Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.745 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.957,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Wochenzeitung "Die ganze Woche", die Beklagte ist Medieninhaberin der Monatszeitschriften "Basta" und "Rennbahn-Expreß".
Im Heft Nr. 5/1989 der Zeitschrift "Rennbahn-Expreß" wurde auf S. 7 eine "Coole Aktion" angekündigt; unter der Überschrift "DEIN EIS GRATIS" war zu lesen:
"Am 24. April kannst du dir dein Gratis-Eis abholen! Einen Tag lang gibt's in der RE-Redaktion (1050 Wien, Krongasse 6) Schöller-Eis-Festspiele: Jeder, der mit diesem Heft ab 11 Uhr vormittags in die Redaktion kommt, bekommt von Schöller eine von vier neuen Eissorten geschenkt (solange der Vorrat reicht)! Damit läutet Schöller endgültig den Eissommer 1989 ein. Die RE-Leser sind live mit dabei ...... Und du kannst wählen!
"Manhattan ist das neue Schöller-Eis, das wie die Fackel der Freiheitsstatue aussieht.
Affenzahn ist der tropische Eisspaß: ein Riesenfinger aus Bananeneis mit einer Kokosfettglasur.
Koala ist das "süßeste" Eis der Saison: ein liebes Koalabärli ganz aus Vanille- und Schokoladeeis!
Eisfrüchtchen ist der Eistip für alle, die auf puren
Fruchtgeschmack stehen: Du kannst zwischen Erdbeer und Zitrone wählen.
So kommst du in die Krongasse: Das Schöller-Eis gibt es nur am Montag, dem 24. April, ab 11 Uhr beim R***-E*** in der Krongasse 6, 1050 Wien. Die Krongasse ist eine Seitengasse der Margaretenstraße, ungefähr auf der Höhe der Kettenbrückengasse. Wenn du mit der U-Bahn kommst: Nimm die U 4, steig bei der Station Kettenbrückengasse aus, geh die Kettenbrückengasse (von der Station rechts) bis zur Margaretenstraße, dann die Margaretenstraße Richtung stadtauswärts. Die zweite Straße links ist die Krongasse, und dein Schöller-Eis bekommst du beim RE, das ist das graue Haus mit der Nummer 6! Viel Spaß ......"
Diese Aktion war auf der Titelseite des Heftes nicht angekündigt. Mit der Behauptung, daß die Beklagte unter Verletzung des Zugabengesetzes sowie anderer wettbewerbsrechtlicher Vorschriften sittenwidrig Gratisgaben an den Verkauf ihrer Zeitschrift knüpfe und damit einen unsachlichen Anreiz zu deren Erwerb biete, begehrt die Klägerin, die Beklagte (u.a.) schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, als Medieninhaber von Zeitschriften, insbesondere von "Basta" oder "Rennbahn-Expreß", im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes anzukündigen oder anzubieten, daß im Zusammenhang mit dem Kauf einer Zeitschrift, insbesondere gegen Vorweisung eines Heftes dieser Zeitschrift, Gratisgaben, insbesondere Gratiseis, gewährt würden; ferner stellt die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandete Aktion, für die sie weder auf der Titelseite des "Rennbahn-Expreß" angekündigt noch sonst dafür geworben habe, sei dem Leser erst nach dem Erwerb der Zeitschrift bekannt geworden; ein Verstoß gegen das Zugabengesetz liege daher nicht vor. Der Erstrichter gab dem Unterlassungs- und - teilweise - auch dem Veröffentlichungsbegehren statt. Die entscheidende Voraussetzung für die Zugabeneigenschaft sei die Abhängigkeit der Nebenleistung vom Abschluß des Hauptgeschäftes; die Zugabe müsse mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß sie objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen und somit den Absatz der Hauptware zu fördern. Das treffe bei der "Eis-Aktion" zu: Obwohl diese Aktion auf der Titelseite der Zeitschrift nicht angekündigt gewesen sei, sei der Zusammenhang zwischen der Nebenware (Eis) und dem Absatz der Hauptware (Zeitschrift) nicht ausgeschlossen; er sei vielmehr darin gelegen, daß zum Bezug der Nebenware der Besitz der Hauptware notwendig war. Die Interessenten an der Nebenware hätten nicht nur durch den Kauf der Zeitschrift, sondern auch durch Mitteilungen von Verwandten, Freunden, Bekannten oder durch Einsichtnahme in die Zeitschrift in öffentlichen Lokalen von der Aktion Kenntnis erlangt haben können. Da sie aber zur Teilnahme daran ein Exemplar der Zeitschrift benötigt hätten, sei damit zu rechnen, daß eine nicht unerhebliche Zahl von Personen durch die beanstandete Aktion zum Kauf der Zeitschrift veranlaßt wurde. Einer der Ausnahmefälle nach §§ 2 und 3 ZugG liege nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Die