die Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, in der das Klagebegehren auf eine Invaliditätspension vom 1. Juli 1988 an gerichtet und dem Grunde und der Höhe nach bestritten war, mit Urteil vom 17. Mai 1989 dadurch, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin "eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Juli 1988 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu gewähren".

Dieses, der durch eine qualifizierte Person vertretenen Klägerin am 5. Juni 1989 zu Handen dieses Vertreters zugestellte Urteil wurde von keiner Partei mit einem Rechtsmittel bekämpft, doch beantragte die Klägerin durch ihren qualifizierten Vertreter beim Erstgericht, das Urteil durch die nachträgliche Entscheidung zu ergänzen, daß die beklagte Partei der Klägerin rückwirkend ab 1. Juli 1988 8.000 S monatlich binnen 14 Tagen nachzuzahlen und überdies bis zur Erlassung des die Leistung festsetzenden Bescheides 8.000 S monatlich zu "bezahlen" habe. Die Antragstellerin verwies auf § 89 ASGG und behauptete, daß ihre Pension aufgrund der von der beklagten Partei festgestellten Anzahl der Versicherungsmonate und der vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekanntgegebenen Beitragsgrundlagen mindestens 8.000 S betragen müßte. Der mit 8. Juni 1989 datierte Ergänzungsantrag langte nach dem Eingangsvermerk des Erstgerichtes dort in zweifacher Ausfertigung am 21. Juni 1989 ein. Dieser Eingangsvermerk kann jedoch nicht richtig sein. Auf dem Gerichtsstück befindet sich nämlich die mit 14. Juni 1989 datierte richterliche Verfügung, die Gleichschrift der beklagten Partei zur Äußerung binnen 14 Tagen zuzustellen. Diese Verfügung wurde von der Geschäftsabteilung nach dem Abfertigungsvermerk am 16. Juni 1989 abgefertigt. Die verfügte Zustellung der Gleichschrift wurde laut Rückschein am 19. Juni 1989 vorgenommen.

Die beklagte Partei äußerte sich erst nach Ablauf der erteilten Frist zum Ergänzungsantrag dahin, daß die -

nicht schon in der Klage - beantragte vorläufige Zahlung überhöht sei. Ihre genaue Berechnung wäre jedoch nicht opportun, weil die Gewährung der im Urteil zuerkannten Pensionsleistung bereits in die Wege geleitet worden sei und die Bekanntgabe der zu erwartenden Höhe den Berechnungsablauf nur hemmen und die Abrechnung nur verzögern würde. Die beklagte Partei werde die Zahlung nach Bekanntsein der Pensionshöhe unverzüglich aufnehmen.

In einer vom Erstgericht aufgetragenen, dort am 19. Juli 1989 eingelangten Stellungnahme erklärte die Klägerin ua, auch sie halte eine genaue Pensionsberechnung nicht für zweckmäßig, bat aber, ihrem Ergänzungsurteil zu entsprechen, weil die beklagte Partei ihrer Verpflichtung, die Pension vom 1. Juli 1988 an nachzuzahlen, noch nicht nachgekommen sei.

Mit Beschluß vom 26. September 1989 wies das Erstgericht den Urteilsergänzungsantrag (mit der nach der dargestellten Aktenlage unrichtigen Begründung) zurück, er wäre nicht binnen 14 Tagen nach Zustellung des Urteils, sondern erst am 21. Juni 1989 eingelangt. In Ihrem dagegen rechtzeitig erhobenen Rekurs behauptete die Klägerin, daß sie den Ergänzungsantrag rechtzeitig eingebracht habe und daß alle Voraussetzungen für die Ergänzung iS des § 89 ASGG vorlägen. Sie beantragte, den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß iS des Ergänzungsantrages abzuändern. In einem dem Rekursgericht am 27. Oktober 1989 durch Boten überbrachten Schriftsatz teilte die beklagte Partei dem Rekursgericht - "wie telefonisch besprochen" - ua mit, daß der Klägerin mit Bescheid vom 30. August 1989 die endgültige Höhe der vom 1. Juli 1988 an gebührenden Invaliditätspension - unter Berücksichtigung eines Ruhens nach § 94 ASVG - mitgeteilt worden sei. Mit 29. August 1989 sei die Anweisung der monatlich gebührenden Pensionsleistungen per Dauerscheck 1. Oktober 1989 und mit 30. August 1989 die Anweisung der Nachzahlung freigegeben worden. Zwischen Freigabetag und Postanweisung der Nachzahlung lägen erfahrungsgemäß 6 bis 12 Tage. Nachdem die Klägerin die beklagte Partei am 4. September 1989 bei einer persönlichen Vorsprache vom Ende des Krankengeldbezuges per 31. August 1989 in Kenntnis gesetzt gehabt hätte, sei auch der ruhende Pensionsteil rückwirkend vom

