Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch zu Punkt II, daß die Angeklagten mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz drohten, und damit in der rechtlichen Qualifikation nach dem § 145 Abs. 1 Z 1 StGB, ferner im Strafausspruch, in den Aussprüchen nach dem § 38 StGB und über das Absehen vom Widerruf der bedingten Entlassungen, sowie im Ausspruch über die geltend gemachten Entschädigungsansprüche aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligte werden mit ihren Berufungen sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 1.Mai 1967 geborene Kellner Horst D*** und der am 20.April 1967 geborene Verkäufer Christian K*** des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 1 StGB (I) und des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Ihnen liegt zur Last, I. in Klagenfurt in der Strafsache AZ 8 Vr 1.309/86 des Landesgerichtes Klagenfurt als Zeugen bei ihrer Vernehmung zur Sache dadurch falsch ausgesagt zu haben, daß sie - kurz zusammengefaßt - angaben, Helmut S*** habe im Oktober 1984 sich bereit erklärt, Diebsgut von ihnen zu kaufen, in der Folge Horst D*** getroffen und von ihm in der Zeit von November 1984 bis Ende Mai 1985 verschiedene (im Urteil aufgezählte), aus Einbruchsdiebstählen stammende Gebrauchsgegenstände durch Ankauf an sich gebracht; er habe sie auch aufgefordert, wertvolle Markenartikel zu stehlen; dabei verschweigen sie, daß sie das Diebsgut über Vermittlung des Helmut S*** dem Robert P*** verkauften, und zwar machten diese Angaben A) Horst D*** 1.) vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Klagenfurt am 2.Juni, 29.Juli und 26.August 1986, 2.) in der Hauptverhandlung gegen Helmut S*** am 12.November 1986,
B) Christian K*** 1.) vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Klagenfurt am 3.Juni und am 1.August 1986, 2.) in der Hauptverhandlung am 12.November 1986; II. am 6.Mai 1987 in Velden im bewußten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Helmut S*** durch gefährliche Drohung, nämlich die Äußerung, wenn er nicht 300.000 S bezahle, würden sie die unter I. angeführten falschen Beweisaussagen nicht widerrufen und er müßte dann die über ihn verhängte noch aushaftende Freiheitsstrafe von rund 17 1/2 Monaten verbüßen, zur Übergabe von 300.000 S zu nötigen, wobei sie mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz drohten.
Die beiden Angeklagten fechten nur den Schuldspruch wegen Erpressung (II) mit getrennt ausgeführten inhaltlich (teilweise wörtlich) übereinstimmenden, auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden an. Den Strafausspruch bekämpfen sie ebenso wie die Anklagebehörde mit Berufung, wobei die Staatsanwaltschaft auch den Beschluß, daß die bedingten Entlassungen der beiden Angeklagten nicht widerrufen werden, mit Beschwerde anficht. Überdies erhob der Privatbeteiligte Helmut S*** Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des von beiden Angeklagten gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Günther E*** zum Beweis dafür, daß nicht sie von sich aus mit Helmut S*** Kontakt aufnahmen, sondern vielmehr dieser Zeuge über Christian W*** (vgl. S 163-167/I, ON 20 und 35/I) mit ihnen in Verbindung zu treten suchte (S 64/II). Der Schöffensenat lehnte (auch) diesen Antrag mit der in Beziehung auf diesen Zeugen im Urteil nachgetragenen Begründung ab, daß die Herstellung des Kontaktes zu Helmut S*** nicht entscheidend sei, sondern nur die Frage, ob S*** (wie die Angeklagten sagten) das Geld freiwillig anbot oder (wie das Gericht auf Grund der Beweisergebnisse annahm) von den Angeklagten erpreßt wurde (S 66, 95/II).
Dieser Begründung ist im wesentlichen beizutreten, weil überdies weder im Beweisantrag behauptet wird noch aus den Akten ersichtlich ist, daß der angebotene Zeuge über den Inhalt der im Akt erliegenden Tonbandübertragungen und die Aussagen der am Gespräch beteiligten Personen hinaus Angaben zu dieser entscheidenden Beweisfrage machen könnte.
Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a) wenden sich gegen die erstgerichtliche Rechtsansicht, auch in der Androhung einer Unterlassung des Widerrufs der den Erpreßten belastenden Falschaussagen könne eine gefährliche Drohung liegen: Dazu wäre Voraussetzung, daß die Drohenden eine gesetzliche Handlungspflicht zum Widerruf treffe. Eine solche Verpflichtung, also zu einer Selbstbezichtigung wegen falscher Beweisaussage, habe aber für die Angeklagten nicht bestanden; sie könne auch nicht aus dem Ingerenzprinzip abgeleitet werden. Zwar hätten Lehre und Rechtsprechung den Rechtssatz entwickelt, daß jemand, der eine Gefahr für ein Rechtsgut herbeigeführt habe, auch verpflichtet sei, dafür zu sorgen, daß es zu keiner tatsächlichen Beeinträchtigung (dieses Rechtsgutes) komme, doch lasse sich diese Rechtsansicht auf den gegenständlichen Fall nicht anwenden.
Diesen am Kern der Sache vorbeigehenden Rechtsausführungen kann aus folgenden Erwägungen nicht beigetreten werden:
Auch die Beschwerden gehen von der eindeutigen, im Spruch und in den Gründen des angefochtenen Urteiles getroffenen Feststellung aus, daß die Angeklagten von Helmut S*** - der durch ihre wahrheitswidrigen Zeugenaussagen vor Gericht in erster Instanz wegen des Verbrechens der Hehlerei zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 23 Monaten verurteilt worden war, die er unter Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft (Strafrest rund 17 1/2 Monate) noch zu verbüßen hatte - einen Geldbetrag von 300.000 S forderten; dies mit der Drohung, daß sie bei Nichtbezahlung des geforderten Betrages ihre (den Schuldspruch allein stützenden) falschen Beweisaussagen nicht widerrufen würden und er die aushaftende Freiheitsstrafe verbüßen müsse (S 83 b.s087/II). Nach dem so erstgerichtlich festgestellten Sinngehalt der Drohung handelt es sich ausschließlich um die Androhung einer Unterlassung, nämlich des Schweigens: Nach der Legaldefinition des § 74 Z 5 StGB ist unter gefährlicher Drohung eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen zu verstehen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse oder seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Unter der Voraussetzung, daß dem (den) Drohenden eine Garantenpflicht im Sinn des § 2 StGB obliegt, kann eine gefährliche Drohung auch durch Androhung einer Unterlassung begangen werden (Kienapfel BT I2 Rz 50 zu § 105 StGB). Hiebei betrifft aber die Frage der Garantenpflicht nicht die Rechtswidrigkeit des Unterlassens - wie offensichtlich die Beschwerdeführer meinen -, sondern ein objektives Tatbestandsmerkmal (vgl. Steininger, Die moderne Strafrechtsdogmatik und ihr Einfluß auf die Rechtsprechung, ÖJZ 1981, S 371 mit weiteren Nachweisen). Damit ist zur aufgeworfenen Frage nur zu prüfen, ob die beiden Angeklagten durch ihr Verhalten eine nahe Gefahr für ein Rechtsgut des Helmut S*** (hier: die Freiheit) herbeiführten. Daß diese Prämisse bei wiederholter Ablegung einer falschen Beweisaussage, die einen Unschuldigen der Gefahr eines (weiteren) Freiheitsentzuges aussetzt, zu bejahen ist, bedarf wohl keiner Erörterung. Daraus erwuchs den Angeklagten aber nach dem in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Ingerenzprinzip (vgl. hiezu Kienapfel AT Z 30 Rz 18-20) die Verpflichtung zur Abwendung des Erfolgseintritts (Freiheitsentzugs), sodaß die im Ersturteil festgestellte Drohung den Tatbestandserfordernissen der §§ 2, 74 Z 5, 144 Abs. 1 StGB entspricht. Der von den Beschwerden hervorgekehrte Umstand, daß die Angeklagten nicht verpflichtet waren, sich selbst einer von ihnen tatsächlich begangenen Straftat zu bezichtigen, berührt bei isolierter Betrachtung dieser Drohung und der Unterlassung des Widerrufs der falschen Beweisaussage nur die Frage der Rechtfertigung des Schweigens. Damit ist bei der gegebenen Sachlage für die Angeklagten deshalb nichts gewonnen, weil ihre mit Bereicherungsvorsatz aufgestellte erpresserische Forderung nur dann nicht rechtswidrig wäre, wenn sie ein Recht nicht nur auf die Zufügung des angedrohten Übels (Verschweigen der Falschaussage), sondern auch ein Recht auf das von Helmut S*** geforderte Verhalten gehabt hätten und ein sachlicher Konnex zwischen Mittel und Zweck bestünde (vgl. hiezu JBl. 1985, 432 und JBl. 1988, 126 und die dort zitierte Literatur und Judikatur). Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß die hier gegebene Verquickung von Mittel und Zweck den guten Sitten widerstreitet (§ 144 Abs. 2 StGB), wenn zwei Zeugen nach wahrheitswidrigen Beweisaussagen unter dem Deckmantel, man könne ihnen nichts nachweisen und sie auch nicht zur Selbstbezichtigung verhalten, dem Opfer ihrer falschen Beweisaussage Geld abzunötigen versuchen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - als unbegründet - zu verwerfen.
Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO:
Auf Anregung des Verteidigers im Gerichtstag konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, daß das Urteil in der Subsumtion der Erpressung (II) unter den strafsatzerhöhenden Tatbestand der Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz (§ 145 Abs. 1 Z 1 StGB) mit der von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet ist. Das Gericht führte nämlich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der erpresserischen Forderung von 300.000 S nur aus, daß in Anbetracht der noch aushaftenden Haftstrafe von rund 17 1/2 Monaten sicherlich eine Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Helmut S*** vorliege (S 99/II). Abgesehen davon, daß das in diesem Zusammenhang gebrauchte Wort "sicherlich" keinen Aussagewert besitzt, handelt es sich beim fraglichen Qualifikationstatbestand um eine eher weit gefaßte Generalklausel, deren Heranziehung im Einzelfall konkrete Tatsachenfeststellungen sowohl zum objektiven Sachverhalt (wirtschaftliche Verhältnisse des Bedrohten) als auch zum subjektiven Wissensstand der Täter voraussetzt, die das Urteil hier vermissen läßt.
Der Bedrohte Helmut S*** sprach wohl bei seiner
polizeilichen Vernehmung davon, daß seine Existenzgrundlage vernichtet wäre, wenn er die hohe Reststrafe verbüßen müßte (S 209/I), schilderte in der Hauptverhandlung seine berufliche Position aber derart, daß er nur Angestellter seiner Ehefrau (Eigentümerin und Konzessionsinhaberin zweier Nachtlokale) sei und sie bei der Betriebsführung unterstützen müsse, weil eine Frau eine Bar nicht führen könne (S 25/II). Aus dieser zuletzt genannten Aussage ließe sich zwar die Befürchtung ableiten, daß die Geschäftsfrau bei längerer Abwesenheit des Ehemannes wirtschaftliche Einbußen erleide, nicht aber wäre die Befürchtung indiziert, der Bedrohte könnte nach Entlassung aus der Haft keine solche zur Existenzsicherung erforderliche Beschäftigung mehr finden. Eine bloße Beeinträchtigung der Verdienstmöglichkeiten wäre jedenfalls nicht tatbildlich im Sinn des § 145 Abs. 1 Z 1 StGB (Leukauf-Steininger2 RN 9 zu § 145 StGB).
Der Oberste Gerichtshof sah sich zufolge der genannten Feststellungsmängel zur Qualifikation nach dem § 145 Abs. 1 Z 1 StGB daher veranlaßt, den Schuldspruch II in diesem Umfang aufzuheben und eine Verfahrenserneuerung anzuordnen.
Zu den Berufungen wegen Strafe und zur Beschwerde:
Die teilweise Kassation des Schuldspruches in der strafsatzbestimmenden Qualifikation mußte zwangsläufig auch zur Aufhebung des Strafausspruches einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung und der Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Entlassung (§ 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) führen. Darauf waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen, letztere auch mit ihrer Beschwerde, zu verweisen.
Zur Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis:
Der Privatbeteiligte Helmut S*** schloß sich nach dem Hauptverhandlungsprotokoll (dessen Inhalt für das Rechtsmittelgericht ausschlaggebend ist) mit Teilschadenersatzbeträgen von 4.004 S und 1.000 S dem Strafverfahren an, ohne diese Ansprüche beweismäßig und rechtlich näher zu konkretisieren (S 65/II). Allerdings hatte er seine Ansprüche schon anläßlich der Vorlage der Vertretungsanzeige begründet (ON 30), welche Eingabe aber mangels Verlesung (siehe S 64, 65/II) nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war.
Das teilweise zu erneuernde Verfahren wird Gelegenheit bieten, die Ansprüche des Privatbeteiligten und Berufungswerbers Helmut S*** an Hand der vorgelegten Urkunden und seines Berufungsvorbringens (ON 72/II) neuerlich zu prüfen (§ 366 Abs. 2 StPO); dem Berufungsgericht ist es verwehrt, in erster Instanz nicht geschaffene Entscheidungsgrundlagen selbst nachzuholen (Mayerhofer-Rieder2 E 21 a zu § 366 StPO).
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