beanstandete Ankündigung sei zweifellos so formuliert, daß der Leser habe meinen müssen, er benötige zur Teilnahme eine Ausgabe des Heftes Nr. 5/89 der Zeitschrift "Rennbahn-Expreß". Gewiß werde derjenige, der die Zeitschrift schon gekauft habe, kein Interesse daran haben, lediglich wegen der in Aussicht gestellten Nebenware ein zweites oder gar noch ein weiteres Exemplar der Zeitschrift zu erwerben. Anders verhalte es sich aber mit den Personen, die durch das Lesen der öffentlich aufgelegten Zeitschrift oder durch Bekannte, Verwandte oder Freunde von der Aktion Kenntnis erlangt haben. Wer Interesse an dem angekündigten Schöller-Eis gehabt habe, sei genötigt gewesen, sich ein Exemplar der Zeitschrift zu kaufen. Für Personen, die zwar den Kauf der Zeitschrift bereits in Erwägung gezogen, sich dazu aber noch nicht entschlossen hatten, sei die Aussicht auf die Nebenware, die im Handel immerhin (höchstens) S 14 kostet, in vielen Fällen das auslösende Moment zum Kaufentschluß gewesen. Gerade unter den durch die Zeitschrift angesprochenen Personen werde nicht nur ein unbeträchtlicher Teil zum Kauf der Zeitschrift veranlaßt worden sein. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß allenfalls eine Anreise zur Redaktion in Kauf genommen werden müsse, verfüge doch ein Großteil der Jugendlichen über Netzkarten. Die mit der Anreise verbundene Zeitversäumnis würden Jugendliche gerne in Kauf nehmen.
Die Ausnahmefälle des § 3 Abs 1 lit a oder c ZugabenG lägen nicht vor, weil nicht von einer Warenprobe gesprochen werden könne und das angebotene Eis auch keine geringwertige Kleinigkeit sei. Entscheidend sei nicht das Wertverhältnis von Hauptware und Zugabe; vielmehr mußte die Zugabe absolut geringwertig sein. Das treffe aber insbesondere bei der angebotenen teuersten Eissorte nicht zu. Da nach dem oben Gesagten die Mitteilung der Beklagten geeignet gewesen sei, Käufer anzulocken, habe die Beklagte die Zugabe nicht nur gewährt, sondern auch angekündigt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte hält weiter an ihrer Auffassung fest, daß die beanstandete "Eis-Aktion" deshalb nicht gegen das Zugabengesetz verstoßen habe, weil sie nicht auf der Titelseite angekündigt worden war; der Personenkreis, der von der Aktion Kenntnis erlangt habe, ohne die Zeitschrift vorher gekauft zu haben, sei zahlenmäßig so gering, daß er nicht ins Gewicht falle. Dem ist nicht zu folgen:
Nach § 1 Abs 1 ZugG ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr neben Waren oder Leistungen unentgeltlich Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren. Dabei ist es nach § 1 Abs 1 Satz 2 ZugG belanglos, ob die Zugaben im vorhinein, gleichzeitig mit der Ware oder erst später gewährt werden sollen oder gewährt werden und ob sie in Waren oder in Leistungen bestehen. Zugabe ist - wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern (ÖBl. 1985, 108 mwN; ÖBl. 1989, 112 uva). Dieser Vorteil muß mit der Hauptware (-leistung) in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware (-leistung) zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein (ÖBl. 1985, 47; ÖBl. 1985, 108; ÖBl. 1989, 112 uva;
Hohenecker-Friedl 122; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1906 Rz 12 zu § 1 dZugV). Zwischen der Haupt- und der unentgeltlichen Zusatzleistung muß demnach ein "innerer Zweckzusammenhang" bestehen;
es müssen diejenigen Waren oder Leistungsumsätze gefördert werden, neben denen oder zu denen die Zuwendung gemacht wird (Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt 101 Rz 26 zu § 1 dZugV). Die Zuwendungen müssen neben Hauptangeboten gemacht oder in Aussicht gestellt werden, für die sich der Kunde um ihretwillen entschließen soll; auf die Förderung des Einzelgeschäftes und nicht der allgemeinen Geschäftstätigkeit kommt es dabei an (Hoth-Gloy aaO 103 Rz 28). Der notwendige Zusammenhang muß zur Zeit des Kaufentschlusses gegeben sein. Werden nach dem Geschäftsabschluß Zuwendungen in Aussicht gestellt oder gewährt, mit denen der Käufer beim Kauf nicht rechnen konnte, dann liegt keine Zugabe vor. Die dem Ziel und Zweck des Zugabenverbotes zuwiderlaufenden werblichen Wirkungen müssen spätestens beim Vertragsschluß (Kaufentschluß) wirksam geworden sein (Hoth-Gloy aaO 112 f Rz 34; ÖBl. 1989, 112).
