OGH 1Ob715/89

OGH1Ob715/8921.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilar N***, Pensionist, Dornbirn, Sandgasse 24 a, vertreten durch Dr. Otmar Simma, Alfons Simma, Dr. Ekkehard Bechtold, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Helga W***, Friseurmeisterin, Dornbirn, Oberfallenberg 20, vertreten durch Dr. Roland Jäger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 3. Oktober 1989, GZ 1 b R 174/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 30. Juni 1989, GZ 3 C 65/89v-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Alois Zangerl, ein Rechtsvorgänger des Klägers, vermietete mit Vertrag vom 20. Juli 1964 dem Heinrich (auch Heinz) Jäger das in Dornbirn, Hatlerstraße 5 a, gelegene, nunmehr aufgekündigte Geschäftslokal zum Betrieb des Friseurgewerbes. In Punkt 9. dieses Vertrages wurde vereinbart: "Als besondere Kündigungsgründe gelten Hausverkauf und mehr als zweimonatiger Rückstand des Mietzinses."

Der schriftliche Mietvertrag ist nur vom Mieter Heinz Jäger unterfertigt. Mit Kaufvertrag vom 27. Dezember 1972 verkaufte Heinz Jäger den in den gemieteten Räumen betriebenen Filialbetrieb mit Warenlager sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung an die Beklagte. "Ende des Jahres 1972" unterfertigte (nur) die Beklagte einen handschriftlichen Zusatz auf dem Mietvertrag vom 20. Juli 1964 der folgenden Wortlaut hat. "Ich, Helga Paterno, als Käuferin des Geschäftes mit Zustimmung des Besitzers Hr. Alois Zangerl erkläre mich mit dem vorliegenden Mietvertrag voll und ganz einverstanden."

Mit Kaufvertrag vom 26. August 1988 verkaufte der Kläger die Liegenschaft Dornbirn, Hatlerstraße 5 a, um den Preis von 1,700.000 S an Hermann Bischof. Eine Verbücherung dieses Vertrages erfolgte bis jetzt nicht.

Der Kläger kündigt der Beklagten das Geschäftslokal mit der am 29. Dezember 1988 eingebrachten und zugestellten Aufkündigung aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG zum 30. Juni 1989 auf. Er brachte vor, "mit Mietvertrag vom 20. 7. 1964" sei vereinbart worden, daß Hausverkauf als Kündigungsgrund zu gelten habe. Die Beklagte wendete ein, der geltend gemachte Kündigungsgrund liege nicht vor.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es führte aus, die Beklagte habe nach Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes mit dem damaligen Eigentümer im Jahr 1972 einen neuen und selbständig zu beurteilenden Mietvertrag abgeschlossen. Im Jahr 1972 hätte auch für Geschäftsräume nach § 19 Abs 6 MG Umstände als Kündigungsgrund vereinbart werden können, die als wichtig und bedeutsam anzusehen gewesen seien. Punkt 9. des Mietvertrages sei daher wirksam zustande gekommen. Es müsse das besondere Anliegen des Vermieters anerkannt werden, daß ein Bestandvertrag aufgelöst werden könne, wenn das Bestandverhältnis der Verwertung der Liegenschaft hindernd entgegenstehe. Gerade bei kleineren Wohnobjekten sei die Frage, ob sie zur Gänze frei seien, für die Verwertungschancen und die Preisbildung von ausschlaggebender Bedeutung. Daß die Erziehlung eines höheren Preises oder die leichtere Veräußerungsmöglichkeit des Objektes Zweck des vereinbarten Kündigungsgrundes gewesen seien, liege auf der Hand. Wollte man die Bestandfreiheit bei kleinen Objekten im Fall ihres Verkaufes nicht als für den Vermieter wichtig und bedeutsam anerkennen, würde man Hauseigentümer, die die Veräußerung kleinerer Häuser in absehbarer Zeit in Erwägung zögen, außer Stande setzen, Wohnungen in diesem Haus zu vermieten. Daß die Kündigung auch vom Rechtsnachfolger dessen, der den Vertrag als Vermieter abgeschlossen habe, ausgesprochen werden könne, begegne keinen Bedenken. Es wäre verfehlt, in diesem Fall anzunehmen, daß nur der erste Vermieter kündigen könnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Die Vereinbarung im Mietvertrag vom 20. Juli 1964, wonach der Verkauf des Hauses Kündigungsgrund für das Geschäftslokal sei, sei nach der damaligen Rechtslage unwirksam gewesen. Da die Beklagte mit Kaufvertrag vom 27. Dezember 1967 den gesamten Filialbetrieb übernommen habe, habe sie auch die Mietrechte des Heinrich Jäger erworben, andernfalls hätte sie den Filialbetrieb nicht weiterführen können. Ein gespaltenes Vertragsverhältnis sei jedoch deshalb nicht entstanden, weil der Vermieter mit dieser Mietrechtsabtretung allderings offenbar nur unter der Voraussetzung, daß die Beklagte auch den Mietvertrag vom 20. Juli 1964 akzeptiere, einverstanden gewesen sei. In der Erklärung der Beklagten im Anschluß an den Mietvertrag vom 20. Juli 1964 werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie das Geschäft mit Zustimmung des Besitzers übernehme. Ihre Erklärung sei daher dahin zu verstehen, daß dadurch die Vertragsübernahme vollständig geworden sei. Dies habe zur Folge, daß für die Beklagte der Vertrag nur soweit Gültigkeit gehabt habe, als er gegenüber dem Vormieter wirksam gewesen sei. Da der Kündigungsgrund im Jahre 1964 nicht wirksam habe vereinbart werden können, habe diese unwirksame Vereinbarung auch keine Rechtswirkung für die Beklagte entfalten können. Entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes sei kein selbständiger Vertrag zwischen dem Hauseigentümer und der Beklagten zustande gekommen. Nur wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre zu prüfen, ob der Kündigungsgrund des Hausverkaufes gemäß § 19 Abs 6 MG wirksam hätte vereinbart werden können. Selbst bei anderer Absicht der Parteien mangelte es aber an der Schriftform, weil der Vermieter den handschrifltichen, von der Beklagten unterfertigten Zusatz nicht unterschrieben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die Bestimmung des § 19 Abs 6 MG in der Fassung vor dem MRÄG bezog sich nur auf Eigenbedarfsfälle des § 19 Abs 2 Z 5 MG, nicht aber auf solche des § 19 Abs 2 Z 6 MG. Sie war daher für die Aufkündigung von Hauptmietverhältnissen über Geschäftsräume nicht anzuwenden (MietSlg 33.397 mwN). Die im Vertrag vom 20. Juli 1964 enthaltene Vereinbarung, daß Hausverkauf ein besonderer Kündigungsgrund sei, war daher ungültig. Diese vertragliche Bestimmung erlangte weder durch das Inkrafttreten des MRÄG (MietSlg 33.397, 32.415/17, 30.456, 23.452 ua), noch des Mietrechtsgesetzes (MietSlg 38.488, 35.381; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 60 zu § 30 MRG; Würth in Rummel, ABGB Rz 45 zu § 30 MRG) Wirksamkeit. Auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1964 kann der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht gestützt werden.

