OGH 1Ob510/90

OGH1Ob510/9021.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Monika F***, Hilfsarbeiterin, Weiz, Schnitzlergasse 24, vertreten durch Dr.Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider den Antragsgegner Günther F***, Kraftfahrer, per Adresse Graz, Köglerweg 80, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 9.November 1989, GZ 1 R 361/89-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Weiz vom 11. Juli 1989, GZ F 11/88-24, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit S 12.364,20 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.060,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Die von den Parteien am 3.Mai 1976 geschlossene Ehe, durch die die am 12.April 1976 geborene Karin legitimiert wurde, wurde vom Bezirksgericht Weiz mit Urteil vom 27.Juni 1988 aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden.

Die Parteien sind auf Grund des Kaufvertrages vom 11.Februar 1983 je zur Hälfte Eigentümer von 89/1702 Anteilen an der Liegenschaft EZ 1910 KG Weiz, mit welchen das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 16 im Haus Schnitzlergasse 24 untrennbar verbunden ist.

Die Antragstellerin begehrte die Zuweisung der Ehewohnung samt Einrichtung gegen Übernahme der auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Darlehen an sie und beantragte außerdem, von einer Ausgleichszahlung an den Antragsgegner abzusehen und diesen zur Zurückzahlung der Privatkredite, für die sie die Mithaftung treffe, zu verpflichten. Sie habe ihren Beitrag durch die Führung des Haushaltes und die Betreuung des Kindes geleistet; darüber hinaus hätten ihre Eltern für die Anschaffung der Ehewohnung und deren Einrichtung Barbeträge von etwa S 300.000 beigesteuert. Der Antragsgegner, der zugestand, daß die Eheleute gleiche Beträge zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens geleistet hätten, beantragte demgegenüber eine Ausgleichszahlung im Betrag des halben Schätzwertes oder die Überlassung der Ehewohnung gegen eine Ausgleichszahlung in eben dieser Höhe. Die Privatkredite seien teils für die Anschaffung eines PKWs, teils für die Einrichtung der Ehewohnung aufgenommen worden.

Das Erstgericht wies die 89/3404 Anteile des Antragsgegners an der Liegenschaft EZ 1910 KG Weiz sowie die Ehewohnung samt Einrichtung der Antragstellerin zu (1.), verpflichtete die Antragstellerin zur Tilgung der auf den Liegenschaftsanteilen sichergestellten Darlehensforderungen der Sparkasse Weiz und des Landes Steiermark (2.) sowie zu einer Ausgleichszahlung von S 50.000 in monatlichen Raten von S 1.500 ab 1.August 1989 an den Antragsgegner (5.), beließ diesem den Erlös aus dem Verkauf des PKWs Fiat Ritmo (3.) und verhielt ihn schließlich zur Zurückzahlung der drei bei der Creditanstalt-Bankverein in Weiz aufgenommenen Kredite mit dem noch offenen Gesamtbetrag von S 154.806 sowie zur Schad- und Klagloshaltung der Antragstellerin.

Es stellte fest, die Antragstellerin habe während der Ehe den Haushalt versorgt und die gemeinsame Tochter Karin betreut; der Antragsgegner sei als Kraftfahrer beschäftigt gewesen und habe monatlich etwa S 17.000 bis S 18.000 netto verdient. Seit 21.Jänner 1989 beziehe die Antragstellerin als Hilfsarbeiterin ein monatliches Nettoeinkommen von S 7.500 und erhalte für die mj. Karin neben der Familienbeihilfe auch noch einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 2.500. Der als Mittelwert zwischen Sachund Ertragswert ermittelte Verkehrswert der Ehewohnung errechne sich mit S 985.471,50, die zur Finanzierung der Wohnungsanschaffung vom Land Steiermark und der Sparkasse Weiz zugezählten Darlehen hafteten (zum 30.September 1989) mit S 397.500,92 bzw (zum 30.Juni 1989 mit S 179.594,80) unberichtigt aus. Der Wohnungseinrichtung sei ein Wert von S 95.800 beizumessen. Der PKW Fiat Ritmo sei vom Antragsgegner 1988 um einen nicht mehr feststellbaren Preis verkauft worden. Die vom Antragsgegner unter Mithaftung der Antragstellerin während der Ehe bei der Creditanstalt-Bankverein in Weiz aufgenommenen drei Privatkredite seien im Juli 1988 noch mit S 154.806 offen gewesen. Mit den Kreditmitteln seien die Anschaffung des PKWs und verschiedener Einrichtungsgegenstände finanziert bzw die vom Antragsgegner überzogenen Konten abgedeckt worden. Sie seien vom Antragsgegner in monatlichen Raten von S 4.900 zurückzuzahlen. Das Darlehen an die Sparkasse Weiz sei in monatlichen Raten von S 3.100, jenes des Landes Steiermark in halbjährlichen Beträgen von S 2.333 abzustatten.