Nun ist der Beklagten zwar darin zuzustimmen, daß nur ein geringer Teil des Publikums - noch dazu der Jugendlichen - Zeitschriften in Trafiken oder an Zeitschriftenkiosken vor dem Entschluß, sie zu kaufen, näher in Augenschein nehmen wird; in aller Regel sieht der Erwerber einer Zeitschrift vor dem Kauf, wenn überhaupt, ihre Titelseite, nicht aber die erst im Blattinneren gemachten Ankündigungen (ÖBl. 1989, 112). Im Gegensatz zu dem der Entscheidung ÖBl. 1989, 112 zugrunde gelegenen Fall konnte aber hier von der nur im Inneren des "Rennbahn-Expreß" angekündigten Aktion doch ein Anreiz zum Kauf eines Exemplars der Zeitschrift ausgehen: Für die Teilnahme an der beanstandeten Aktion war es notwendig, "mit diesem Heft ab 11 Uhr vormittags in die Redaktion" zu kommen. Hatte also ein Jugendlicher, ohne vorher die Nr. 5/89 des "Rennbahn-Expreß" gekauft zu haben, - etwa durch Mitschüler, Freunde usw. - von der "Eis-Aktion" der Beklagten erfahren, dann konnte er sich durchaus veranlaßt sehen, im Hinblick auf die Chance, kostenlos ein Eis zu bekommen, die Zeitschrift zu kaufen; im Fall der Entscheidung ÖBl. 1989, 112 konnte hingegen jeder, der von dem Gewinnspiel erfahren hatte, daran auch ohne Kauf einer Ausgabe der sie veranstaltenden Zeitschrift teilnehmen.
Daß das in Aussicht gestellte Eis (höchstens) S 14,--, die Zeitschrift "Rennbahn-Expreß" aber S 25,-- kostet, steht der Annahme, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums sich dazu entschließen konnte, die Zeitschrift zu kaufen, um das Eis zu bekommen, nicht entgegen. Eine solche Handlungsweise wäre ja nur dann irrational, wenn an der Zeitschrift überhaupt kein Interesse bestünde; andernfalls kann aber die Ausgabe von S 25,-- gerade dadurch schmackhaft gemacht worden sein, daß dafür nicht nur die Zeitschrift, sondern zusätzlich noch ein Eis zu erhalten war. Der mit dem Abholen des Eises verbundene Zeitaufwand fällt bei vielen Jugendlichen nicht stark ins Gewicht. Zu welchem genauen Prozentsatz die Jugendlichen über Netzkarten verfügen, ist nicht wesentlich; zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Jugendlichen konnte jedenfalls - sei es auf Grund ihres Wohnortes, sei es auf Grund einer Netzkarte o.dgl. - ohne Fahrtkostenaufwand die "RE-Redaktion" erreichen.
Mit Recht haben daher die Vorinstanzen einen Zugabenverstoß der Beklagten bejaht. Auf ihren in der Berufung erhobenen Einwand, daß ein Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs 1 lit a oder c ZugG vorliege, kommt die Beklagte in dritter Instanz nicht mehr zurück. § 3 ZugG regelt im übrigen nur Ausnahmen vom Verbot des Gewährens, nicht aber auch des Ankündigens und Anbietens unentgeltlicher Zugaben. Das Unterlassungsgebot ist entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht unbestimmt: Daß die Klägerin zwischen "Gratisgabe" "und Zugabe" unterscheiden wollte, ist nicht zu erkennen; sie hat vielmehr - offenbar um den Rechtsbegriff "Zugabe" zu vermeiden - als Überbegriff zu dem von der Beklagten gebrauchten Ausdruck "Gratis-Eis" die Bezeichnung "Gratisgabe" gewählt. Daß "Gratisgaben" dann nicht verboten sind, wenn sie das Gesetz (§§ 2, 3 ZugG) für zulässig erklärt, muß im Spruch nicht ausdrücklich erwähnt werden (MR 1989, 145 ua). Durch die Verwendung des Ausdrucks "Gratisgabe" kann die Klägerin jedenfalls nicht erfolgreich Exekution wegen solcher Handlungen führen, die nicht gegen das Zugabengesetz verstoßen.
Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Urteil zu bestätigen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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