Die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte anläßlich des Unternehmenskaufes im Jahr 1972 mit dem Hauseigentümer einen neuen Mietvertrag abschloß (bzw mit Vertragseintritt in den bestehenden Mietvertrag diesen novierte) oder der von der Beklagten unterfertigte Zusatz zum Mietvertrag vom 20. Juli 1964 nur die zwecks Vermeidung eines gespaltenen Mietverhältnisses vereinbarte Vertragsübernahme dokumentieren sollte, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man der ersten Ansicht folgen wollte, mangelte es an der im Gesetz ausdrücklich (§ 19 Abs 6 MG in der Fassung des MRÄG und § 30 Abs 2 Z 13 MRG) normierten Schriftform. Weder der Mietvertrag vom 20. Juli 1964 noch der handschrifltiche Zusatz aus dem Jahr 1972 sind vom Vermieter unterschrieben. Der Mietvertrag wurde nur vom Mieter, der Zusatz von der Beklagten unterfertigt. Die Schriftform eines Vertrages ist aber nur dann gewahrt, wenn beide Parteien den schrifltichen Vertrag auch unterzeichnen (WoBl 1989/18; ImmZ 1975/43; JBl 1969, 216; Koziol-Welser8 I, 143; Apathy in Schwimann, ABGB Rz 2 zu § 886; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 273). Das Erfordernis der Schriftlichkeit vereinbarter Kündigungsgründe bezweckt, dem Mieter die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich zu machen sowie allfällige spätere Unklarheiten zu vermeiden. Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz des Mieters läßt sich aber nicht erreichen, wenn der Mieter bloß ein schriftliches Anbot an den Vermieter richtet und dieser es mündlich annimmt. Die Vereinbarung weiterer Kündigungsgründe iS des § 30 Abs 2 Z 13 MRG bzw § 19 Abs 6 MG muß daher, um gültig zu sein, vom Mieter und vom Vermieter unterfertigt sein. (MietSlg 28.388; SZ 46/64; Apathy aaO; Rummel2, ABGB Rz 2 zu § 886; Derbolav in Korinek-Krejci, HBzMRG 451; Würth-Zingher aaO, Rz 58; Würth aaO, Rz 45). Sind aber weder der ursprüngliche Mietvertrag, noch der schriftliche Zusatz der Beklagten vom Hauseigentümer unterfertigt worden, mangelt es schon an der für eine Erweiterung der Kündigungsgründe unbedingt erforderlichen Schriftform. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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