Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.781 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 463,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.Oktober 1987, GZ S 91/86-61, wurde im Konkurs über das Vermögen des Beklagten auf Antrag des Masseverwalters das Mietrecht des Beklagten aus dem Mietvertrag vom 24.Mai 1984 betreffend die im 2.Stock des alten Wohnhauses "Mauerermeister in Walchsee Dorf" gelegene Wohnung top Nr 4 aus der Konkursmasse ausgeschieden und dem Beklagten unbeschadet Rechte Dritter gemäß § 119 Abs 5 KO zur freien Verfügung überlassen.
Der Kläger begehrt die Räumung dieser Wohnung, weil der Beklagte mit Zahlungen an Mietzins und Betriebskosten in Höhe von mehr als S 300.000 im Rückstand sei und trotz wiederholter Mahnung den Rückstand nicht bezahlt habe. Der Beklagte benütze die Bestandräumlichkeiten darüber hinaus ohne Titel, zumal er diese trotz Aufforderung bis heute nicht geräumt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, stets gewillt gewesen zu sein, den Mietzins und die Betriebskosten zu bezahlen. Bei der Verwahrungsstelle des Oberlandesgerichtes Innsbruck sei für ihn eine Versicherungsentschädigung für den Brandschaden vom 18.März 1984 hinterlegt worden; die Mietkosten seien gemäß Versicherungsvertrag Anteil dieser Entschädigung. Die hinterlegten Gelder, die zur Begleichung der Mietkosten herangezogen werden sollten, seien ohne sein Verschulden blockiert, ein diesbezügliches Verfahren sei bis heute nicht abgeschlossen. Sollten die hinterlegten Beträge endlich frei werden, so habe er Anspruch auf Beträge in Höhe der Mietrückstände. Bestritten werde die Höhe des ausgewiesenen Saldos; es sei nicht möglich, daß ein Rückstand in der vom Kläger angegebenen Höhe aushafte.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe für die Wohnung einen monatlichen Bestandzins von S 4.500 sowie Betriebskosten von S 1.500 bis S 2.000 zu zahlen gehabt. Bei Klagseinbringung im Februar 1988 hätten an Mietzins S 202.500, zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz S 247.500 (55 Monate) ausgehaftet. Der Rückstand sei durch die beim Bezirksgericht Kufstein hinterlegten Versicherungsleistungen auch nicht teilweise abgedeckt worden. Zugunsten des Klägers selbst seien keine Beträge auch nicht hinterlegt worden, die gesamte Erlagssumme sei schließlich am 14.Juli 1988 an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Beklagten ausbezahlt worden. Rechtlich zog der Erstrichter daraus den Schluß, daß der Beklagte seit Beginn des Mietverhältnisses keine Miet- und Betriebskostenzahlungen an den Kläger geleistet habe, dies trotz mehrerer Mahnungen des Klägers. Demzufolge sei die auf Nichtzahlung des Mietzinses gestützte Räumungsklage berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt. Zu Unrecht erachte der Beklagte die Räumungsklage als unschlüssig. Der Kläger habe aber die Tatsachenelemente der im § 1118 zweiter Fall ABGB genannten Räumungsklage behauptet; er habe vorgebracht, daß er Eigentümer der Bestandräumlichkeiten und der Beklagte deren Mieter sei, und daß zum Klagszeitpunkt trotz mehrfacher Mahnungen ein hoher Mietzinsrückstand aushafte. Damit halte die ein Räumungsbegehren und damit eine Auflösungserklärung enthaltende Klage der Schlüssigkeitsprüfung stand. Daß die in der Klage behauptete Mahnung (bzw Nachfristsetzung) nicht festgestellt sei, verschlage nichts:
Eine auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumungsklage wirke als Mahnung bzw ersetze diese. Die in der Berufung vermißte, für ein erfolgreiches Räumungsbegehren nach § 1118 zweiter Fall ABGB erforderliche, einseitige empfangsbedürftige Auflösungserklärung, welche auch außergerichtlich und formfrei erfolgen könne, könne auch erst in der Klage selbst abgegeben werden; sie werde vor allem in einem auf § 1118 ABGB gestützten Räumungsbegehren erblickt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist nicht gerechtfertigt. Gemäß § 1118 ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Ob das MRG