Rechtlich meinte das Erstgericht, an sich wäre der Antragstellerin angesichts der gleichwertigen Beiträge der Parteien für die Ehewohnung, die ihr schon in Anbetracht des Wohls des gemeinsamen Kindes zuzuweisen sei, eine Ausgleichszahlung von rund S 257.000 aufzuerlegen; außerdem wären noch die Kreditschulden von S 154.800 aufzuteilen. Da die Antragstellerin einen solchen Betrag aber niemals aufbringen könne, sei dem finanziell besser gestellten Antragsgegner lediglich ein Betrag von S 50.000 zuzubilligen und er außerdem zur alleinigen Tilgung der Privatkredite zu verpflichten. Das Gericht zweiter Instanz erhöhte in teilweiser Stattgebung des Rekurses des Antragsgegners die von der Antragstellerin zu entrichtende Ausgleichszahlung auf S 70.000 binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses, die außerdem mit 4 % ab Fälligkeit zu verzinsen sei. Die Miteigentumsgemeinschaft der Ehegatten müsse bei der Aufteilung schon wegen der Vorschrift des § 11 Abs. 1 WEG 1975 aufgehoben werden. Da die Antragstellerin das gemeinsame Kind weiterhin betreue und dem Antragsgegner das Verschulden der Scheidung zur Last falle, habe das Erstgericht zu Recht der Antragstellerin eine Option zugebilligt und ihr den Anteil des Antragsgegners ins Eigentum übertragen. Der Verkauf der Wohnung sei im Gesetz nicht vorgesehen; wenngleich in der Rechtsprechung mitunter auch die Zivilteilung zugelassen worden sei, stehe doch das dringende Wohnungsbedürfnis der Antragstellerin und ihrer Tochter einer solchen Anordnung entgegen. Der Antragstellerin sei deshalb eine billige Ausgleichszahlung aufzuerlegen; dabei müsse ein für beide Teile tragbares Ergebnis gefunden werden. Da der schuldlose Eheteil in keine unzumutbare Bedrängnis geraten dürfe, der andere Ehegatte seinen Anteil aber nicht gleichsam entschädigungslos aufzugeben genötigt werden dürfe, müsse der Antragstellerin trotz ihrer angespannten finanziellen Lage eine spürbare Ausgleichszahlung auferlegt werden, weil dem Antragsgegner sonst - abgesehen von dem der Höhe nach unbekannten Erlös aus dem Verkauf des PKWs - überhaupt nichts zukäme. An sich erscheine der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 85.000, d.i. ein Drittel des dem Antragsgegner rein rechnerisch gebührenden Anteils von rund S 257.000, zumutbar. Da bei der vom Erstgericht angeordneten Ratenzahlung eine Wertsicherung vorgesehen werden müßte, dem Antragsgegner mit derart kleinen Teilbeträgen kaum gedient wäre und dann ein gewisser Kontakt zwischen den Streitteilen zwangsläufig aufrecht bleiben müßte, werde eine einmalige Zahlung von S 70.000 binnen drei Monaten ab Rechtskraft wegen der möglichen bücherlichen Sicherstellung eines Kredites zu günstigen Konditionen den beiderseitigen Interessen eher gerecht. Bezüglich der Tilgung der Kredite sei zu berücksichtigen, daß der Antragsgegner durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Antragstellerin unterhaltsrechtlich begünstigt werde und außerdem ein wesentlich höheres Einkommen habe. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihn allein zur Abdeckung dieser Verbindlichkeiten zu verhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsgegner dagegen erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Soweit das Rechtsmittel neues Vorbringen enthält bzw der Antragsgegner in einem gesonderten Schriftsatz solches nachträgt, schon im Rekurs an die zweite Instanz enthaltene Neuerungen wiederholt und seinen Ausführungen einen von den Feststellungen der Vorinstanzen abweichenden Sachverhalt zugrundelegt, genügt der Hinweis, daß es den Parteien im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG verwehrt ist, im Rekurs an den Obersten Gerichtshof Neuerungen geltend zu machen (EFSlg 55.862 uva), und das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt und deshalb unbeachtlich ist, soweit damit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft oder der Rechtsrüge ein von den vorinstanzlichen Feststellungen abweichender Sachverhalt zugrundegelegt wird (SZ 54/149 uva). Im übrigen begegnet die billige Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im vorliegenden Fall deshalb Schwierigkeiten, weil die als Ehewohnung benützte Eigentumswohnung der Parteien den einzigen wesentlichen Vermögenswert darstellt und die Antragstellerin schon angesichts der Obsorge für die mj. Tochter auf deren Benützung angewiesen ist, infolge angespannter finanzieller Verhältnisse aber außerstande ist, sowohl für die Rückzahlung der vorhandenen erheblichen Schulden sowie eine angemessene Ausgleichszahlung aufzukommen. Der Antragsgegner strebt nach wie vor eine Ausgleichszahlung von etwas mehr als S 400.000 oder als Alternative die Zuweisung der Ehewohnung gegen eine Zahlung von S 99.434 an.