1. bis 30. September 1989 angewiesen und die Höhe der vom 1. Oktober 1989 an anzuweisenden monatlichen Pensionsleistung berichtigt worden. Ein Teil der Nachzahlung sei für im Rahmen der Rehabilitation erbrachte Geldleistungen einbehalten worden. Wegen der notwendigen Klärung der Einkommenssituation der Klägerin wäre eine frühere anweisungstechnische Bearbeitung, auch einer vorläufigen Leistung nicht möglich gewesen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Rekurs der Klägerin, ohne auf die Frage der Rechtzeitigkeit des Ergänzungsantrages einzugehen, zurück. Der Rechtsmittelwerberin fehle das Rechtsschutzinteresse, "weil die Beklagte" (richtig die Klägerin) "laut deren Mitteilung der beklagten Partei" die "abgerechnete Invaliditätspension - Verrechnung mit Krankengeld und Übergangsgeld bzw Berücksichtigung des Ruhens der Pension mit dem Ausführungsbescheid vom 30. August 1989 mittlerweile angewiesen" erhalten habe und es daher einer Überbrückungshilfe in Form einer vorläufigen Zahlung nicht mehr bedürfe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die vorinstanzlichen Zurückweisungsbeschlüsse iS des Urteilsergänzungsantrages abzuändern oder sie aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, über den Ergänzungsantrag unter Abstandnahme von den gebrauchten Zurückweisungsgründen zu entscheiden.

Die beklagte Partei legte nach Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses den Pensionsakt vor. Daraus ergibt sich ua, daß die beklagte Partei mit Bescheid vom 30. August 1989 die Höhe der der Klägerin gebührenden Invaliditätspension vom 1. Juli 1988 an mit 9.005,20 S monatlich und vom 1. Jänner 1989 an mit 9.194,30 S monatlich festsetzte. Gleichzeitig nahm sie eine Abrechnung über die Nachzahlung der Pension vom 1. Juli 1988 bis 30. September 1989 vor und verständigte die Klägerin von der Überweisung des Abrechnungsbetrages und der Anweisung der ab 1. Oktober 1989 fälligen Pension. Am 4. September 1989 überbrachte die durch den Bescheid vom 30. August 1989 ausgewiesene Klägerin der beklagten Partei eine Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse über die Beendigung des Krankengeldbezuges per 31. August 1989, ersuchte um Aufhebung des Ruhens und teilte mit, daß bei der B*** ein Pensionskonte eröffnet worden sei. Mit Schreiben vom 14. September 1989 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß ihr die Pension nach Wegfall des Ruhensgrundes vom 1. September 1989 an im Ausmaß von 9.194,30 S gebühre und daß ihr deshalb für September 1989 eine Nachzahlung von 3.010,10 S überwiesen und vom 1. Oktober 1989 monatlich im voraus eine Nettopension von 8.361,20 S angewiesen werde.

Es ist daher davon auszugehen, daß der die Höhe der Leistung festsetzende Bescheid von der beklagten Partei bereits erlassen und die bis zur Erlassung dieses Bescheides gebührenden Leistungen bereits nachgezahlt wurden, und zwar schon vor den vorinstanzlichen Zurückweisungsbeschlüssen.

