Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.September 1953 geborene Mag. Franz P*** des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.Dezember 1988 in Perg es unterlassen, dem Horst S***, dessen Verletzungen am Körper (insbesondere einen Schädelbasisbruch und ein epidurales Hämatom) er durch einen Stoß gegen dessen Schulter verursacht hatte, wodurch Horst S*** zurücktorkelte, das Gleichgewicht verlor, ein morsches Holzgeländer durchstieß und samt diesem rücklings etwa 2,5 m in die Tiefe auf einen Betonboden stürzte, die erforderliche Hilfe zu leisten, wobei das Imstichlassen den Tod des Verletzten zur Folge hatte.
Von der Anklage, durch die erwähnte Tat das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB begangen zu haben, wurde Mag. Franz P*** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Mit der Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) wendet sich der Angeklagte gegen die für die Beurteilung der subjektiven Tatseite wesentliche, im folgenden wörtlich wiedergegebene Urteilsfeststellung: "Mag. P*** hatte ... sich schlafen gelegt. Er bedachte dabei ernstlich, daß für Horst S*** Hilfe, und zwar ärztliche Hilfe, erforderlich sei, unterließ es aber, diese Hilfe herbeizuholen, weil er befürchtete, bei Bekanntwerden des Vorfalles von den Medien, aber auch von den Behörden in Perg unverhältnismäßig angegriffen zu werden" (S 407).
Der Beschwerdeführer meint nun, daß seine Einlassung, sich vor Repressionen der örtlichen Behörden gefürchtet zu haben, weshalb er jedes Aufsehen habe vermeiden wollen, in Verbindung mit seiner Kenntnis vom Unfallsablauf den Schluß des Gerichtes auf das Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht zu tragen vermöge, zumal die weitere Urteilsannahme, daß Horst S*** gegenüber Alfred F*** die Herbeirufung von Rettung und Arzt abgelehnt habe, für seine - wie sich nachträglich herausstellte - irrtümliche Annahme spreche, daß eine Hilfsbedürftigkeit nicht vorgelegen sei. Abgesehen davon, daß bei diesem Beschwerdevorbringen wesentliche Prämissen der Urteilsbegründung zur subjektiven Tatseite, daß nämlich der Beschwerdeführer nicht nur den Unfallsablauf kannte, sondern auch das darauffolgende Stöhnen und schwere Atmen des Verletzten wahrgenommen hatte (S 405), übergangen werden, stellt der Beschwerdeführer den aktentreuen, weitgehend auf seinen Einlassungen beruhenden, logischen und auch lebensnahen Schlußfolgerungen, durch die das Erstgericht zu den erwähnten Tatsachenfeststellungen gelangte, lediglich die alternativ denkbare Möglichkeit anderer Schlüsse entgegen, womit er aber weder einen Begründungsmangel (Z 5) aufzuzeigen, noch aus der Aktenlage Umstände anzuführen vermag, die geeignet wären, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der die subjektive Tatseite betreffenden Tatsachenfeststellungen zu wecken (Z 5 a).
Wenn der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) ausführt, daß die Feststellungen offen lassen, ob er "die Hilfsbedürftigkeit (ärztliche Hilfe) tatsächlich erkannt oder nur ernstlich bedacht im Sinne von überlegt" habe (S 435), negiert er, daß für die Begehung des Vergehens nach § 94 StGB auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Hilfsbedürftigkeit bedingter Vorsatz (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) genügt. Nur diese Vorsatzform wirft das Schöffengericht dem Angeklagten vor (S 411, 412), sodaß die Beschwerdeausführungen darüber, daß der Angeklagte ohnehin seiner Überzeugungspflicht nachgekommen sei und sich das Gericht zum Vorliegen des direkten Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 erster Halbsatz StGB) nicht klar ausgedrückt habe, ins Leere gehen. Daß dem Beschwerdeführer aber ein (vorsatzausschließender) Tatbildirrtum nicht zugebilligt werden könne, haben die Tatrichter - wie dargelegt - mit ausreichender und plausibler Begründung konstatiert (S 409, 410). Insoweit entbehrt die Rechtsrüge somit einer gesetzmäßigen Ausführung.
Dem aus rechtlicher Sicht wesentlichen Einwand aber, daß der Verunglückte Horst S*** für den Angeklagten deutlich vernehmbar auf die Herbeiholung ärztlicher Hilfe verzichtet habe, kann aus nachfolgenden Erwägungen ebensowenig gefolgt werden: Ein Verzicht auf Hilfeleistung ist nämlich (ebenso wie die Einwilligung eines Verletzten iS des § 90 Abs. 1 StGB) nicht rechtswirksam, wenn es dem Verzichtenden an der entsprechenden Einsichts- oder/und Urteilsfähigkeit gebricht, die etwa bei einer erheblichen Alkoholisierung, bei einer anderen ersichtlichen Bewußtseinstrübung oder wegen eines Unfallschocks in der Regel auszuschließen sein wird (Leukauf-Steininger2 RN 5 zu § 90 StGB und RN 11 zu § 94 StGB, Kienapfel BT I2 RN 46, 47 zu § 94 StGB). Dies traf vorliegend auf Horst S*** zu, der nach den Urteilsannahmen für den Beschwerdeführer erkennbar alkoholisiert und durch den Unfall sichtlich schwer geschockt war, so daß er zunächst nicht sprechen, sondern nur deuten konnte, und in der Folge nur mit Unterstützung des Alfred F*** sich mühsam in die Dachkammer bewegen konnte. Da sich bereits daraus unzweideutig ergibt, daß S*** das Risiko, dem er sich durch seine Weigerung, ärztliche Hilfe herbeizuführen, aussetzte, nicht richtig einzuschätzen vermochte und überhaupt zu einer vernünftigen Entscheidung nicht fähig war, bedurfte es keiner weiteren Feststellungen tatsächlicher Natur, um die Rechtswirksamkeit des Verzichtes ausschließen zu können.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 94 Abs. 2 zweiter Strafsatz StGB unter Anwendung des § 37 (Abs. 1) StGB eine Geldstrafe von 300 (dreihundert) Tagessätzen zu 100 (einhundert) Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 150 (einhundertfünfzig) Tagen, wozu es weder Milderungs- noch Erschwerungsumstände fand.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte unter Hinweis auf seine in den letzten Jahren dem zu Tode gekommenen Horst S*** gewährte soziale Hilfe und seine in Perg schwierige persönliche Lage die Herabsetzung der Geldstrafe unter gleichzeitiger (teil-)bedingter Nachsicht gemäß § 43 Abs. 1 (§ 43 a Abs. 1) StGB. Diesem Berufungsantrag ist lediglich zu entgegnen, daß das Erstgericht offensichtlich den Besonderheiten dieses Falles, wie sie sich sowohl aus der Situation des Angeklagten, als auch aus dem Verhalten des Horst S*** ergeben, trotz der Todesfolge und der daraus resultierenden Strafdrohung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe weitgehend Rechnung getragen und § 37 Abs. 1 StGB zur Anwendung gebracht hat, ohne auf die höchstzulässige Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu erkennen. Bei Berücksichtigung der für die Ausmessung der Schuld heranzuziehenden Kriterien (§ 32 StGB) und des durch die (wenn auch nicht einschlägigen) Vorstrafen getrübten Vorlebens des Berufungswerbers sind keine Umstände zu sehen, die für eine weitere Strafmilderung oder gar für eine bedingte Strafnachsicht sprächen. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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