Die Höhe der Ausgleichszahlung ist gemäß § 94 Abs. 1 EheG nach billigem Ermessen derart festzusetzen, daß hiedurch beiden Teilen eine entsprechende wirtschaftliche Grundlage bei nunmehr getrennter Lebensführung gesichert bleibt (EFSlg 54.652 uva). Da damit ein individuell gerechtes Aufteilungsergebnis herbeigeführt werden soll (EFSlg 54.647 ua), ist nicht etwa bloß jener Betrag festzusetzen, den der Ausgleichspflichtige bequem aufbringen kann (EFSlg 54.655); vielmehr muß dieser seine Kräfte entsprechend anspannen (EFSlg 54.656), sodaß ihm selbst die äußerste Einschränkung seiner Lebensbedürfnisse zugemutet werden muß (EFSlg 51.827 ua). Auch die Aufnahme eines Kredites zur Aufbringung der Ausgleichszahlung kann er dann nicht von sich weisen, wenn sie ihm möglich und der Ausgleichsberechtigte auf sofortige Zahlung angewiesen ist (EFSlg 51.837).

Im vorliegenden Fall kommt unbekämpftermaßen auch der Verschuldensfrage im Scheidungsstreit als Kriterium für die Billigkeitserwägungen Bedeutung zu (vgl SZ 55/26, 34 und 45). Da gerade der schuldlose Teil von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Ehescheidung bewahrt bleiben soll, ist ihm im allgemeinen das Recht zuzubilligen, die ihm zuzuweisenden Vermögenswerte auszuwählen. Das darf allerdings nicht dazu führen, daß der andere Teil dabei eine unverhältnismäßig geringe Ausgleichszahlung erhält oder überhaupt leer ausgeht, sodaß er den seinem Beitrag entsprechenden Anteil dann geradezu entschädigungslos aufgeben müßte. Dennoch ist die Ausgleichszahlung nicht nach streng rechnerischen Gesichtspunkten, sondern als eine nach Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festzusetzen (vgl EFSlg 51.830 f uva).

Zu Recht haben die Vorinstanzen deshalb die Ehewohnung der Antragstellerin zugewiesen, die nicht bloß als der schuldlose Teil Anspruch auf die gemeinsame Eigentumswohnung erheben kann (EFSlg 54.586 ua), sondern der auch die Obsorge für die gemeinsame mj. Tochter zusteht (vgl EFSlg 54.593, 54.595 uva) und die nicht nur zu deren Wohnversorgung, sondern auch in Anbetracht ihres wesentlich geringeren Einkommens weit mehr auf die Wohnung angewiesen ist als der Antragsgegner, der im Gegensatz zu ihr finanziell in der Lage ist, sich geeigneten Wohnraum zu beschaffen.

Rein rechnerisch betrüge die Ausgleichszahlung unter Bedachtnahme auf die gleichwertigen Beiträge der Parteien und Ausklammerung der drei Privatkredite etwa S 250.000. Stellt man jedoch in Rechnung, daß die Eltern der Antragstellerin für die Anschaffung der Wohnung deren Einrichtung Barbeträge von insgesamt S 300.000 zur Verfügung stellten, so erscheint eine weitgehende Herabsetzung des Betrages nach Billigkeit schon deshalb gerechtfertigt, weil die Zuwendungen gewiß in erster Linie der Antragstellerin zugute kommen sollten. Diese Reduktion der Ausgleichszahlung ist umsomehr gerechtfertigt, als die Antragstellerin in Anbetracht ihres geringen Einkommens und der laufenden Aufwendungen für die Wohnung in äußerst angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, gerade aber der an der Scheidung der Ehe schuldlose Teil von deren abträglichen wirtschaftlichen Auswirkungen in erster Linie bewahrt bleiben soll. Der vom Rekursgericht festgesetzte Betrag von S 70.000 erscheint diesen Erwägungen zufolge keinesfalls als zu niedrig bemessen, zumal es der Antragstellerin schwer genug fallen wird, auch diese Summe aufzubringen. Es wäre auch ganz und gar unbillig, würde man den Antragsgegner an den Zuwendungen der Eltern der Antragstellerin zur Anschaffung von Wohnung und Einrichtung teilhaben lassen, obwohl die Scheidung allein auf sein Verschulden zurückzuführen ist. Zu Recht haben die Vorinstanzen ferner den Antragsgegner auch zur alleinigen Tilgung der weiteren Kredite verhalten. Abgesehen davon, daß er infolge seiner günstigeren finanziellen Verhältnisse hiezu viel eher in der Lage sein wird, sind die Kreditmittel offenbar ganz überwiegend zur Anschaffung des PKWs, dessen Verkaufserlös ihm zugewiesen wurde, und zur Abdeckung von Kontoüberziehungen durch ihn verwendet worden; daß der Antragsgegner die aus den Überziehungen beschafften Mittel für Zwecke, die gleichermaßen der Antragstellerin (oder dem Kind) zugute gekommen wären, hat er im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG; dabei war von einem Rechtsmittelinteresse von S 340.000 auszugehen.

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