Die Klägerin "mochte" dies in ihrem Revisionsrekurs auch nicht bestreiten. Sie rügt aber, daß das Rekursgericht seine Entscheidung einzig und allein aufgrund der Mitteilung der beklagten Partei erlassen habe, ohne der Klägerin die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben zu haben, und daß das Rekursgericht sich mit der Rechtzeitigkeit des Urteilsergänzungsantrages nicht auseinandergesetzt habe. Die Klägerin meint, sie habe noch immer ein rechtliches Interesse an der Klärung der Fragen, ob ihr Ergänzungsantrag rechtzeitig eingebracht wurde und ob das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, auch über die vorläufige Zahlung zu entscheiden. Diese Fragen seien Vorfragen für ihren Schadenersatz wegen entgangener Zinsen. Sie habe nämlich die Nachzahlung nicht in der im Urteil vorgesehenen Frist erhalten. Die angefochtene Zurückweisung ihres Rekurses wäre nur zulässig gewesen, wenn in einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt worden wäre, daß der (Festsetzungs)Bescheid und die (Nach)Zahlung innerhalb der im Urteil vorgesehenen Frist "gesetzlich erfolgt" wären.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da das Erstgericht die Rechtsstreitigkeit mit dem Urteil vom 17. Mai 1989 offensichtlich nach § 89 Abs 2 ASGG erledigen wollte, hätte es das auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß vom 1. Juli 1988 an gerichtete Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennen und dem beklagten Versicherungsträger auftragen müssen, der Klägerin bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, deren Ausmaß es unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen gehabt hätte. Der erstgerichtliche Urteilsspruch, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Juli 1988 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu gewähren, ist trotz der darin bestimmten Leistungsfrist und des Beisatzes "bei sonstiger Exekution" mangels Verurteilung zu einer Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe kein exekutionsfähiges Leistungsurteil, sondern ein unrichtig formuliertes, das Klagebegehren nur als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennendes, daher lediglich feststellendes Grundurteil iS des § 89 Abs 2 ASGG. Das Erstgericht hätte daher dem beklagten Versicherungsträger auftragen müssen, der Klägerin bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, deren Ausmaß unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen gewesen wäre. Für die vorläufige Zahlung wäre nach § 409 ZPO (ähnlich wie nach dem bis 31. Dezember 1986 in Geltung gestandenen § 391 Abs 5 ASVG) eine Leistungsfrist zu setzen gewesen. Ein solcher urteilsmäßiger Auftrag zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung in bestimmter Höhe binnen bestimmter Leistungsfrist wäre unter den dort genannten Voraussetzungen ein Exekutionstitel iS des § 1 Z 1 EO, aus dem iS des § 7 Abs 1 leg cit nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung zu entnehmen wären.

Der Klägerin ist daher darin beizupflichten, daß im erstgerichtlichen Urteil ein Anspruch, über den zu entscheiden gewesen wäre, nämlich der die vorläufige Zahlung auftragende und deren Ausmaß festsetzende Ausspruch übergangen wurde, so daß das Urteil nach § 423 ZPO auf binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Urteils beim Prozeßgericht anzubringenden Antrag durch eine nachträgliche Entscheidung (Ergänzungsurteil) zu ergänzen gewesen wäre. Im - allenfalls nach mündlicher Verhandlung zu erlassenden - Ergänzungsurteil wäre dem beklagten Versicherungsträger aufzutragen gewesen, der Klägerin (für die Zeit vom 1. Juli 1988) bis zur Erlassung des die Höhe festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung in bestimmter Höhe zu erbringen. Bei der vorläufigen Zahlung handelt es sich übrigens entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht um eine vorläufige Überbrückungshilfe, sondern um die dem Grunde nach zuerkannte, der Höhe nach aber vorerst nur annähernd ermittelte Leistung, die in allen Punkten (Leistungsbeginn, Aufrechnung, Verhältnis zum Pensionsvorschuß und Übergang des Anspruches nach § 23 Abs 2 AlVG) gleich zu behandeln ist wie eine der Höhe nach endgültig zuerkannte Leistung, von der sie sich nur der Höhe nach unterscheidet (9. Mai 1989 SSV-NF 3/58).

Das Gericht darf dem Versicherungsträger nach § 89 Abs 2 ASGG die Erbringung einer vorläufigen Zahlung nur bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides auftragen. Danach hat der Versicherungsträger die Leistung in der in diesem Bescheid festgesetzten Höhe zu gewähren, und zwar nach § 71 Abs 2 ASGG auch nach Einbringung einer diesen Festsetzungsbescheid bekämpfenden Klage vorläufig bis zur rechtskräfigen Beendigung des Verfahrens. Daraus folgt, daß das ursprünglich vorgelegene Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin auf Ergänzung des erstgerichtlichen Urteils durch einen Auftrag an den Versicherungsträger zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung seit der Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides nicht mehr besteht.

Seither kommt den im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen, ob der auf eine vorläufige Zahlung gerichtete Urteilsergänzungsantrag der Klägerin vom Erstgericht zu Recht als verspätet zurückgewiesen wurde, ob er ursprünglich berechtigt war, ob die rekursgerichtlichen Feststellungen in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise gewonnen wurden und ob die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht richtig ist und auch richtig begründet wurde, für das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin keine praktische Bedeutung mehr zu.

Da das Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelwerbers nach

herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (so zB MGA

EO12 § 65 E 41 ff, insb EvBl 1963/346 =

JBl 1963, 432 = RZ 1963, 113; EvBl 1967/332; JBl 1968, 574;

EvBl 1969/317 = JBl 1969, 398) zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen

eines Rechtsmittels zählt, war der Revisionsrekurs mangels dieser Voraussetzung zurückzuweisen.

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