auf das Bestandverhältnis der Streitteile anzuwenden ist, worüber der Beklagte Feststellungen vermißt, ist unerheblich, weil § 29 Abs 1 Z 5 MRG für den Geltungsbereich dieses Gesetzes den hier relevanten zweiten Auflösungstatbestand des § 1118 ABGB übernimmt; insoweit wird also das vorzeitige Lösungsrecht nicht eingeschränkt (MietSlg 34.264, 32.206 noch zur alten Rechtslage der §§ 19 ff MG; Binder in Schwimann, § 1118 ABGB Rz 9 mwN). Ein qualifizierter Mietzinsrückstand liegt vor, wenn der Bestandnehmer trotz gehöriger Mahnung, den fälligen Zins zu bezahlen, bis zu dem darauf folgenden Zinsfälligkeitstermin den rückständigen und eingemahnten Zins nicht vollständig entrichtet hat, wobei sowohl die "Einmahnung" des Bestandgebers wie auch seine Auflösungserklärung durch die Klage ersetzt werden kann (MietSlg 34.264, 23.187 ua; Würth aaO, § 1118 ABGB Rz 6, 15, 17 f; Binder aaO, Rz 102 f, jeweils mwN). In einer nur auf den Mangel des Rechtstitels und nicht auch § 1118 ABGB gestützten Räumungsklage wurde zwar nicht die geforderte "Einmahnung" gesehen (MietSlg 6.320; JBl 1954, 399; 1 Ob 502/89; Binder, aaO, Rz 102), doch gilt dies dann nicht, wenn in einer Klage das Begehren erkennbar auch auf § 1118 ABGB gestützt wird. Bei Geltendmachung eines Auflösungsgrundes im Wege der Räumungsklage ist eine Mahnung weiterer Fälligkeiten wegen der Eindeutigkeit der Haltung des Bestandgebers nicht mehr erforderlich (MietSlg 20.187; 5 Ob 683/82). Abgesehen davon können die Rechtsgründe Auflösung nach § 1118 ABGB und titellose Benützung in einer Klage nebeneinander geltend gemacht werden (MietSlg 5.007).
Soweit in der Revision neuerlich der Einwand erhoben wird, die Klage sei unschlüssig, sei darauf verwiesen, daß der Kläger sowohl die Rechtspositionen der Streitteile (Liegenschaftseigentümer und Mieter) auf Grund eines Mietvertrages wie das Bestehen eines Rückstandes von Mietzins und Betriebskosten in beträchtlicher Höhe trotz wiederholter Mahnung behauptete, sodaß von einander widersprechenden Tatsachenbehauptungen entgegen dem Revisionsvortrag keine Rede sein kann.
Nach der gemäß § 33 Abs 3 MRG in Rechtsstreitigkeiten über Räumungsklagen nach § 1118 zweiter Fall ABGB sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG (inhaltlich übereinstimmend mit § 21 Abs 2 und 3 MG) hat das Gericht - wenn die Höhe des geschuldeten Mietzinses strittig ist - vor Schluß der Verhandlung darüber zu entscheiden. Zweck dieser Beschlußfassung ist es, klarzustellen, welchen Betrag der Mieter dem Vermieter schuldet, damit der Mieter noch vor Schluß des Verfahrens erster Instanz die Möglichkeit erhält, durch Zahlung des rückständigen Mietzinses die auf § 30 Abs 2 Z 1 MRG gestützte Kündigung oder die Stattgebung des auf den zweiten Fall des § 1118 ABGB gegründeten Räumungsbegehrens abzuwenden, vorausgesetzt, daß ihn an der bisherigen Nichtzahlung kein grobes Verschulden trifft. Nur unter diesem Aspekt kann das in der Revision ins Treffen geführte fehlende grobe Verschulden des Beklagten relevant sein. Für die Anwendung des § 1118 ABGB ist dagegen ein Verschulden an der Verspätung der Zinszahlung nicht erforderlich, objektiver Verzug des Bestandnehmers reicht aus (MietSlg 17.218, 2.235 jeweils mwN; Binder, aaO Rz 92). Die Unterlassung eines Beschlusses nach § 33 Abs 2 MRG durch das Prozeßgericht stellt aber eine reine Verfahrensvorschrift dar, deren Nichtbeachtung mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt werden muß (SZ 52/144 ua). Im vorliegenden Fall wurde vom Beklagten zwar die Höhe des aushaftenden Mietzinssaldos ausdrücklich bestritten, in der Berufung ein bezüglicher Mangel des Verfahrens erster Instanz aber nicht geltend gemacht. Da nach herrschender Rechtsprechung ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, welcher in der Berufung nicht beanstandet wurde, in der Revisoin nicht mehr geltend gemacht werden kann, ist dem Revisionsgericht ein Eingehen auf diesen Umstand untersagt (SZ 52/144 ua).
Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)